REGIONALE ANALYSE
Festland-Asien
In einigen Ländern des asiatischen Festlands kommt es zu den weltweit schwerwiegendsten Eingriffen in die Religionsfreiheit. Innerhalb der Weltregion sind China, Indien, Nepal, Nordkorea, Vietnam und Myanmar die Staaten, in denen die Einwohner im Berichtszeitraum am stärksten von Einschränkungen ihres Rechts auf Religionsfreiheit betroffen waren.
Die 1,4 Milliarden Einwohner Chinas leiden seit der Kulturrevolution unter einer massiven Beschränkung ihrer Religionsfreiheit. Die Kommunistische Partei Chinas strebt eine „Sinisierung“ der Religionen an und verlangt, dass sie sich der Ideologie, den Grundsätzen und der Lehre der Partei unterordnen.Der Staat überwacht seine Bürger mittels modernster Technologien, die immer raffinierter werden. Hierzu zählen etwa rund 540 Millionen Überwachungskameras im ganzen Land[1], von denen viele über Gesichtserkennungsfunktionen verfügen.
Alle Glaubensgemeinschaften berichten von zunehmendem Druck, wobei die muslimischen Uiguren nach wie vor unter massiver Verfolgung leiden. Sie werden aufgrund ihres Glaubens festgenommen. Schätzungen zufolge befinden sich mindestens eine Million Uiguren in Internierungslagern und 880 000 muslimische Kinder wurden von ihren Eltern getrennt. Auch von Zwangsabtreibungen und Sterilisationsprogrammen wird berichtet.[2] Ferner droht China weiterhin mit einer Invasion Taiwans. Als Reaktion auf den Besuch der Sprecherin des Repräsentantenhauses der USA, Nancy Pelosi, in Taiwan feuerte China im August 2022 mehrere Raketen in Richtung der Insel ab. Sollte es zu einer Invasion kommen, müssen die taiwanesischen Christen mit Repressionen rechnen.
Indien hat wie China eine Bevölkerung von 1,4 Milliarden Menschen und ist die größte Demokratie der Welt. Die hinduistisch-nationalistische Partei Bharatiya Janata Party (BJP) hat die Regierungsmehrheit und tritt dafür ein, dass die nationale und kulturelle Identität Indiens im Wesentlichen hinduistisch geprägt sein soll. Die Rechte der religiösen Minderheiten, vor allem der Christen und Muslime, werden massiv ausgehöhlt. Insbesondere Bekehrungen und das Schlachten von Rindern sind große Konfliktpunkte.[3]
Die BJP arbeitet gezielt daran, mit der Einführung von Anti-Konversionsgesetzen auf bundesstaatlicher Ebene die Möglichkeiten des Glaubenswechsels gesetzlich einzuschränken. Bisher haben zwölf Bundesstaaten entsprechende Gesetze erlassen. Im September 2022 verabschiedete die Regierung des südlichen Bundesstaates Karnataka ein Anti-Konversionsgesetz.[4] Der Bundesstaat Uttarakhand[5] verschärfte im November 2022 die gesetzlichen Vorschriften und führte für Zwangskonversionen eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren ein.
Das repressive Vorgehen des indischen Staates gegen religiöse Minderheiten nahm sich der mehrheitlich hinduistische Nachbarstaat Nepal zum Vorbild. Dort wurden die Verfassung und das Strafrecht dahingehend abgeändert, dass sie das Missionieren verbieten und nichthinduistische Glaubensgemeinschaften und Organisationen benachteiligen.[6] Sorge bereitet der Aufstieg der hinduistisch-nationalistischen Rastriya Prajatantra Party (RPP), die Nepal wieder zu einem hinduistischen Staat machen will.[7] Die Daten aus Indien, Nepal und anderen Ländern Festland-Asiens zeigen, dass der ethnisch-religiöse Nationalismus in der Region immer weiter um sich greift.
Auch die autoritären Regierungen in Nordkorea, Vietnam und Laos unterdrücken die Religionsfreiheit mit brutalen Methoden. Nordkorea gilt als das isolierteste Land der Welt. Die Menschenrechtslage ist katastrophal und Glaubensgemeinschaften leiden unter „massiver Verfolgung“.[8] Das nordkoreanische Songbun-System teilt die Bürger je nach Regimetreue in Klassen ein. Gläubige werden automatisch als „feindselig“ eingestuft und sind „erheblichen Repressionen ausgesetzt“.[9] In Vietnam leiden die Christen aus den Ethnien der Hmong und Montagnards unter systematischer Diskriminierung und Verfolgung. In Laos werden Christen von Mobs angegriffen und von den Behörden unter Drohungen aufgefordert, ihren Glauben abzulegen.
Zu den mehrheitlich buddhistischen Ländern in Festland-Asien zählen unter anderem Myanmar, Sri Lanka und Thailand. Dem Militärputsch vom 1. Februar 2021 in Myanmar folgte eine Zeit der massiven Unterdrückung der Menschenrechte, auch des Rechts auf Religionsfreiheit. Seit Beginn des Putsches wurden mindestens 132 Kirchen und religiöse Gebäude zerstört.[10] Darüber hinaus war eine beträchtliche Zunahme der Hetze und Gewalt gegen Muslime zu verzeichnen. Der Völkermord an den Rohingya dauert an. Sri Lanka verfiel infolge schwerer politischer und wirtschaftlicher Krisen in ein Chaos, das eine steigende Zahl buddhistisch-nationalistischer Organisationen für sich ausnutzen. Diese Gruppen betrachten alle Nichtbuddhisten unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder ihrem Glauben als eine existenzielle Bedrohung. Die muslimischen und hinduistischen Minderheiten reagieren darauf mit Extremismus.[11] Thailand sieht sich weiterhin mit Konflikten in den südlichen Grenzprovinzen konfrontiert, die vor allem von der islamischen Separatistenbewegung Barisan Revolusi Nasional (BRN) angefeuert werden. Es kam zu mehreren Anschlägen; obwohl schon mehrfach Waffenruhen vereinbart wurden, stehen ein endgültiger Waffenstillstand und Friedensverhandlungen noch aus.
Die jüngsten Entwicklungen und die Fortdauer bestehender Konflikte verdeutlichen die instabile Lage in Festland-Asien und das Ausmaß der Verfolgung religiöser Minderheiten. Vor allem eine autoritäre Regierungsführung, ein erstarkender ethnisch-religiöser Nationalismus, islamistischer Extremismus und eine eskalierende Verfolgung von religiösen Minderheiten haben zur Folge, dass sich die Lage der Religionsfreiheit in der Region weiter verschlechtert.
[1] Surveillance camera statistics: which cities have the most CCTV cameras?, Paul Bischoff, Comparitech, 11. Juli 2022, https://www.comparitech.com/vpn-privacy/the-worlds-most-surveilled-cities/ (abgerufen am 28. Dezember 2022).
[2] US Commission on International Religious Freedom (USCIRF), Annual Report 2022, China chapter: https://www.uscirf.gov/annual-reports?country=36
[3] „Human Rights Watch Submission to the Universal Periodic Review of India“, Human Rights Watch, 31. März 2022, https://www.hrw.org/news/2022/03/31/human-rights-watch-submission-universal-periodic-review-india
[4] Vatican News staff reporter, „India’s Karnataka state passes anti-conversion law despite opposition“, Vatican News, 23. September 2022, https://www.vaticannews.va/en/church/news/2022-09/karnataka-passes-anti-conversion-law-despite-opposition.html
[5] „Uttarakhand tables bill to make anti-conversion law more stringent“, Hindustan Times, 30. November 2022, https://www.hindustantimes.com/india-news/uttarakhand-tables-bill-to-make-anti-conversion-law-more-stringent-101669744981935.html
[6] https://www.constituteproject.org/constitution/Nepal_2015.pdf
[7] 2021 Report on International Religious Freedom: Nepal, US-Außenministerium, https://www.state.gov/reports/2021-report-on-international-religious-freedom/nepal/
[8] US-Außenministerium, „North Korea“, 2021 Report on International Religious Freedom, https://www.state.gov/reports/2021-report-on-international-religious-freedom/north-korea/ (abgerufen am 15. Juli 2022).
[9] Marcus Holland, „Religious Persecution in North Korea“, Peterson Institute for International Economics, 30. September 2016, https://www.piie.com/blogs/north-korea-witness-transformation/religious-persecution-north-korea (abgerufen am 15. Juli 2022).
[10] „At least 132 religious buildings destroyed since Myanmar coup“, Radio Free Asia, 8. Juli 2022, https://www.rfa.org/english/news/myanmar/religiousbuildings-07082022181759.html#:~:text=According%20to%20information%20compiled%20by,%2C%20Mindat%2C%20Kanpetlet%20and%20Matupi (abgerufen am 12. Dezember 2022).
[11] Shonali Thangiah, „Study: New Buddhist Extremism and the Challenges to Ethno-Religious Coexistence in Sri Lanka“, Minor matters, 22. August 2018, https://www.minormatters.org/en/blog/study-new-buddhist-extremism-and-the-challenges-to-ethno-religious-coexistence-in-sri-lanka (abgerufen am 31. Januar 2021); Andreas Johannson, „Violent Buddhist extremists are targeting Muslims in Sri Lanka“, The Conversation, 26. April 2018, https://theconversation.com/violent-buddhist-extremists-are-targeting-muslims-in-sri-lanka-92951 (abgerufen am 14. September 2022).