Einige Geschichten beginnen wie viele andere auch. So die folgende: „Mein Name ist Francisco Faustino Francisco, genannt Chico. Ich bin 52 Jahre alt und Vater von fünf Kindern. Ich komme aus Muidumbe, aus der Pfarrei Herz Jesu in der Mission Nangololo.“
Chicos Geschichte spiegelt jedoch einen einzigartigen und unwiederholbaren Abgrund des Schmerzes wider. Muidumbe in der Provinz Cabo Delgado im Norden Mosambiks wird seit 2017 von terroristischen Gruppen und islamistischem Extremismus heimgesucht. Hier starben mehr als 3300 Menschen; fast eine Million wurden vertrieben. Chico ist einer von ihnen.
Muidumbe hatte knapp 80 000 Einwohner. Die Stadt wurde zweimal angegriffen – Chico erinnert sich: „Beim ersten Angriff wurden zwei Menschen brutal enthauptet und Häuser niedergebrannt. Der zweite Angriff Ende Oktober 2020 war gewalttätiger; die Aufständischen hielten sich mehr als zwei Monate lang in der Stadt auf. Wir wanderten durch den Wald und versuchten, Wasser zu finden. In der Stadt wimmelte es von Terroristen, deshalb machten wir uns nachts auf die Suche nach Wasser und Lebensmitteln wie getrocknetem Maniok. Die Tage vergingen, und unsere Häuser wurden in Brand gesetzt und zerstört. Ich habe vier meiner Kinder zu einem Verwandten nach Montepuez geschickt, das älteste, mein 24-jähriger Sohn, blieb. Die Menschen, die die Terroristen bei der Nahrungssuche erwischten, wurden getötet, also sagte ich meinem Sohn, er solle nicht in die Stadt gehen, weil es zu gefährlich sei.“
Ohne Nahrung und ohne Wasser befanden wir uns in einer verzweifelten Lage. „Nach fünf Tagen musste ich in die Tiefebene gehen, um in die Nähe des Flusses zu kommen, damit ich Wasser trinken und waschen konnte. Am siebten Tag erschienen Bekannte, die mir sagten, mein Sohn sei enthauptet worden. Er sei mit einer Gruppe junger Männer unterwegs gewesen und den Terroristen begegnet“. Chico ging zu seiner Frau, um ihr die schreckliche Nachricht zu überbringen. Sie vergaßen viele Tränen. Aber inmitten dieses Schmerzes, dieser Angst, ließ sich der Vater von fünf Kindern nicht einschüchtern. Er lebte das vierte Gebot in umgekehrter Weise, er wollte den Leichnam seines Sohnes begraben: „Ich ging nachts zurück in die Stadt und holte die Schaufel aus meinem Haus. Nach zwei Wochen fanden wir die Leiche, die bereits verwest war. Der Kopf hing an einem Stock und der Körper lag daneben. Wir haben mit viel Angst gegraben, während jemand Wache hielt. Wir befanden uns am Rande der Stadt. Wir gruben ein kleines Loch von einem halben Meter Tiefe, zogen die Leiche dorthin. Ich nahm den Kopf vom Stock und legte ihn in das Grab. Nachdem wir fertig waren, rannten wir zurück.“
Neben der Ermordnung seines Sohnes und dem Leben als Vertriebener hat Chico bei dem Konflikt noch ein weiteres Drama erlebt: das Verschwinden von Angehörigen und die Trennung von der Familie. Seine 95-jährige Mutter, die mit einer Schwester zusammenlebte, verschwand während eines Angriffs: „Ich bin selbst in die Gegend gegangen, um nach ihr zu suchen, aber ich fand weder eine Leiche noch ihre Kleidung. Es gab niemanden, der über sie Bescheid wusste. Mir war klar, dass ich meine Mutter nie wieder sehen würde.“
Nach vielen Strapazen konnte Chico in Pemba wieder mit seiner Frau in Pemba zusammenfinden, und dort leben sie jetzt. Sie durchlebten immense Schwierigkeiten. Chico hat versucht, die Familie zu vereinen, aber die Bedingungen in Pemba sind schwierig. Sie haben dort keine Möglichkeit, ihre Kinder bei sich zu behalten. Sie schlafen in einem Hinterhof, den ihnen eine gute Frau, Doña Rosalina, zur Verfügung gestellt hat, unter freiem Himmel und unter Plastikplanen, die sie vor Regen schützen. Ihre Kinder sind auf verschiedene Orte verteilt, eines in Chiure, eines in Nampula und zwei in Montepuez. Chico hat einen Traum: eines Tages ein Haus zu bauen, in dem sie alle wieder zusammensein können. „Wir haben bereits zwei Betten. Eines Tages hoffe ich, ein Haus für meine Familie zu haben. Das ist mein größter Wunsch.“
„Bevor das alles begann, habe ich dafür gekämpft, dass meine Kinder ein besseres Leben haben als ich es hatte. Ich wurde in der Zeit des bewaffneten Kampfes gegen den Kolonialismus geboren, dann folgte der Bürgerkrieg. Der Krieg und der bewaffnete Kampf dauerten mehr als 16 Jahre. Ich hatte nicht viel Geld, aber ich arbeitete sehr hart auf den Feldern, um unsere Kinder zu ernähren. Ich wohnte ganz in der Nähe der Mission und alle meine Kinder gingen dort zur Schule. Ich musste hart dafür arbeiten. Wir haben einmal im Jahr Kürbis geerntet“, erklärt der Mosambikaner. Wie die meisten Menschen in dieser Gegend besaß auch Chico ein Stück Land, auf dem er Kürbisse anbaute. Zunächst dachte er, dass er sich auch nach dem Einmarsch der Terroristen weiter um das Land würde kümmern können, weil der Anbau seine einzige Einnahmensquelle war. Er riskierte es, einmal dorthin zu gehen, um das Land für den Anbau vorzubereiten, aber dann konnte er nicht mehr zurückkehren.
Mit Hilfe eines Mikrokreditprojekts von Pater Edegard Silva, einem Salettiner-Missionar, der ebenfalls aus Muidumbe fliehen musste, eröffnete Chico einen kleinen Stand auf der Straße: „Ich verkaufe den ganzen Tag. Alle zwei, drei oder vier Minuten erscheint jemand, der Seife oder etwas anderes möchte. Es gibt eine Nachfrage, und ich werde respektiert. Ich bin den ganzen Tag beschäftigt. Das ist für mich wichtig, denn wenn man beschäftigt ist, lassen die Kriegstraumata nach, und so überwindet man die Schwierigkeiten.“
Aber nicht nur die Vertriebenen sind traumatisiert. Doña Rosalina, die ihnen einen Platz in ihrem Innenhof überlassen hat, kann nachts nicht schlafen. Denn sie sieht und fühlt so viel Schmerz um sich herum. Schmerz über den Verlust geliebter Menschen, über das Verschwinden anderer, über die Trennung von Eltern und Kindern, über die Verständigungsschwierigkeiten wegen der verschiedenen Dialekte, über die Traurigkeit und Sehnsucht nach dem verlorenen Land und der verlorenen Heimat … Das Bistum hat eine psychosoziale Unterstützungsgruppe eingerichtet, die von zwei Ordensschwestern, den Psychologinnen Schwester Aparecida und Schwester Rosa, geleitet wird. Sie haben ein sehr großes Team zusammengestellt, das die Aufgabe hat, den Menschen zuzuhören. Der erste Schritt zur Heilung der Wunden besteht darin, sich diesen Abgrund des Schmerzes anzuhören.
Bald ist es Weihnachten. Wie ist es aber möglich, in einer solchen Situation Weihnachten zu feiern? Was bedeutet Weihnachten für Chico? „Weihnachten bedeutet, wiedergeboren zu werden. Den Mut und die Kraft zurückzugewinnen. Weihnachten bedeutet die Ankunft des Herrn Jesus Christus. Es bedeutet, den Menschen in seiner ganzen Fülle zu feiern. Die Leidenden aufzunehmen. Bei der Familie und bei Freunden zu sein. Kleine Dinge zu teilen. Das Fest gemeinsam zu feiern. Hungrige zu speisen. Nackte zu kleiden. Gehen Sie auf Ihren Nachbarn zu und hören Sie ihm zu, geben Sie etwas. Darum geht es an Weihnachten.“
So antwortet Francisco Faustino Francisco, ein 52-jähriger Mosambikaner, der nach Pemba vertrieben wurde, nachdem seine Stadt Muidumbe und sein Haus von Terroristen zerstört wurden. Vater von fünf Kindern, eines ermordet und vier von ihren Eltern getrennte Flüchtlinge. Das sagt Chico, der unter einer Plastikplane im Hof des Hauses von Doña Rosalina lebt und auf der Straße Seife verkauft, um zu überleben. Und diese Geschichte des Schmerzes wird zum Evangelium. Sie zeigt das wahre Weihnachten, als Gott Mensch wurde, um den Menschen das Heil zu bringen. Auch nach Pemba.