Im Gespräch mit dem päpstlichen Hilfswerk ACN spricht der koptisch-katholische Bischof Kyrillos Samaan von Assiut über die Lage der katholischen Kirche, die Beziehungen zum Islam und die Ökumene mit der Orthodoxie
Herr Bischof, vor zwei Jahren hat Papst Franziskus gemeinsam mit dem Oberhaupt der Kairoer Azhar-Universität in Abu Dhabi ein Dokument über den gemeinsamen Gottesglauben und die darauf gründende Brüderlichkeit unterzeichnet. Hat diese Initiative in Ägypten Früchte getragen?
Auf jeden Fall. Das Dokument wurde von unserer Kirche hier in Ägypten publiziert und verteilt. Und auch von muslimischer Seite beruft man sich noch immer darauf. So hat die Azhar-Universität anlässlich des zweiten Jahrestages der Unterzeichnung im Februar mehrere Konferenzen veranstaltet. Auch ich war als Sprecher eingeladen und habe die Wertschätzung des Papstes für den Islam verdeutlicht, wie sie beispielsweise in seiner Enzyklika Fratelli Tutti zum Ausdruck kommt. Exemplare des Textes habe ich an den Gouverneur und andere wichtige Persönlichkeiten verteilt. Das kam gut an.
Papst Franziskus wird in Ägypten auch unter Muslimen geschätzt?
Sehr. Man vergleicht ihn immer mit Papst Benedikt, der nach seiner Regensburger Rede 2006 einen schweren Stand hatte. Sie wurde als Islamkritik aufgefasst. Zu Unrecht natürlich. Aber so war es nun mal. Mit Franziskus ist die Atmosphäre jetzt eine völlig andere. Er hat ja auch einen direkten Draht zum Großimam in Kairo. 2017 war er auch zu Besuch in Ägypten. Gegenüber der katholischen Kirche hat sich das Verhältnis des offiziellen Islams unter ihm wirklich positiv verändert.
Nun gibt es mit den Salafisten oder den Moslembrüdern immer noch sehr christenfeindliche Gruppen.
Ja, aber sie sind nicht mehr stark. Man hört von den Salafisten beispielsweise sehr wenig. Unter der Regierung des Moslembruders Mursi in den Jahren 2012/2013 waren sie sehr laut. Jetzt sind sie im Land isoliert. Die Mehrheit im Land ist toleranter gegenüber Nichtmuslimen geworden.
Dennoch gibt es auch heute immer wieder Übergriffe gegen Christen. Der Religionsfreiheitsbericht von ACN erwähnt beispielsweise die Ermordung eines Kopten auf dem Sinai oder die Entführung christlicher Mädchen in Oberägypten.
Ja, aber es ist viel weniger geworden. Die Regierung tut dagegen, was sie kann. Kürzlich wurde sogar ein Muslim hingerichtet, der einen Christen ermordet hatte. Das wäre früher undenkbar gewesen, dass ein Gläubiger wegen eines Ungläubigen sterben muss.
Die Kirchen in Ägypten loben immer wieder die Fortschritte, die es unter der Sisi-Regierung gegeben hat. Bei der Legalisierung von ohne Erlaubnis gebauten Kirchen hat sich wirklich etwas getan, oder?
Das stimmt. Ich habe gelesen, dass mittlerweile etwa fünfzig Prozent der Kirchenbauten in Ägypten legalisiert wurden. Bei uns in Assiut allerdings geht es sehr langsam. Der Prozess ist aufwendig.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden?
Im wesentlichen zwei. Man muss zweifelsfrei die Eigentümerschaft an dem Grund nachweisen, auf dem die Kirche errichtet worden ist. Außerdem braucht es einen von einem registrierten Architekten erstellten Plan des Gebäudes. Hinzu kommen bestimmte Sicherheitsanforderungen.
Wo sehen Sie mit Blick auf die Lage der Christen noch Verbesserungsbedarf?
Wie verlangen nicht viel und sind realistisch. Es gibt leider noch viele Menschen, die Christen als Bürger zweiter Klasse sehen. Das braucht noch viel Zeit.
Wie äußert sich das?
Beispielsweise sind Christen an den Universitäten unterrepräsentiert. Das betrifft die Studenten, vor allem aber die Professorenschaft und die Universitätsleitung. Ab und zu wird einer als Feigenblatt ernannt. Aber insgesamt werden Christen trotz vergleichbarer Qualifikation in der Regel übergangen. Das ist auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung oder der Armee so.
Was kann man dagegen tun?
Es müssen sich die Mentalitäten ändern. Präsident Sisi spricht immer wieder von der Gleichheit aller Ägypter. Das ist wichtig. In Vergleich zum Moslembruder Mursi leben wir Christen unter Sisi in goldenen Zeiten. Wenn in einer neuen Stadt eine Moschee errichtet wird, fragt er immer, wann eine Kirche daneben errichtet wird. Er erinnert immer wieder daran, dass alle – Juden, Christen und Muslime – ihren Kult frei ausüben können müssen und Gotteshäuser errichten können.
Nun kommt es aber auch unter Sisi vor, dass einzelne Christen in das Visier des Staates geraten. Gegen den koptischen Aktivisten und Regierungskritiker Ramy Kamel wurden schwere Vorwürfe erhoben bis hin zum Terrorismus. Menschenrechtler halten das für absurd. Gibt es für Christen unter Sisi also nur Kultfreiheit, aber keine politische Freiheit?
Ohne auf den konkreten Fall eingehen zu wollen gibt es Beschränkungen für alle Ägypter unabhängig von ihrer Religion. Sie richten sich nicht spezifisch gegen Christen.
Schauen wir auf die ökumenischen Beziehungen zur Koptisch-orthodoxen Kirche. Seit einigen Jahren wird katholischerseits ein Verzicht auf die Wiedertaufe bei Konversionen zur koptischen Kirche erwartet. Bisher ist trotz guter persönlicher Beziehungen zwischen Papst Franziskus und Papst Tawadros nichts geschehen. Warum?
Schon beim ersten Besuch von Tawadros in Rom entstand eine enge Beziehung zwischen den beiden Kirchenführern. Tawadros versprach damals, die Frage der Wiedertaufe zu klären. Er gab aber zu bedenken, dass er zunächst seine Bischofssynode überzeugen müsse. Ansonsten könnte es zu einer Spaltung kommen. Die Synode ist aber immer noch sehr von Bischöfen geprägt, die Papst Tawadros‘ Vorgänger Schenuda ernannt hat und die sehr ökumenekritisch sind.
Hat Tawadros angesichts der Kritik aufgegeben?
Nein. Tawadros hat den mittlerweile verstorbenen Abt Epiphanios vom Makariosklosters beauftragt, die Befürworter der Wiedertaufe vom Gegenteil zu überzeugen. Er führte sehr überzeugende Argumente aus der Koptischen Tradition an. Ihm wurde auch die Erstellung eines entsprechenden Dokumentes anvertraut. Der ersten Textfassung gemäß schien es so, als stünde die Anerkennung der katholischen Taufe unmittelbar bevor. Wir haben sogar eine Übersetzung nach Rom gesendet. Aber kurz vor Veröffentlichung kam es zum Aufstand der Anhänger der alten Linie. In der letzten Minute wurde dann eine neue Formulierung gewählt. Es war dann nur noch vom Bemühen die Rede, die koptische Praxis zu ändern, nicht mehr von der festen Absicht oder gar Verpflichtung.
Das heißt, Tawadros wurde ausgebremst?
Ja. Er wird sogar bekämpft wegen seiner Offenheit auch in anderen Fragen wie Änderungen der liturgischen Praxis. Er wollte aus hygienischen Gründen beispielsweise während der Coronapandemie die Kommunionspendung mit einem Löffelchen aussetzen. Daraufhin wurde er beschuldigt, katholische Praktiken einführen zu wollen. Manche opponieren auch öffentlich gegen ihn und wollen seine Absetzung erreichen.
Ist das nur eine Minderheit?
Das ist nicht so klar. Wenn, dann ist es eine starke. Es sind immerhin Bischöfe darunter.
Das heißt, in der Frage der Wiedertaufe braucht man nicht mit schnellen Ergebnissen zu rechnen.
Nein, das braucht viel Zeit. Was vierzig Jahre lang unter Schenuda gesät wurde, kann man nicht in ein paar Jahren ungeschehen machen. Aber Tawadros ist ein geduldiger Mann.