Die Oberhäupter der christlichen Kirchen im Heiligen Land haben offiziell Protest gegen einen erneuten Versuch erhoben, sie zur Zahlung bestimmter Steuern im Staat Israel zu zwingen. Der gravierendste Fall betrifft momentan die armenische Kirche, vielfach sind aber katholische Einrichtungen involviert.
Die Patriarchen und Oberhäupter der Ortskirchen von Jerusalem haben eine offizielle Erklärung veröffentlicht, in der sie den jüngsten Versuch der Stadt Jerusalem verurteilen, die Kirchen zur Zahlung der als „Arnona“ bekannten Kommunalsteuer zu zwingen. In der Erklärung vom 19. Februar heißt es, das Vorgehen der Stadt sei „rechtlich fragwürdig und moralisch inakzeptabel“.

Die Kommunalverwaltung ordnete eine Zwangsvollstreckung gegen das Patriarchat der Armenisch-Apostolischen Kirche an, die im Erfolgsfall dazu führen würde, dass das Eigentum der Kirche wegen angeblich nicht bezahlter Steuern in die Hand der Stadt überginge. Die Armenisch-Apostolische Kirche ist eine der kleinsten Kirchen, die historisch im Heiligen Land präsent sind, aber auch die Katholische und die Griechisch-Orthodoxe Kirche sind von dem Problem betroffen. Die Frage, ob Kirchen von bestimmten Steuern befreit werden sollten, zu denen auch die Arnona zählt, wird seit Jahrzehnten diskutiert.
Die Beziehungen zwischen den christlichen Kirchen und dem Staat werden in Israel durch eine Übereinkunft geregelt, die als der „Status quo“ bekannt ist und auf die Zeit des Osmanischen Reiches zurückgeht. Aber: „Die Status-quo-Vereinbarung ist eine politische Erklärung“, sagte Sami el-Yousef, Geschäftsführer des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem, in einem Gespräch mit einer Delegation von Aid to the Church in Need (ACN) International. „Sieht man sich das Gesetz an, dann findet sich darin nichts, was besagt, dass unsere Einrichtungen steuerbefreit sind. Wenn wir vor Gericht gehen, werden wir wahrscheinlich verlieren. Dieses Problem erfordert also eine politische Lösung. Denn alle Kirchen werden bankrottgehen, wenn wir nach dem Gesetz zahlen müssen.“
„Die Kirchen stehen unter Druck, Steuern zu zahlen“, erklärte Sami el-Yousef. „Die Gespräche zwischen dem Vatikan und dem Staat Israel haben 1994 begonnen und hätten bis 1996 abgeschlossen sein sollen, aber sie verhandeln immer noch.“

Im konkreten Fall des armenischen Patriarchats machen die Kirchen geltend, dass die Stadt die Anforderungen eines ordnungsgemäßen Verfahrens nicht eingehalten habe. „Besonders alarmierend ist der Versuch der Stadtverwaltung, eine Forderung ohne gerichtliche Überprüfung zu vollstrecken, unter Missachtung des Regierungsausschusses, der eingerichtet wurde, um solche Angelegenheiten nach Treu und Glauben zu verhandeln. Dieser rücksichtslose Schritt gefährdet das orthodoxe armenische Patriarchat und schafft einen gefährlichen Präzedenzfall, der christliche Einrichtungen im gesamten Heiligen Land gefährden könnte“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung der Patriarchen und Oberhäupter der Kirchen von Jerusalem.
In einer gesonderten Erklärung beanstandet das armenische Patriarchat, dass sich der vom Vollziehungsbeamten geforderte Betrag auf angebliche Schulden beziehe, die auf das Jahr 1994 zurückgingen, wobei jedoch die Verjährungsfrist nicht beachtet wurde. Zudem seien Immobilien miteingeschlossen, die an die Stadt selbst verpachtet seien, die wiederum Millionen Schekel an überfälliger Miete schulde. Das Patriarchat wirft dem Vollziehungsbeamten vor, „als Kläger, Richter und Vollstrecker in einem zu handeln und den Interessen seines Arbeitgebers – der Stadt – zu dienen“.
George Akroush, Leiter des Büros für Projektentwicklung des Lateinischen Patriarchats in Jerusalem, erklärte gegenüber ACN: „Wir haben große Einrichtungen mit Kirchen, Konferenzsälen, Ausbildungszentren und vielleicht einem kleinen Gästehaus und einem winzigen Souvenirladen. Und dann heißt es, weil es ein Gästehaus oder einen Souvenirladen gibt, müssen Steuern gezahlt werden – aber sie beziehen dafür den gesamten Bereich mit ein.“

In ihren Verhandlungen haben die Kirchen betont, dass ihnen eine wertvolle soziale Funktion zukomme, und gaben zu bedenken, dass es eine enorme Belastung für den Staat wäre, wenn sie gezwungenermaßen schließen müssten, erklärte George Akroush. „Es gibt nicht genügend Schulen, Altenheime, Zentren für Menschen mit Behinderungen, Waisenhäuser, Kulturzentren, Krankenhäuser oder andere soziale Einrichtungen zur Versorgung der Bevölkerung. Die Kirchen, die schon seit Jahrhunderten hier sind – und noch vor der Gründung des Staats Israel hier waren –, decken all das ab und sollten deshalb von Steuern befreit werden. Wenn Israel diese Steuern erhebt, werden mehrere Dienste eingestellt werden, denn die Kirche kann die Kosten dann nicht mehr tragen. Wir arbeiten schon jetzt mit einem Defizit und sind auf internationale Unterstützung angewiesen. Mehrere überlebenswichtige Hilfsdienste für die Ärmsten der Armen würden dann wegfallen, die Leidtragenden wären sie.“
In Jerusalem gibt es vier Fälle, die katholische Einrichtungen betreffen, und weitere in anderen Teilen Israels. „Sie haben die Bankkonten der Schulen des Lateinischen Patriarchats in Haifa eingefroren. Niemand setzt sich für uns ein, also mussten wir verhandeln. Wir konnten den Betrag von zwei Millionen Schekel [über eine halbe Million Euro] auf 500.000 NIS (134.000 Euro) reduzieren, indem wir eine Vereinbarung unterzeichnet haben, die uns nicht zur Zahlung von Steuern verpflichtet, sondern in der stattdessen von Kommunalabgaben die Rede ist. Was wird nächstes Jahr geschehen? Den Schutz, von dem wir bisher ausgehen konnten, haben wir nicht mehr“, erklärte Sami el-Yousef gegenüber ACN.
„Das ist ganz klar ein Versuch der Stadt, das armenische Patriarchat zu unterminieren, indem sie es durch wirtschaftlichen Druck ins Abseits stellt, um seine Präsenz im Heiligen Land zu verkleinern. Jedes Gerichtsurteil über die angeblichen Arnona-Schulden würde einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen, der auch auf andere christliche Gemeinschaften anwendbar wäre. Das hätte eine äußerst negative Wirkung auf die christliche Präsenz im Heiligen Land insgesamt“, heißt es in der Erklärung des armenischen Patriarchats.

In ihrer eigenen Erklärung vom 19. Februar verlangen die Patriarchen und Kirchenoberhäupter eine politische Lösung. „Der Angriff auf eine Kirche ist ein Angriff auf alle und wir können nicht schweigen, während die Grundlagen unseres christlichen Zeugnisses im Land des Wirkens Christi erschüttert werden. Wir fordern Premierminister Benjamin Netanjahu, Innenminister Mosche Arbel und Minister Zachi Ha-Negbi auf, unverzüglich einzugreifen, alle Zwangsvollstreckungsverfahren zu stoppen und dafür zu sorgen, dass die Verhandlungen im oben genannten Regierungsausschuss wiederaufgenommen werden, um diese Angelegenheit im Geiste der Gerechtigkeit zu betrachten und eine gütliche Lösung zu erreichen.“
Von Filipe d’Avillez.