Ein „Dschungel“ der Unmenschlichkeit: Lateinamerikanischer Bischof äußert sich zur Darién-Krise

Der Erzbischof von Panama berichtet dem internationalen Hilfswerk Aid to the Church in Need (ACN) über seine Erfahrungen in der Region Darién, einer der unwirtlichsten Migrationsrouten in Lateinamerika. Erzbischof José Domingo Ulloa betont die dringende Notwendigkeit internationaler Aufmerksamkeit und der Ergreifung von Maßnahmen angesichts der schrecklichen Bedingungen, denen Tausende von Migranten bei der Durchquerung dieser gefährlichen Region ausgesetzt sind.

„In Anbetracht der zunehmenden humanitären Krise in der Dschungelregion des Darién Gap, der Todesgefahren sowie der extremen Verwundbarkeit, denen die Migranten ausgesetzt sind, möchten wir unsere Stimme erheben“, so Erzbischof José Domingo Ulloa während seines Besuchs in der ACN-Zentrale: „Die Zahl der Toten ist schwer zu ermitteln, da viele nicht geborgen werden.“ Der Darién, ein äußerst gefährlicher Dschungel an der natürlichen Grenze zwischen Kolumbien und Panama, gilt als eine der schwierigsten Routen für die Migration nach Norden, insbesondere in die Vereinigten Staaten. Tausende von Menschen, vor allem Venezolaner, Ecuadorianer, Kolumbianer und Haitianer, aber auch interkontinentale Migranten, durchqueren dieses Gebiet in der verzweifelten Suche nach besseren Lebensbedingungen in den Vereinigten Staaten.

Mons. José Domingo Ulloa Mendieta besucht die Region Darién zu Ostern 2024
Mons. José Domingo Ulloa Mendieta besucht die Region Darién zu Ostern 2024

Erzbischof Ulloa berichtet, dass er Ende März im Rahmen eines von ACN unterstützten Treffens der Bischöfe der Grenzdiözesen Kolumbiens, Costa Ricas und Panamas nach Darién gereist sei, um sich mit der schrecklichen Situation auseinanderzusetzen. „Es brach uns das Herz, die Gesichter der Migranten zu sehen“, sagt er. „Die Migration hat ein weibliches Gesicht: Ungefähr vierzig Prozent der Menschen, die diese Route durchqueren, sind Frauen. Auch Kinder und ganze Familien prägen das Bild der Migration… dies zu sehen, bricht einem das Herz.“

Allein im Jahr 2023 überquerten mehr als 517 000 Menschen diesen Teil des Darién, darunter 113 000 Kinder, Tausende von ihnen unbegleitet. Die beschwerliche Reise birgt viele Gefahren, nicht nur Tropenkrankheiten und wilde Tiere, sondern auch bewaffnete Gruppen und Menschenhändler, die „aus der Verzweiflung unserer Brüder und Schwestern ein Geschäft machen“, prangert der panamaische Prälat an. Er fügt hinzu: „Wir wollen die neuen digitalen Medien nutzen, um eine Sensibilisierungskampagne zu starten. Ich glaube, das ist notwendig. Wir wollen beschreiben, welchen Gefahren Migranten ausgesetzt sind, wenn sie versuchen, die Grenze zu überschreiten. Denn in diesem Zusammenhang nutzen bereits viele Menschen die Medien, um den Migranten weiszumachen, dass es einfach sei, hierher zu kommen, obwohl das nicht stimmt; es ist nicht einfach. Wir verstehen die dramatische Situation, die die Migranten dazu veranlasst, ihr eigenes Land zu verlassen, aber ich denke, wir müssen das Bewusstsein für die Schwierigkeiten schärfen, denen sie auf ihrem Weg begegnen werden.“

Papst Franziskus: „Ein wahrer Kreuzweg“

Am Ende ihres Treffens gaben die teilnehmenden Bischöfe eine gemeinsame Erklärung zur dramatischen Migrationskrise ab. Sie betonten die Notwendigkeit, „zuzuhören, zu unterscheiden und auf der Grundlage unserer pastoralen Verantwortung zu handeln“. Sie hoben hervor, wie wichtig es sei, nicht wegzuschauen, und erklärten, dass „in einer Gesellschaft wie der unseren Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und Gleichgültigkeit durch den Wiederaufbau einer Kultur der Begegnung bekämpft werden müssen, die mit Gastfreundschaft und Aufnahme verbunden ist.“

Bischöfe aus Kolumbien, Costa Rica und Panama mit Migranten, die nach einer gefährlichen Reise durch den Dschungel ankommen
Bischöfe aus Kolumbien, Costa Rica und Panama mit Migranten, die nach einer gefährlichen Reise durch den Dschungel ankommen

Papst Franziskus richtete eine Botschaft an die Bischöfe, um ihnen seine Unterstützung zu bekunden, und bezeichnete den Weg der Migranten durch den Dschungel von Darién als „einen wahren Kreuzweg“. „Als wir Bischöfe uns Ende März trafen“, so Erzbischof Ulloa, „gab uns der Papst Worte der Ermutigung mit auf den Weg. Ich bin immer noch bewegt, wenn ich an sie denke: ‚Ich war auch ein Migrant.‘ Und er lud uns Bischöfe ein, die Migranten zu begleiten, um die Tränen auf dem Gesicht des leidenden Christus abzuwischen. Das war eine wunderbare Erfahrung. Jetzt wiederholen wir diese Botschaft häufig, damit die Migranten wissen, dass sie im Herzen des Papstes sind.“

Erzbischof Ulloa unterstreicht, dass „die große Mehrheit dieser Migranten vom Glauben getragen wird. Wir wollen als Kirche präsent sein, indem wir zum Beispiel Kliniken für psychologische Unterstützung der Frauen einrichten, von denen viele unterwegs missbraucht werden und die eine besondere Behandlung und Betreuung benötigen, um das Trauma zu überwinden – und auch für die Kinder. Wir brauchen Orte, an denen ein Priester oder eine Ordensfrau ihnen Kraft und Trost spenden und ihre Wunden versorgen kann“, erklärt er bei seinem Besuch in der ACN-Zentrale.

Maria Lozano, Pressechefin von ACN International, mit José Domingo Ulloa Mendieta, Erzbischof von Panama und Zweiter Vizepräsident des CELAM
Maria Lozano, Pressechefin von ACN International, mit José Domingo Ulloa Mendieta, Erzbischof von Panama und Zweiter Vizepräsident des CELAM

Er unterstreicht die Notwendigkeit eines Bewusstwerdungsprozesses seitens aller in der Kirche Tätigen, angefangen bei Bischöfen, Priestern und Ordensschwestern bis hin zu den Laien: „Manchmal können wir in unseren Ländern die Migrationswelle nicht verstehen, aber wir müssen uns in die Lage der Migranten versetzen. Eines der Ziele ist es, alle unsere pastoralen Mitarbeiter zu sensibilisieren, damit sie in den Migranten das Antlitz Gottes entdecken und sie nicht als Bedrohung sehen. Wir müssen sie in die Gemeinschaft integrieren.“ Er fügt hinzu: „In Panama haben wir die Erfahrung gemacht, dass viele der Migranten bereits in ihrer Heimat als Katecheten tätig waren; so können wir sie nun in unseren Pfarreien als zusätzliche Katecheten integrieren. Doch dies setzt ein neues Bewusstsein voraus. Wir müssen uns fragen, wie wir den Erfahrungsreichtum, den diese Menschen mitbringen, mit dem vorhandenen Reichtum im Aufnahmeland zusammenbringen können, um dann am Ende verkünden zu können: ‚Wir alle sind Brüder und Schwestern‘.“

„Ich wünsche mir, dass die Migranten spüren, dass die Kirche eine Mutter ist, die ihre Wunden heilt. Als Kirche wollen wir in dieser letzten Phase der Reise präsent sein: als Anlaufstelle für psychologische und spirituelle Unterstützung. Wir möchten zeigen, dass Migranten keine bloßen Nummern sind, sondern Menschen“, schließt der panamaische Bischof. Abschließend dankt er ACN für seine Hilfe und bittet um Gebete, damit diese Arbeit fortgesetzt werden kann: „Die wichtigste Hilfe besteht in der Kraft des Gebets, das uns Stärke verleiht. Aus dieser Perspektive gesehen sind wir ein Leib. Und wo auch nur das kleinste Glied leidet, leidet der ganze Leib. Wir müssen dieses Leiden zu unserem eigenen machen.“

 

Von Maria Lozano and Lucía Ballester.

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