Die Arabische Republik Ägypten hat als Nation eine lange Tradition. Obwohl Muslime die überwiegende Mehrheit im Land bilden, ist hier die größte christliche – vorwiegend koptische – Gemeinschaft in der arabischen Welt angesiedelt. In den Gouvernements Oberägyptens ist der Anteil der Christen an der Gesamtbevölkerung am höchsten. Auch in Kairo leben viele Christen. Die jüdische Gemeinschaft besteht nur noch aus wenigen Mitgliedern. Schiitische Muslime, Bahai und Angehörige anderer Glaubensrichtungen sind ebenfalls nur in sehr geringer Zahl im Land vertreten.
Seit zehn Jahren leidet Ägypten unter einer politisch und wirtschaftlich instabilen Lage. 2011 trat der langjährige Präsident Husni Mubarak nach Massendemonstrationen zurück. Im Jahr darauf wurde Mohammed Mursi von der Muslimbruderschaft mit knapper Mehrheit zum Präsidenten gewählt. Im Zuge der Massenproteste vom Juni und Juli 2013 wurde er durch das ägyptische Militär abgesetzt. Die Gegner der Entmachtung Mursis und der damit verbundenen Ereignisse bezeichneten den Vorgang als Staatsstreich. Nach Meinung der Unterstützer des Umsturzes war dieser Schritt für den Erhalt der Demokratie notwendig.
2014 wurde General Abdel Fatah al-Sisi in das Präsidentenamt gewählt. Er trat im April 2018 seine zweite Amtszeit an. Die wirtschaftlichen Probleme und die instabile Sicherheitslage dauern bis heute an, besonders auf der Sinai-Halbinsel, wo islamistische Gruppierungen aktiv sind, die mit dem Islamischen Staat (IS) in Verbindung stehen.
In einem Referendum haben die Ägypter im Januar 2014 für eine neue Verfassung gestimmt, die zuletzt 2019 geändert wurde.
In der Präambel zur Verfassung wird Ägypten wie folgt beschrieben: „Die Wiege der Religionen und das Banner der Herrlichkeit der Offenbarungsreligionen. Auf seinem Boden wuchs Moses auf, erschien das Licht Gottes und offenbarte sich Gott am Berg Sinai. Auf seinem Boden begrüßten die Ägypter die Jungfrau Maria und ihr Kind und opferten sich tausende Märtyrer zum Schutze der Kirche Jesu. Als das Siegel des Propheten Mohammed (Frieden und Segen seien mit ihm) zur Vervollkommnung der erhabenen Moral der gesamten Menschheit gesandt wurde, öffneten sich unser Herz und unser Geist dem Licht des Islam. Wir waren die besten Soldaten auf Erden, die für die Sache Gottes gekämpft haben, und wir verbreiteten die Botschaft der Wahrheit und die religiöse Lehre in aller Welt.“
In Artikel 2 heißt es: „Die Staatsreligion ist der Islam und die Amtssprache ist Arabisch. Die Grundsätze der islamischen Scharia sind die Hauptquelle der Gesetzgebung.“ In der Präambel heißt es konkreter: „Als Referenz für deren Auslegung dienen die gesammelten Entscheidungen des Obersten Verfassungsgerichts.“ Artikel 3 besagt: „Die religiösen Grundsätze und Regeln der ägyptischen Christen und Juden sind die wesentliche Rechtsquelle für deren Personenstandsangelegenheiten, für ihre religiösen Angelegenheiten und für die Auswahl ihrer geistlichen Führer.“
Artikel 7 räumt der Al-Azhar-Universität eine Stellung als bedeutendste islamwissenschaftliche Lehrstätte der Sunniten ein: „Al-Azhar ist eine unabhängige islamwissenschaftliche Lehrstätte mit ausschließlicher Zuständigkeit für ihre eigenen Angelegenheiten. Sie ist die höchste Autorität für Religionswissenschaften und islamische Angelegenheiten. Sie ist verantwortlich für die Verkündigung des Islam sowie für die Verbreitung der Lehre des Islam und der arabischen Sprache in Ägypten und in der Welt.“
In Artikel 53 heißt es: „Alle Bürger sind vor dem Gesetz gleich, haben gleiche Rechte und öffentliche Pflichten, und niemand darf aufgrund seiner Religion, seines Glaubens, seines Geschlechts, seiner Herkunft, seiner ethnischen Zugehörigkeit, seiner Hautfarbe, seiner Sprache, einer Behinderung, seiner gesellschaftlichen Stellung, seiner politischen Einstellung oder geografischen Herkunft oder aus anderen Gründen diskriminiert werden.“ Artikel 64 lautet: „Die Glaubensfreiheit ist unumschränkt. Das Recht auf freie Religionsausübung und auf Errichtung von Gebetsstätten für die Anhänger von Offenbarungsreligionen ist gesetzlich zu regeln.“ Artikel 74 besagt: „Verboten sind politische Aktivitäten und politische Parteien mit religiösen Bestrebungen und solche, die darauf abzielen, andere aufgrund des Geschlechts, der ethnischen oder geografischen Herkunft oder der Religionszugehörigkeit zu diskriminieren.“
Artikel 244 lautet: „Der Staat hat durch gesetzliche Regelungen dafür Sorge zu tragen, dass Jugendliche, Christen, Menschen mit Behinderung und im Ausland lebende Ägypter angemessen im Parlament vertreten sind.“ Das ägyptische Strafgesetzbuch sieht eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren für diejenigen vor, die Religionen verunglimpfen, extremistisches Gedankengut verbreiten, um Streit zu schüren, eine der „göttlichen Religionen“ herabwürdigen und die nationale Einheit gefährden.
Obwohl es nicht gesetzlich verboten ist, zu einem anderen Glauben überzutreten, wird in der Praxis das Konvertieren vom Islam staatlich nicht anerkannt. 2008 entschied das Verwaltungsgericht zugunsten des Staates, der sich dafür verantworten musste, dass er einen solchen Schritt nicht anerkannt hatte. Das Urteil wurde damit begründet, dass es die Pflicht des Staates sei, die öffentliche Ordnung vor dem Vergehen der Apostasie zu schützen.“
Das Bahaitum findet keine Berücksichtigung in der Gesetzgebung. Institutionen und Aktivitäten der Bahai sind verboten. Familienstandsangelegenheiten der Bahai werden zivilrechtlich nicht anerkannt. Dasselbe gilt für die Zeugen Jehovas. Auch Schiiten müssen Einschränkungen hinnehmen: 2019 schloss die Regierung zum Aschurafest das Grabmal des von Schiiten besonders verehrten Enkels des Propheten Mohammed, Imam Al-Hussein, um die Gläubigen von einem Besuch der Pilgerstätte abzuhalten.
Die vom Innenministerium herausgegebenen elektronischen Ausweiskarten unterscheiden bei der Religionszugehörigkeit nur zwischen muslimisch, christlich und jüdisch. Seit einem Gerichtsurteil aus dem Jahr 2009 werden die Bahai anhand eines Gedankenstrichs identifiziert. Trotz der Erfassung der Religionszugehörigkeit auf den Ausweiskarten hat der Staat bislang keine amtlichen Daten zur Größe der koptischen Glaubensgemeinschaft vorgelegt.
Im August 2016 verabschiedete das ägyptische Parlament ein neues Gesetz über den Bau von Kirchen, das die Errichtung, Restaurierung und rechtliche Anerkennung von Kirchen erleichtern soll. Doch eskalierende Übergriffe, Verwaltungshürden und das staatliche Versagen bei der Eindämmung von Gewalt gegen Christen, die versuchen, Kirchen zu bauen, zu restaurieren oder anerkennen zu lassen, offenbaren eine tiefe Kluft zwischen Gesetz und Wirklichkeit. Noch besorgniserregender ist die Tatsache, dass die Polizei bei Übergriffen auf koptische Gläubige, Kirchen und Einrichtungen immer wieder zu spät eingreift.
Je nach ihrer Religionszugehörigkeit sind die Personenstandsangelegenheiten der ägyptischen Staatsbürger, z. B. Eheschließungen und Scheidungen, unterschiedlich geregelt.
Eine muslimische Frau darf keinen nichtmuslimischen Mann heiraten, und ein nichtmuslimischer Mann muss zum Islam konvertieren, wenn er eine Muslimin heiraten möchte. Seit 2005 dürfen geschiedene Mütter das Sorgerecht für ihre Kinder übernehmen, bis diese 15 Jahre alt sind. Ist ein Elternteil nichtmuslimisch, dann wird dem muslimischen Elternteil automatisch das Sorgerecht zugesprochen.
Im Mai 2018 wurden elf Muslime und neun Kopten aus einem oberägyptischen Ort in einem Prozess vor einem Gericht in Beni Suef freigesprochen. Die Beschuldigten waren festgenommen worden, weil muslimische Dorfbewohner die örtliche Kirche angegriffen hatten, nachdem sie erfahren hatten, dass Kopten eine rechtliche Anerkennung der Kirche als Gotteshaus beantragt hatten. Das Urteil folgte einem Vergleich, der vorsah, dass die örtliche Kirche solange geschlossen bleibt, bis eine amtliche Genehmigung vorliegt.
Ebenfalls im Mai 2018 wurden bei einem Angriff auf eine Kirche und auf Häuser von Christen in Abou el-Shuqaf bei Alexandria sieben Kopten verletzt. Die Polizei traf erst spät ein und nahm 11 Extremisten und neun Kopten in Gewahrsam. Darunter befanden sich vier Personen, die bei dem Angriff verletzt worden waren. Angeblich wollte man die Kopten dazu bewegen, ihre Aussagen gegen die Angreifer zurückzuziehen. Als Pater Aghabius Mounir, Priester der Mar-Morcos-Kirche in Abou El-Shuqaf, seine Anschuldigungen gegen die Leute, die sein Auto zerstört hatten, zurückzog, kamen die neun Kopten wieder frei.
Im Juni 2018 erklärte sich die ägyptische Regierung bereit, für die Kosten der medizinischen Behandlung der Koptin Samiha Tawfiq in einer Aachener Klinik aufzukommen. Ihre rechte Gesichtshälfte war im Dezember 2017 bei einem Bombenanschlag auf die Kirche St. Peter und Paul in Kairo schwer verletzt worden.
Im Juli 2018 wurde Bischof Epiphanius, Vorsteher des Klosters des Heiligen Makarius, tot in der Klosteranlage aufgefunden. Zwei Mönche des Klosters wurden für schuldig befunden, ihn ermordet zu haben. Einer von ihnen erhielt eine lebenslange Haftstrafe, der andere, Pater Isaiah, wurde zum Tode verurteilt. Sherif Azer, ein Vertreter der britischen Menschenrechtsorganisation Reprieve, setzt sich dafür ein, dass die Todesstrafe in eine Haftstrafe umgewandelt wird, weil Pater Isaiah den Mord angeblich unter Folter gestanden habe und der Fall zahlreiche Widersprüche enthalte.
Ebenfalls im Juli 2018 wurde ein Kopte aus dem Dorf Menba im Gouvernement Minya der „Glaubensverachtung“ beschuldigt, weil er in einem Eintrag auf Facebook den Propheten Mohammed mit Jesus verglichen hatte. Nach seiner Äußerung kam es zu koptenfeindlichen Übergriffen, bei denen etwa 90 muslimische Extremisten verhaftet wurden. Nach einem gerichtlichen Vergleich zwischen den Streitparteien kamen sie später wieder frei. Der Kopte, der mit seiner Äußerung den Aufruhr aufgelöst hatte, wurde im Dezember 2018 wegen „Verunglimpfung des Islam“ zu drei Jahren Haft verurteilt.
Mitte August 2018 versuchte ein Selbstmordattentäter im Gouvernement Qalioubiya in die Marienkirche von Mostoroud einzudringen. Als die Polizei ihn vor dem Gebäude aufhielt, zündete er den Sprengsatz, den er am Körper trug, und wurde dabei getötet. Weitere Verletzte gab es nicht.
Im Juli 2018 hielten Kräfte des Nationalen Sicherheitsdienstes sieben Zeugen Jehovas in Beni Suef an und beschlagnahmten religiöse Schriften, die sie mit sich führten. Die Einfuhr und der Verkauf von religiösen Schriften der Bahai und der Zeugen Jehovas sind in Ägypten verboten.
Ende August 2018 überfiel ein muslimischer Mob das Dorf Demshaw Hashem im Süden Ägyptens. Dabei wurden zwei Kopten und ein Feuerwehrmann so schwer verletzt, dass sie im Krankenhaus versorgt werden mussten. Die Christen waren angegriffen worden, weil sie angeblich Gottesdienste in Privatwohnungen gefeiert hätten. Wie schon bei früheren Zwischenfällen traf die Polizei viel zu spät am Ort des Geschehens ein. Einige Tage später weigerte sich der koptisch-orthodoxe Bischof von Minya und Abu Qurqas, Anba Makarios, an einer Vergleichsverhandlung der christlichen und muslimischen Vertreter teilzunehmen. Er erklärte, derartige Gespräche würden die Rechte der Christen untergraben, während die Verbrecher davonkämen. Stattdessen forderte Bischof Makarios die Durchsetzung des Rechts. Auch die Menschenrechtsorganisation Egyptian Initiative for Personal Rights (EIPR) verurteilte diese Praktiken und verlangte die Strafverfolgung der Angreifer, eine Entschädigung der Opfer und den Bau einer Kirche in dem Dorf.
In Südägypten gab es im Berichtszeitraum noch weitere gewalttätige Übergriffe, nach denen Kirchen schließen mussten und Täter verhaftet wurden. Kopten wurde vorgeworfen, illegale Versammlungen zu organisieren, Straßen zu blockieren, die öffentliche Ruhe zu stören, religiös motivierten Streit zu schüren und an nicht genehmigten Orten zu beten.
Die Menschenrechtsorganisation EIPR berichtete im April 2018, dass die Behörden seit Inkrafttreten des Gesetzes über den Bau von Kirchen im September 2016 insgesamt 14 Kirchen geschlossen und den Kopten den Zugang zu ihren Gotteshäusern verweigert hätten.
Im August 2018 ernannte Präsident al-Sisi eine Christin zur Gouverneurin von Damietta und einen Christen zum Gouverneur von Dakahliya. Ein solches Amt wurde zuletzt im April 2011 mit einem Christen besetzt. Damals zwangen Salafistengruppen und die Muslimbruderschaft die Regierung, die Ernennung eines Kopten zum Gouverneur von Qena in Oberägypten zurückzuziehen. Manal Awad Mikhail, die im August 2018 zur Gouverneurin von Damietta ernannt wurde, ist die erste Koptin überhaupt, die in Ägypten dieses Amt innehat.
Im November 2018 starben sieben Menschen bei einem Angriff auf koptische Pilger, die zu einem Kloster im oberägyptischen Minya unterwegs waren, 19 Menschen wurden verletzt. Der IS bekannte sich zu der Tat. Einige Tage später tötete die Polizei 19 Terroristen, die den Anschlag verübt haben sollen.
Im selben Monat wurde ein Unterstützer des IS zum Tode verurteilt, nachdem er 2017 einen 82-jährigen christlichen Arzt erstochen hatte.
Der Abgeordnete Mohamed Fouad richtete im November 2018 im Parlament eine Anfrage an den Premierminister Mustafa Madbuli, der sich zu den Schwierigkeiten äußern sollte, denen die Bahai bei der Ausübung ihrer Religion ausgesetzt sind. Der Abgeordnete sah darin einen Verstoß gegen die Artikel 53, 64 und 92 der ägyptischen Verfassung .
Präsident al-Sisi versicherte in einer Ansprache auf dem Weltjugendform in Sharm el-Sheikh im November 2018, dass er sich für den Schutz der Religionsfreiheit einsetzen werde und dass der Staat in jeder neu entstehenden Gemeinde eine Kirche errichten werde. Er fügte hinzu: „Wenn wir noch andere Religionen hätten, würden wir auch für sie Gebetsstätten bauen.“ Des Weiteren sagte er: „Jeder Bürger hat das Recht, seinen Glauben frei auszuüben oder keinen Glauben auszuüben. In diese Angelegenheiten greifen wir nicht ein.“
Im Dezember 2018 klagte der Generalstaatsanwalt von Ägypten elf Personen an, die im Dezember 2017 im Süden von Kairo eine koptische Kirche während einer vorweihnachtlichen Messe angegriffen hatten.
Nachdem zwölf Bahai-Paare vor Gericht auf behördliche Anerkennung ihrer Eheschließungen geklagt hatten, wurde vier von ihnen im Oktober 2018 dieses Recht zugesprochen. 2017 war schon einmal eine in der Glaubensgemeinschaft vollzogene Eheschließung zivilrechtlich anerkannt worden, aber danach hatten die Gerichte die Anerkennung nicht einheitlich gehandhabt. Bis zum Jahresende waren noch keine Standardverfahren für die behördliche Anerkennung von Eheschließungen von Paaren ohne spezifische Religionszugehörigkeit entwickelt worden.
Im Dezember 2018 ordnete Präsident al-Sisi den Bau einer koptischen Kirche in dem Neubauprojekt Ahalina 2 an.
Kurz vor dem koptischen Weihnachtsfest wurde in der Nähe einer Kirche ein Polizist beim Versuch einer Bombenentschärfung getötet.
Am 6. Januar 2019, dem Vorabend des koptischen Weihnachtsfestes, wurde in der neuen Hauptstadt die Christi-Geburt-Kathedrale, die größte Kirche des Nahen Ostens, eingeweiht. Präsident al-Sisi, Großimam Ahmed El-Tayyeb von Al-Azhar und der koptisch-orthodoxe Patriarch, Papst Tawadros II., waren bei der Feier anwesend. Al-Sisi hatte auch an der Weihnachtsmesse 2018 teilgenommen.
Mitte Januar 2019 erstatteten koptische Juristen bei der Generalstaatsanwaltschaft Anzeige gegen den Gouverneur von Minya, der im Dorf Mansheyat Zaafarana eine koptische Gebetsstätte hatte schließen lassen. Nach gewalttätigen Protesten islamistischer Mobs hatte die Polizei den Demonstranten die Schließung der Kirche in Aussicht gestellt.
Mitte Januar 2019 entführten islamistische Milizen einen Christen, der im Norden der Halbinsel Sinai in einem Gemeinschaftstaxi unterwegs gewesen war.
Im Januar 2019 führten die Al-Azhar-Universität und das ägyptische Ministerium für religiöse Stiftungen jeweils eine Akademie für Prediger ein. Während die Akademie der Al-Azhar-Universität den Fokus allein auf Islamstudien richtet, soll die International Awqaf Academy, an der auch Frauen studieren dürfen, zusätzlich andere Fächer wie Wirtschaft, Politik und Psychologie abdecken.
Im Februar 2019 widersprach Pater Yassa Marzouk einer Aussage der ägyptischen Regierung, die behauptete, dass im Gouvernement Minya keine Kirchen geschlossen wurden. Nach Angaben des Geistlichen wurden allein in der Stadt Samalout acht koptische Kirchen geschlossen.
Wie das Tahrir Institute for Middle East Policy im Juni 2019 berichtete, soll es in zahlreichen – möglicherweise mehreren hundert – Dörfern überhaupt keine Kirche geben. In einem Interview bestätigte Bischof Anba Makarios von Minya und Abu Qurqas, dass rund 150 Dörfer und Siedlungen in seiner Diözese eine Kirche oder eine andere religiöse Einrichtung benötigten.
Im Juli 2019 veröffentlichte das Ministerium für Kulturdenkmäler eine Broschüre, in der die Reise der Heiligen Familie durch Ägypten nachgezeichnet wird. Damit verfolgt sie die Absicht, die Stationen der Reise der Heiligen Familie durch Ägypten zum UNESCO-Welterbe erklären zu lassen.
Im September 2019 twitterte der atheistische Blogger Sherif Gaber, dass er wegen Glaubensverachtung, Verbreitung unsittlicher Werte und Störung der öffentlichen Ruhe durch seinen YouTube-Kanal zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden sei, sich aber nicht in Gewahrsam befinde.
Im November 2019 hat sich die koptische Menschenrechtsanwältin Huda Nasralla vor Gericht das Recht erstritten, als Frau in einer Erbschaftsangelegenheit mit ihren Brüdern gleichgestellt zu werden. Vor Gericht hatten ihre Brüder die Forderung unterstützt, aber ihre Zeugenaussagen wurden zweimal ignoriert. In ihrer Beschwerde verwies sie auf Paragraf 245 der orthodoxen Kirchenordnung von 1938, der koptischen Frauen in Erbschaftsangelegenheiten die gleichen Ansprüche wie Männern zusichert. Ihr Hauptargument lautete, dass die Scharia für sie nicht gelte. Obwohl schon 2016 eine Koptin dieses Recht vor Gericht durchgesetzt hatte, wird in Erbschaftsangelegenheiten generell die Scharia angewendet. Nur in Fragen der Eheschließung und Scheidung beugt sich die Justiz der Koptischen Kirche.
Ebenfalls im November 2019 wurde Ramy Kamel, ein Menschenrechtsaktivist und Gründungsmitglied der Maspero Jugendunion, festgenommen. Der bekannte Verteidiger der Rechte von Kopten in Ägypten hatte Videos von Angriffen auf Christen und von ihrer gewaltsamen Vertreibung in den sozialen Medien gepostet. Ihm wurde zur Last gelegt, Mitglied in einer terroristischen Vereinigung zu sein und durch die Verbreitung falscher Nachrichten die öffentliche Ordnung zu bedrohen. Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte teilte mit, dass der Aktivist verhaftet worden sei, nachdem er ein Visum für eine Reise nach Genf beantragt hatte, wo er Ende November 2019 am UN Forum für Minderheitenfragen hatte teilnehmen wollen.
Am Silvesterabend 2019 verhinderte die Polizei, dass koptische Gläubige im Dorf Fao Bahari nahe der südägyptischen Stadt Deshna in einer kleinen provisorischen Kirche den Gottesdienst feiern konnten. Sie begründete diesen Eingriff damit, dass das Gebäude nicht für eine religiöse Nutzung zugelassen sei. Nach Angaben der Sicherheitskräfte würden die Kopten mit ihren Gebeten die Gefühle der muslimischen Dorfbewohner verletzen und möglicherweise Feindseligkeiten provozieren. In derselben Nacht wurde ein Brand im Haus einer koptischen Familie gemeldet. Sechs Muslime wurden verhaftet. Einer von ihnen soll zur Gewalt angestiftet haben. Auch fünf Kopten kamen ins Gefängnis sowie vier Bewohner des niedergebrannten Hauses und eine weitere Person, die ein Video von dem Brand in den sozialen Medien gepostet hatte.
In seinem Bericht zur internationalen Religionsfreiheit 2019 zitierte das US-Außenministerium Zeugen Jehovas, die angaben, dass mehrere Mitglieder ihrer als verboten geltenden Gemeinschaft von den Behörden befragt worden seien. Im Februar 2019 wurde in Oberägypten ein Zeuge Jehovas zweimal von Sicherheitsbeamten unter Gewaltanwendung verhört und mit verbundenen Augen bedroht und geschlagen. In mehreren Fällen wurden im April, Oktober und November 2019 Zeugen Jehovas in Kairo und Minya von der Polizei verhört. Im September 2019 genehmigten Sicherheitskräfte eine religiöse Versammlung von mehr als 200 Zeugen Jehovas in einem Privathaus.
2019 wurde an der Universität Alexandria und an der Universität Damanhour – erstmals in Ägypten – jeweils ein Institut für koptische Studien eröffnet.
Die Elijahu-Hanavi-Synagoge aus dem 14. Jahrhundert wurde im Januar 2020 nach zweijährigen Restaurierungsarbeiten wiedereröffnet. Im darauffolgenden Monat wurde sie von etwa 180 Juden besucht. Das vier Millionen US-Dollar teure Projekt wurde vollständig vom ägyptischen Staat finanziert.
Die Restaurierung des jüdischen Bassatine-Friedhofs in Kairo wurde 2020 ebenfalls abgeschlossen. Die Maßnahmen waren mit Unterstützung des American Research Center in Egypt und der jüdischen Vereinigung Drop of Milk durchgeführt und vom US Ambassadors Fund for Cultural Preservation finanziert worden. Er gilt als der zweitälteste jüdische Friedhof der Welt. Während der Restaurierung wurden die Überreste des Friedhofs dokumentiert und kartografiert.
Im Januar 2020 stimmten orthodoxe, evangelische und katholische Glaubensgemeinschaften dem Entwurf für ein Gesetz zu, mit dem die Personenstandsangelegenheiten von Nichtmuslimen einheitlich geregelt werden sollen.
Im Juli 2020 warnte die Koptische Kirche davor, es seien „gefälschten Evangelien“ in Umlauf gebracht worden, die der christlichen Lehre widersprechen.
Im Februar 2020 verbot das Verwaltungsgericht in Kairo schiitische Internetseiten und TV-Sender, darunter die Webseite des bekannten schiitischen Aktivsten Ahmed Rasem al-Nafis. Die Staatsanwaltschaft begründete die Entscheidung damit, dass sie gegen die Gefahren der schiitischen Ideologie für die ägyptische Gesellschaft vorgehen und den Missbrauch religiöser Überzeugungen für politische Zwecke verhindern müsse.
Nachdem die Türkei bekannt gegeben hatte, dass die Basilika Hagia Sophia künftig wieder als Moschee genutzt werden solle, erklärte der ägyptische Großmufti Shawki Allam im Juli 2020, diese Maßnahme sei „unzulässig“ und Gebetsstätten sollten bleiben wie sie sind. Darüber hinaus spreche aus Sicht des islamischen Rechts nichts dagegen, dass Kirchen mit muslimischen Geldern gebaut würden.
Im August 2020 verzögerte das Strafgericht in Minya erneut den Prozess im Fall der Christin So‘ad Thabet, die von einem Mob aus 300 Männern in ihrem Dorf geschlagen und ausgezogen worden war, nachdem sich das Gerücht verbreitet hatte, ihr Sohn hätte eine Affäre mit einer geschiedenen Muslimin gehabt. Nach einer Anhörung der Parteien verwies das Strafgericht den Fall an das Berufungsgericht in Beni Suef. Thabet, die in der Sache seit mehr als vier Jahren vor Gericht kämpft, lehnt eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits ab. 2017 wurde ihre Klage aus Mangel an Beweisen erstmals abgelehnt. Später wurden drei der Täter dann doch angeklagt und in Abwesenheit zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt. Thabet und ihre Familie mussten aus dem Dorf fliehen und koptische Dorfbewohner, die ihre Häuser verloren hatten, mussten mit den Angreifern „versöhnt“ werden. Ihr Sohn Ashraf Abdo Attia und die Muslimin, mit der er eine Affäre gehabt haben soll, wurden des Ehebruchs für schuldig befunden und jeweils zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und zur Zahlung einer Geldstrafe von 1.000 Ägyptischen Pfund (65 US-Dollar) verurteilt.
Im September 2020 befand das Verwaltungsgericht des ägyptischen Staatsrates, dass es für die von Rechtsanwalt Haitham Saad eingereichte Klage nicht zuständig sei. Saad hatte das Justizministerium aufgefordert, durch eine Änderung des Personenstandsrechts mündliche Scheidungen zu verbieten. Wie Präsident al-Sisi möchte Saad erreichen, dass eine mündlich durch den Ehemann ausgesprochene Scheidung gerichtlich für rechtskräftig erklärt werden müsse. Ägyptens religiöse Autoritäten, unter anderem die Al-Azhar-Universität, lehnen diesen Vorschlag kategorisch ab, weil die mündlich durch den Ehemann ausgesprochene Scheidung „seit der Zeit des Propheten [Mohammed]“ in der Scharia geregelt sei und daher keiner Zeugen oder gerichtlicher Bestätigung bedürfe.
Im September 2020 berichtete die Organisation Coptic Solidarity über die Entführung und sexuelle Misshandlung von koptischen Mädchen und Frauen, die genötigt worden waren, zum Islam zu konvertieren und Muslime zu heiraten. Die Autoren des Berichts haben 13 Fälle dargestellt und schätzen die Zahl der Fälle in den letzten zehn Jahre auf 500.
Lamia Loutfi, die Programmleiterin der in Kairo ansässigen Menschenrechtsorganisation New Woman Foundation, die weibliche Opfer von Gewalt und Diskriminierung unterstützt, beschwerte sich im Oktober 2020 über die Lehrer der Schule ihrer Tochter, die die Schülerinnen zwingen wollten, den Hidschab zu tragen. Im Lauf der Aufarbeitung dieses Falls wurde deutlich, dass viele ägyptische Schulen in ähnlicher Weise vorgehen.
Bis Oktober 2020 stieg die Zahl der staatlich anerkannten Kirchen und Kirchengebäude auf 1.738.
Anfang November 2020 wurde der Kopte Nabil Habashy Salama auf der Halbinsel Sinai entführt. Bis Redaktionsschluss hatte sich keine Gruppierung zu der Tat bekannt.
Im November 2020 erklärte der Minister für religiöse Stiftungen (Awqaf), Mohammed Mukhtar Juma, dass Ägypten dabei sei, sich zu einem Musterbeispiel für religiöses Miteinander zu entwickeln. Jegliche Diskriminierung aufgrund der Religion werde unterbunden und die Gleichbehandlung aller Bürger unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit gewährleistet. Er fügte hinzu: „Wir haben eine gemeinsame Pflicht, unsere Moscheen und Kirchen zu schützen, denn damit schützen wir auch unser Heimatland.“
Mitte November 2020 begann der Strafprozess gegen die beiden Christen Ayman Rida Hanna und Mounir Masaad Hanna wegen Verunglimpfung des Islam und Blasphemie. Sie waren im Juni 2019 verhaftet worden, weil sie in einem Video das islamische Gebet thematisiert hatten. Einer ihrer Anwälte, Amr al-Qadi, erklärte, dass sie trotz wiederholter Anträge auf Freilassung bis zu ihrem Verfahren in Untersuchungshaft bleiben mussten.
Im selben Monat wurde der junge christliche Lehrer Youssef Hany wegen Verunglimpfung des Islam verhaftet, nachdem er Kommentare auf Facebook gepostet hatte. Er und eine Muslimin, die nur unter dem Facebook-Namen Sandosa bekannt ist, wurden gemäß Paragraf 98 (f) Strafgesetzbuch beschuldigt, eine der „himmlischen Religionen“, zu denen Islam, Christentum und Judentum zählen, verunglimpft zu haben. Ihr Anwalt Makarios Lahzy erklärte, die Beschuldigungen seien verfassungswidrig, weil die Merkmale der Verachtung oder Diffamierung in dem zitierten Paragrafen nicht eindeutig und ausdrücklich definiert seien, so dass die Gefahr einer willkürlichen Auslegung bestehe. Darüber hinaus fragte die Bürgerrechtsorganisation Copts United, wie es sein könne, dass Hany wegen Verunglimpfung des Islam verhaftet werde, während andere, die daraufhin das Christentum beleidigten und den Tod Hanys und weiter Kopten forderten, weiter auf freiem Fuß blieben.
Ebenfalls im November 2020 wurde der junge Stand-up-Comedian Mohamed Ashraf verhaftet, nachdem ein ursprünglich bereits im Januar 2020 veröffentlichtes Video eines seiner Auftritte viral gegangen war und scharfe Reaktionen hervorgerufen hatte. In dem Stück hatte er sich über einige Moderatoren des staatlichen Radiosenders Al-Quran Al-Kareem lustig gemacht. Ashraf wurden mehrere Vergehen wie Glaubensverachtung, Bedrohung der Werte ägyptischer Familien und Verunglimpfung und Diffamierung von Radiomoderatoren zur Last gelegt. Er kam einige Tage später wieder frei, nachdem er sich bei einem Moderator entschuldigt hatte.
Ende November 2020 wurden eine koptische Kirche sowie Häuser und Geschäfte von Kopten im Dorf Barsha, Gouvernement Minya, mit Steinen und Molotowcocktails angegriffen. Auslöser der Gewalttaten war wohl ein Artikel, in dem der Islam und der Prophet Mohammed angeblich beleidigt wurde und der auf dem Facebook-Account eines jungen Kopten gepostet worden war. Eine ältere Koptin kam mit Verbrennungen ins Krankenhaus, nachdem ihr Haus während des Aufruhrs in Brand gesteckt worden war. 100 Menschen, darunter 35 Kopten, wurden verhaftet.
Im November 2020 erklärte der ägyptische Großmufti Sheikh Shawki Ibrahim Abdel-Karim Allam in einem TV-Interview, dass das historische Phänomen des politischen Islam zu einer „wahrhaften Katastrophe geworden ist und sich zu einem Albtraum entwickeln könnte, der nicht nur die islamische Umma, sondern auch die ganze Welt beunruhigt“.
Nach dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie wurden die Gebetsstätten und Kirchen von Mitte März bis Ende August 2020 geschlossen. Versammlungen zur Feier des Osterfestes und des Ramadan wurden behördlich untersagt. Von einzelnen Glaubensgemeinschaften wurden diese Beschränkungen kritisiert.
Im Mai 2020 erließ Papst Tawadros II. neue Regeln für Eheschließungen und begrenzte die Anzahl der Teilnehmer neben den Brautleuten, dem Priester und dem Diakon auf vier Personen. Hochzeitsfeiern wurden vorläufig verboten. Den Brautleuten wurde empfohlen, sich vor der Zeremonie medizinisch untersuchen zu lassen und auf festliche Kleidung zu verzichten.
In einiger Hinsicht hat sich die Lage der Religionsfreiheit in Ägypten in den letzten Jahren verbessert. Diverse Aufrufe zur Stärkung der Einheit der Muslime und Christen des Landes, Initiativen zur Förderung der interreligiösen Toleranz und zum Erhalt religiöser Stätten sowie die Legalisierung von mehreren hundert Kirchen zeugen definitiv von einer äußerst positiven Entwicklung. Doch die in der Gesellschaft tief verwurzelte Intoleranz gegenüber Nichtmuslimen und die damit verbundene Diskriminierung bleiben vor allem in Oberägypten ein schwerwiegendes gesellschaftliches Problem.
Während der Staat offiziell immer wieder die Geschwisterlichkeit und Gleichheit der Bürger Ägyptens betont, zeichnet die Wirklichkeit ein anderes Bild. Die Christen genießen vor dem Gesetz nicht die gleichen Rechte wie ihre muslimischen Mitbürger und fallen zudem häufig Straftaten wie Erpressungen, Gewalttaten und Entführungen zum Opfer. Betroffene berichten immer wieder davon, dass die Polizei bei Angriffen auf Kopten zu langsam reagiert, während die Täter ungestraft davonkommen. In vielen Fällen landen stattdessen die angegriffenen Kopten im Gefängnis.
Darüber hinaus sehen sich diejenigen, deren Glaubensgemeinschaften nicht zu den „traditionellen monotheistischen Religionen“ gehören oder keine offizielle Anerkennung genießen, wie Atheisten, Bahai, Schiiten und Zeugen Jehovas, gesellschaftlichen Repressalien und widersprüchlichem staatlichen Handeln ausgesetzt.
Mit ihrem scharfen Vorgehen gegen Menschenrechtsaktivisten im Herbst 2020 und gegen jede Form von Widerspruch hat die ägyptische Regierung die Aktivisten für religiöse Minderheiten und für Religionsfreiheit in Ägypten wirksam zum Schweigen gebracht. Die Entwicklung hin zu vollständiger Religionsfreiheit schreitet, wenn überhaupt, nur zögerlich voran, und aktuell gibt es kaum Anzeichen für eine Verbesserung der Lage.