Marokkanische Christen müssen ihren Glauben heimlich ausüben

Die mālikitische Rechtsschule des sunnitischen Islams ist die Staatsreligion Marokkos und Angehörige anderer Religionen, mit Ausnahme des Judentums, werden von den Behörden rechtlich nicht anerkannt. Für ausländische Christen, die im Land leben und arbeiten, gibt es eine Ausnahmeregelung. Die marokkanische Verfassung aus dem Jahr 2012 garantiert zwar Religionsfreiheit, sie stellt jedoch die Konversion zu einem anderen Glauben als dem Islam unter Strafe. Daher befindet sich die kleine christliche Gemeinde in einer schwierigen Lage, erklärte Jawad Elhamidy, Vorsitzender der Moroccan Association of Rights and Religious Liberties, gegenüber Aid to the Church in Need (ACN).

„Im Strafgesetzbuch steht, dass alle Marokkaner Muslime sind, sodass diejenigen, die zum Christentum konvertieren, neben der Bedrohung ihrer Sicherheit auch mit rechtlichen Problemen konfrontiert sind“, sagte Elhamidy und fügte hinzu: „Marokkanische Christen praktizieren ihren Glauben heimlich in privaten Hauskirchen, um staatlichen Sanktionen oder Schikanierungen in der Gesellschaft aus dem Weg zu gehen.“ Sie üben ihren Glauben nicht in der Öffentlichkeit aus, da sie bei einem öffentlichen Bekenntnis zu ihrem Glauben Gefahr laufen würden, wegen Missionierung angeklagt zu werden. Das Missionieren für einen anderen Glauben als den Islam ist illegal.

Es gibt zwei christliche Gemeinschaften in Marokko: Ausländer, die im Land arbeiten und leben, sowie Marokkaner, die vom Islam zum Christentum übergetreten sind. Marokkanische Christen befinden sich in einer schlimmen Situation, denn nur ausländische Christen haben das Recht der freien Religionsausübung, dürfen allerdings ihren Glauben vor niemandem predigen. Es gibt schätzungsweise 30.000 ausländische Einwohner, die dem katholischen Glauben angehören und 10.000, die Protestanten sind. Die Zahl der marokkanischen Christen wird auf 8.000 geschätzt, wobei einige Quellen diese Zahl sogar bei 25.000 ansetzen. Marokko hat 34,6 Millionen Einwohner.

Es gibt ungefähr 44 Kirchen im Land, die in der Zeit des französischen Protektorats (1912-1956) gebaut wurden. Einige davon wurden inzwischen zu Versammlungssälen und städtischen Verwaltungsgebäuden umgewandelt. Laut Elhamidy erteilt die Regierung keine Genehmigungen für den Neubau von Kirchen.

Es heißt, ausländische Geistliche rieten christlichen Bürgern davon ab, ihre Kirchen zu besuchen, aus Angst vor strafrechtlicher Verfolgung wegen Proselytismus. Elhamidy zufolge erhalten Kirchenführer Woche für Woche eine behördliche Warnung, keine Marokkaner zu empfangen, da sie sonst wegen Missionierens zur Verantwortung gezogen würden. „Wenn ein Marokkaner eine Kirche betritt, kann eines der folgenden zwei Dinge passieren. Entweder wird sie oder er von einem vor der Kirche sitzenden Polizisten festgenommen, oder der zuständige Geistliche der Kirche fordert die Person auf, die Kirche wieder zu verlassen, es sei denn, sie besucht die Kirche aus touristischen Gründen“, erklärte Elhamidy.

Jawad Elhamidy, Vorsitzender der Moroccan Association of Rights and Religious Liberties.
Jawad Elhamidy, Vorsitzender der Moroccan Association of Rights and Religious Liberties.

Außerdem beschränkt die Regierung die Verbreitung nicht-islamischer religiöser Materialien, ebenso wie islamischer Materialien, die ihrer Meinung nach nicht der Maliki-Ashari Schule des sunnitischen Islam entsprechen.

Unter marokkanischem Gesetz sind Missionieren oder die Konversion zu einer anderen Religion eine Straftat, die mit sechs Monaten bis drei Jahren Gefängnisstrafe geahndet wird.

Der von ACN herausgegebene Bericht zur Religionsfreiheit weltweit 2018 zitiert das Europaparlament, das festgestellt hat, dass Religionsfreiheit zwar in der marokkanischen Verfassung verankert ist, jedoch hinzufügt, dass „Christen und vor allem zum Christentum konvertierte Muslime ‚zahlreichen Formen der Diskriminierung‘ ausgesetzt sind und es ‚ihnen nicht erlaubt ist, eine Kirche zu betreten‘“.

Wie Elhamidy berichtete, werden manche marokkanischen Christen innerhalb einer Woche dreimal verhaftet und auf der Polizeidienststelle Mobbing und Schikanen ausgesetzt. In den meisten Fällen werden sie wieder freigelassen, nachdem man sie verhört oder unter Druck setzte, zum Islam zurückzukehren. Diejenigen, die das ablehnten, seien Beleidigungen und Missbrauch ausgesetzt. Wie Elhamidy weiterhin erklärte, könne der Vorwurf der Blasphemie für einen Christen in Haft sehr gefährlich werden. Es könne zu Gewalt kommen, manche Christen würden mehrere Tage lang festgehalten, und die Polizei drohe, Ehefrau und Kinder ebenfalls zu verhaften.

Elhamidy erzählte die Geschichte von Mohamed Al Moghany, einem muslimischen Mann aus der Stadt Al Hajeb, der zum Christentum konvertierte. Sein Arbeitgeber drohte ihm mit dem Gewehr in der Hand, ihn zu töten. Als er bei der Polizei Anzeige erstattete, sagte man ihm, er solle über seine Konversion Stillschweigen bewahren, und sprach Drohungen gegen seine Familie aus. Sechs Monate später kam es erneut zu einem Streit mit seinem Arbeitgeber. Er wurde verhaftet und zu sechs Monaten Gefängnisstrafe verurteilt. In der Zwischenzeit wurde auch seine Frau verhört.

„Der Staat betrachtet das Christentum als Gefahr“, sagte Elhamidy, wobei er sich auf durch seine Vereinigung beobachtete Hinweise auf Diskriminierung in der Gesetzgebung des Landes stützt. Die Rechercheure fanden offizielle Formulierungen, in denen die Rede von „christlicher Gefahr“ und „religiösen Organisationen, die die marokkanische Nation bedrohen“ war.

Nicht mit allen religiösen Minderheiten wird so umgegangen. In Marokko leben ungefähr 2400 Juden. Das Judentum genießt umfassende rechtliche Anerkennung. Behörden behandeln die jüdische Gemeinschaft aus zwei Gründen mit Respekt – zum einen sei sie wirtschaftlich stark, argumentierte Elhamidy, und zum anderen nutze die Regierung die Toleranz dem Judentum gegenüber zur Beschönigung des missbräuchlichen Vorgehens gegen andere religiöse Minderheiten.

Laut des Berichts 2018-2019 der Moroccan Association of Human Rights (AMDH) gibt es auch eine anhaltende Verunglimpfung des schiitischen Islams in den Medien und während der Freitagsgebete. Im Ramadan wurde ein in der Öffentlichkeit essendes Mädchen im Teenageralter angegriffen. Mehrere junge Männer wurden verhaftet und bekamen eine Geldstrafe für öffentliches Rauchen. Diese Vorfälle spiegeln eine Durchsetzung einer konservativen Strömung eines sunnitischen Islams wider.

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