Gesetzeslage zur Religionsfreiheit und deren faktische Anwendung
Laut Verfassung von Sierra Leone darf „niemand daran gehindert werden, seine Gewissensfreiheit auszuüben“. Dies beinhaltet auch die „Religions- und Gedankenfreiheit sowie die Freiheit, seinen Glauben zu wechseln und diesen alleine oder gemeinsam mit anderen, öffentlich oder privat durch Kultushandlungen, Unterricht, Bräuche und Riten zu bekunden und zu verbreiten“ (Artikel 24, Absatz 1). Gemäß Artikel 8, Absatz 3 b hat der Staat sicherzustellen, dass den Bürgern angemessene Einrichtungen für die Ausübung ihrer Religion zur Verfügung stehen. In Artikel 24, Absatz 4 wird erklärt, dass „niemand zu einem Eid gezwungen werden darf, der seiner Religion oder Überzeugung widerspricht“. Artikel 8, Absatz 2 a zufolge sind alle Bürger gleichberechtigt, während Artikel 35, Absatz 5 c politischen Parteien verbietet, sich direkt oder indirekt mit einem religiösen Glauben zu identifizieren.
Artikel 24, Absatz 2 der Verfassung erklärt, dass „niemand, der eine Bildungseinrichtung besucht, am Religionsunterricht […] oder an religiösen Zeremonien oder Ritualen teilnehmen muss, wenn dies nicht seinen religiösen Überzeugungen entspricht“, es sei denn dies geschieht mit seiner persönlichen Einwilligung (oder der Einwilligung von Eltern oder Erziehungsberechtigten im Falle von Minderjährigen). Religionsunterricht ist zwar Teil des Lehrplans an öffentlichen Schulen, doch darf dieser nicht konfessionell ausgerichtet sein. Vielmehr hat der Religionsunterricht die ethischen Grundsätze des Christentums, des Islam, der traditionellen afrikanischen Glaubensrichtungen und anderer Weltreligionen zu behandeln. Religionsgemeinschaften können ihren eigenen Lehrplan optional anbieten.
Zwar müssen sich Religionsgemeinschaften nicht behördlich registrieren lassen, doch können diese bei einer Registrierung Steuervergünstigungen und andere Vorteile in Anspruch nehmen.
Grundsätzlich sind die Beziehungen zwischen den verschiedenen Religionsgemeinschaften des Landes gut. Ehen zwischen Christen und Muslimen sind nichts Ungewöhnliches. In vielen Familien leben Anhänger verschiedener Religionen unter einem Dach. Erwähnenswert ist auch, dass viele Muslime und Christen sich an Praktiken traditioneller afrikanischer Kulte beteiligen. Unter den christlichen Glaubensgemeinschaften verzeichnen vor allem die Protestantischen Kirchen einen Mitgliederzuwachs. Die Katholische Kirche genießt im Hinblick auf ihre missionarische Aufgabe alle Freiheiten.
Vorkommnisse und aktuelle Entwicklungen
Sierra Leone blickt auf eine lange Geschichte friedlicher interreligiöser Beziehungen zurück. Im Berichtszeitraum wurden keine Vorfälle gemeldet, die die Religionsfreiheit oder das friedliche Miteinander der Religionsgemeinschaften hätten gefährden können.
Eine erwähnenswerte Organisation ist der Inter-Religious Council of Sierra Leone (Interreligiöser Rat von Sierra Leone, IRCSL), der mit seinen muslimischen und christlichen Vertretern einen wichtigen Beitrag zur friedlichen Koexistenz zwischen den verschiedenen Glaubensgemeinschaften im Lande leistet.
Auch die Katholische Kirche spielt eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der Stabilität im Land. Unter anderem werden die meisten Schulen des Landes von der Katholischen Kirche betrieben. Dies ermöglicht den Kontakt zwischen muslimischen und christlichen Schülern sowie die Vermittlung christlicher Werte, wie beispielsweise den Respekt vor dem Glauben des anderen.
Andere kirchliche Organisationen tragen durch eine Vielzahl sozialer Projekte zu diesem Zusammenleben bei. Im Berichtszeitraum wurden einige von diesen Organisationen für ihren Verdienst ausgezeichnet. Ein Beispiel ist Don Bosco Fambul, eine Nichtregierungsorganisation, die von Mitgliedern des Instituts der Salesianer Don Boscos (SDB) geleitet wird und sich für die Rechte von Jungen, Mädchen und jungen Männern im Gefängnis einsetzt. 2022 wurde die Organisation von der spanischen Zeitung ABC mit dem „Solidarity Project Award“ ausgezeichnet, weil sie „die Unterstützung und Rehabilitation von Mädchen“ ermöglicht.
Um eine bessere Zukunft für die jüngeren Generationen zu schaffen, konzentrieren sich immer mehr Initiativen von Ordensgemeinschaften auf nachhaltige Entwicklung und die Vermittlung neuer Kompetenzen für junge Menschen, einschließlich einer besseren politischen Einbindung von Mädchen und Frauen. Die Salesianer sind auch an einem Projekt beteiligt, das mehr als 5000 jungen Menschen hilft, „Verantwortung gegenüber der Umwelt zu stärken“. Trócaire, die Entwicklungsagentur der katholischen Bischofskonferenz von Irland, hat die Arbeit eines neuen Radiosenders unterstützt, der sich für die Belange von Mädchen und Frauen einsetzt. Ziel von „Nyapui Radio“ ist es, das Leben der Frauen, die den Sender hören, positiv zu verändern. Trócaire hat darüber hinaus das Projekt „Yellow Ribbon Campaign“ ins Leben gerufen, um den Anteil der Frauen in der nationalen Gesetzgebung und in den lokalen Räten zu erhöhen.
Ein Grund zur Sorge war die Reaktion der Regierung auf Covid-19. Einige Sicherheitsmaßnahmen, die von den Behörden zur Eindämmung der Pandemie beschlossen wurden, wirkten sich unmittelbar auf öffentliche Gottesdienste aus. So erklärte beispielsweise Pater Peter Konteh, Direktor der Caritas in Freetown, in Bezug auf die Einschränkung von Gottesdiensten: „Die Maßnahmen waren ungerecht, da Kirchen geschlossen wurden, trotz der Einführung von Schutzmaßnahmen wie Abstandsregelungen, Verringerung der Kapazitäten sowie dem Angebot zusätzlicher Gottesdienste ... während Restaurants, Schulen usw. weiterhin geöffnet blieben.“
Am 19. August 2022, nachdem es aufgrund des drastischen Anstiegs der Lebenshaltungskosten zu tödlichen Protesten gegen die Regierung gekommen war, rief der Apostolische Administrator der Diözese Makeni, Bischof Natale Paganelli, die Regierung und die Bevölkerung auf, sich um einen friedlichen Dialog zu bemühen und das Gemeinwohl in den Vordergrund zu stellen.
Perspektiven für die Religionsfreiheit
Die Perspektiven für die Religionsfreiheit bleiben in Sierra Leone positiv, woran sich wohl auch in naher Zukunft nichts ändern dürfte. Da die Hauptursache für die sozialen Unruhen das hohe Maß an wirtschaftlicher Ungleichheit ist, spielen religiöse Akteure eine wichtige Rolle im Bereich Bildung sowie der Stärkung der Zivilgesellschaft.