Gesetzeslage zur Religionsfreiheit und deren faktische Anwendung
Die Verfassung der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) wurde am 13. Dezember 2015 per Referendum angenommen und am 30. März 2016 verkündet. Ihre Einführung markierte das Ende einer politischen Krise, die durch die gewaltsame Machtübernahme der überwiegend muslimischen Rebellenallianz Séléka im März 2013 ausgelöst worden war.
Die Präambel zur neuen Verfassung würdigt die „ethnische, kulturelle und religiöse Vielfalt“ des zentralafrikanischen Volkes, die „zur Bereicherung seiner Identität beiträgt“. Artikel 10 gewährleistet das Recht auf Gewissens-, Versammlungs-, Religions- und Glaubensfreiheit. Jede Form von religiösem Fundamentalismus und Intoleranz ist untersagt. Artikel 24 erklärt die Zentralafrikanische Republik zu einem säkularen Staat.
Alle Glaubensgemeinschaften haben das Recht, einmal pro Woche über den staatlichen Radiosender Radio Centrafrique eine Sendung zu übertragen und darüber hinaus eigene Radiosender zu betreiben. Die größten konfessionellen Radiostationen des Landes sind der katholische Sender Radio Notre-Dame mit Sitz in Bangui und der protestantische Sender Radio Voix de l’Évangile (ehemals Radio Nehemie). Daneben gibt es einige freie katholische Radiostationen. Radio Siriri in der Diözese Bouar und Radio Maria Be Africa in der Diözese Bossangoa erreichen eine große Zuhörerschaft. Radio Maria sendet seit Ende 2013 auch in Bangui.
Die Zentralafrikanische Republik unterzeichnete am 6. September 2016 ein Rahmenabkommen mit dem Heiligen Stuhl, das am 5. März 2019 in Kraft trat. Darin sind die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Beziehungen zwischen Kirche und Staat festgelegt, wobei beide Seiten ihre Autonomie wahren und sich zur Zusammenarbeit im Dienst des Gemeinwohls und des moralischen, sozialen, kulturellen und materiellen Wohls der Bürger des Landes verpflichten. Wie die katholische Amtskirche erklärt, wurde das Rahmenabkommen wurde noch nicht vollständig umgesetzt. Nach Ansicht der Behörden müsse noch ein Folgedokument vorbereitet und in Kraft gesetzt werden. Ende 2022 war diese Angelegenheit noch nicht geklärt.
Anlässlich der Vollversammlung der Zentralafrikanischen Bischofskonferenz (Conférence Episcopale Centrafricaine, CECA) im Januar 2020 präsentierten die Bischöfe dem Außenministerium eine Prioritätenliste der Angelegenheiten, die dringend angegangen werden müssen. Eine Antwort des Ministeriums stand im September 2022 noch aus. Unter anderem bemängelten die Bischöfe lange Verzögerungen bei der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für ausländische Missionare. Ordensgemeinschaften würden zudem durch hohe Gebühren daran gehindert, ausländische Mitarbeiter ins Land zu holen.
Mit Ausnahme der indigenen Religionen müssen sich Glaubensgemeinschaften beim Ministerium für Inneres und Öffentliche Sicherheit registrieren lassen. Als Voraussetzung dafür müssen sie mindestens 1000 Mitglieder und eine adäquate fachliche Qualifikation ihrer Geistlichen nachweisen.
Die Behörde kann einen Registrierungsantrag ablehnen, wenn sie zu dem Ergebnis kommt, dass die betreffende Gemeinschaft die guten Sitten, die Volksgesundheit und/oder den sozialen Frieden gefährden könnte. Mit der Registrierung sind keine Kosten verbunden. Registrierte Gemeinschaften genießen unter anderem Zollfreiheit bei der Einfuhr von Fahrzeugen und technischen Anlagen. Sanktionen für nicht registrierte Gruppen sind nicht vorgesehen.
Zuletzt erhielt am 4. Juli 2022 die russisch-orthodoxe Kirche die Zulassung des Innenministeriums. Etwa zu dieser Zeit gründete die russisch-orthodoxe Kirche eine Gemeinde im Zentrum der Hauptstadt Bangui. Nach Meinung von Beobachtern ist dies auch ein Zeichen für den seit 2017 zunehmenden Einfluss Russlands im Land.
Neue Glaubensgemeinschaften, insbesondere Pfingstkirchen und andere Bewegungen, haben sich in den letzten Jahren im Land verbreitet und dürfen ihren Glauben ungehindert praktizieren. Zum Teil werden staatliche Gebäude, wie das Außenministerium in Bangui, für öffentliche religiöse Feiern genutzt.
Die Teilnahme am Religionsunterricht ist freiwillig. Er wird an den meisten Schulen angeboten. In den neun Diözesen des Landes unterhält die katholische Kirche ein Netzwerk von Schulen. Sie stehen unter der Verwaltung des Dachverbands Écoles Catholiques Associées en Centrafrique (ECAC). Grundlage dafür ist eine Vereinbarung mit dem Bildungsministerium. Ausländische Arbeitskräfte des ECAC erhalten kostenlos eine Aufenthaltserlaubnis. An der staatlichen Universität von Bangui gibt es eine katholische Seelsorgestelle der Jesuiten mit einem breiten Angebot an pastoralen und kulturellen Aktivitäten.
Die christlichen Feste Karfreitag, Ostern, Christi Himmelfahrt, Mariä Himmelfahrt, Allerheiligen und Weihnachten sind landesweite Feiertage. Gleiches gilt auch für das Fest des Fastenbrechens (Eid al-Fitr) und das Opferfest (Eid al-Kebir) der Muslime. In den letzten Jahren war es in Bangui und in den einzelnen Präfekturen des Landes üblich, dass hochrangige Regierungsvertreter (nahezu durchweg Christen) an diesen höchsten muslimischen Feiertagen in der Moschee am Gebet teilnahmen.
Vorfälle und aktuelle Entwicklungen
Auf der UN-Liste der am wenigsten entwickelten Länder der Welt (Least Developed Countries – LDC) belegt die Zentralafrikanische Republik den letzten Platz. Nur 14,3 % der mehr als fünf Millionen Einwohner sind zum Beispiel an die Stromversorgung angeschlossen. 71 % der Bevölkerung leben unterhalb der internationalen Armutsgrenze und mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist auf humanitäre Hilfe angewiesen. Darüber hinaus waren die in äußerster Armut lebenden Menschen im Berichtszeitraum unablässiger Gewalt ausgesetzt.
Seit Dezember 2020 kam es im Zuge des staatlichen Vorgehens gegen die Rebellen der Coalition des Patriotes pour le Changement (CPC) zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen. Vor allem muslimische Zivilisten gerieten ins Visier der Behörden und der mit ihnen verbündeten russischen Söldnertruppen.
In seinem Bericht zur internationalen Religionsfreiheit 2021 wies das US-Außenministerium darauf hin, dass Regierungskräfte und deren Verbündete nach Angaben der Vereinten Nationen für 46 % der Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen humanitäres Völkerrecht zwischen Juni 2020 und Juni 2021 verantwortlich gewesen seien. Zwischen Februar und Juni 2021 sei auch die Zahl der Angriffe von Regierungssoldaten und deren Verbündeten gegen Muslime gestiegen.
Allen internationalen Berichten zum Trotz bestreitet die Regierung der Zentralafrikanischen Republik konsequent jegliche Anschuldigungen und behauptet, dass man mit Berichten dieser Art dem Ansehen der Sicherheitskräfte des Landes und dem Ruf ihrer Verbündeten schaden wolle.
Laut CNN und der investigativen Gruppe The Sentry wurden am 16. Februar 2021 in einer Moschee in Bambari 14 Menschen getötet, als Regierungstruppen die Stadt von den Rebellen der CPC zurückeroberten. Berichten zufolge sollen Kämpfer der Gruppe Wagner und Angehörige des Militärs (Forces Armées Centrafricaines, FACA) während des Angriffs muslimische Zivilisten vergewaltigt, gefoltert und getötet haben. Seither ist Bambari ein Konfliktherd.
Ungeachtet dieser Anschuldigungen erklärte der Vorsitzende des Hohen Islamischen Rates, Abdoulaye Ouasselegue, dass Muslime in der Zentralafrikanischen Republik weder diskriminiert noch verfolgt werden. Wie er sagte, richteten sich die Angriffe hauptsächlich gegen muslimische Fulani, die sich in großer Zahl den Rebellengruppen der CPC angeschlossen hätten.
Der bekannte muslimische Geistliche Ali Ousmane, Vorsitzender der Dachorganisation Coordination des Organisations Musulmans in Centrafrique (COMUC), erklärte dagegen deutlich, dass sich die Angriffe gegen die Glaubensgemeinschaft der Muslime richteten: „Mehrere Zeugen können bestätigen, dass Muslime von den Russen festgenommen und hingerichtet wurden. [...] Einige unserer Soldaten arbeiten mit denen zusammen und verüben auch solche Gewalttaten. Sie greifen Frauen auf und werfen sie an den Händen gefesselt, zum Teil mit einem Sack über dem Kopf, in ein Auto. Wenig später sind die Frauen tot. [...] Niemand sagt etwas, weil jeder um seine Sicherheit besorgt ist.“
Die UN-Arbeitsgruppe zum Einsatz von Söldnern wies in einer Erklärung vom März 2021 auf die Gewalttaten von russischen Söldnergruppen in mehreren Ländern hin, darunter auch in der Zentralafrikanischen Republik.
Nachdem das Verfassungsgericht Präsident Faustin-Archange Touadéra als Sieger der Wahl vom 27. Dezember 2020 bestätigt hatte, erklärte die katholische Bischofskonferenz: „Diese Entscheidung löst nicht das Problem, dass nur 35 % der Stimmberechtigten ihre Stimme bei der Wahl abgeben konnten.“ Die Bischöfe riefen erneut zum Dialog auf: „Wir leben seit acht Jahren in einer politisch-militärischen Krise. [...] Wir rufen zu einem ehrlichen und offenen, zu einem brüderlichen und konstruktiven Dialog auf, der zu einem gerechten und dauerhaften Frieden und zu einer Abkehr von Hass, Gewalt und Rachedenken führt.“
In einer Erklärung vom 19. Januar 2022 prangerte die Bischofskonferenz die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen des Landes „durch Ausländer unter Beteiligung einiger unserer Mitbürger“ an. In der Zentralafrikanischen Republik werden Gold, Tropenhölzer und Diamanten abgebaut. Darüber hinaus verfügt das Land über Lagerstätten von „Kassiterit, Eisenerz, Mangan, Kupfer oder Seltene Erden, die für die Digitalwirtschaft und die ‚grüne Wirtschaft‘ unverzichtbar sind“. Der Abbau dieser Rohstoffe ist nach den Worten der Bischöfe „in einigen staatlichen Bereichen mit Korruption, unerlaubter Bereicherung, Misswirtschaft, Inkompetenz und Skrupellosigkeit verbunden“. „Machtmissbrauch und Ungerechtigkeit“ seien die Symptome einer „Wertekrise“, unter der in erster Linie die Kinder leiden, die von „unredlichen Erwachsenen“ ausgebeutet werden. [...] Erwachsene „nutzen die Naivität von Kindern aus, beuten sie sexuell aus und berauben sie so ihrer Jugend und ihrer Zukunft“.
Am 7. März 2022 erteilte der Vorsitzende des Presserates, José Richard Pouambi, der Tageszeitung Les Collines de l’Ougangui eine Abmahnung, nachdem sie mehrere diffamierende Artikel über den Erzbischof von Bangui, Dieudonne Kardinal Nzapalainga, veröffentlicht hatte. Darin wurde dem Geistlichen ohne jeden Beweis vorgeworfen, Finanzmittel in Höhe von 82 Milliarden CFA-Francs veruntreut zu haben, die angeblich für Opfer der Militärrevolten von 1996-1997 vorgesehen waren. In der Abmahnung heißt es, die Zeitung habe gegen journalistische Grundsätze verstoßen. Sie wurde aufgefordert, die Entscheidung des Presserates zu veröffentlichen.
Im April 2022 kam eine Initiative zur Reform der Verfassung von 2016 in Schwung. Präsident Faustin-Archange Touadéra setzte im August schließlich einen 50-köpfigen Ausschuss ein, und beauftragte ihn mit dem Entwurf einer neuen Verfassung.
Am 30. Juni 2022 veröffentlichte die Zentralafrikanische Bischofskonferenz zum Abschluss ihrer Vollversammlung eine Erklärung, um die Öffentlichkeit auf ein „großes Komplott“ aufmerksam zu machen: „Diverse Guerillagruppen und ausländische (ruandische) Soldaten sowie russische Söldner [...], die an der Seite ruandischer und zentralafrikanischer Soldaten (FACA) für die Rückeroberung des gesamten Staatsgebietes und für die Befriedung der Zentralafrikanischen Republik kämpfen, bringen unser Land heute in eine äußerst schwierige Lage“, so die Bischöfe. Sie erinnerten an die Verbrechen, die an der Zivilbevölkerung begangen werden, wie „Mord, Zerstörung, Missbrauch, Vergewaltigung, vielfältige Menschenrechtsverletzungen, die Zerstörung von Häusern, Gebetsstätten und der Missbrauch des Glaubens“.
Am 29. August 2022 veröffentlichte die Zentralafrikanische Bischofskonferenz eine Erklärung, das von ihrem Vorsitzenden, Bischof Nestor-Désiré Nongo-Aziagbia aus Bossangoa, unterzeichnet wurde. Darin heißt es, die katholische Kirche lehne es ab, den für sie vorgesehenen Sitz im Ausschuss für die Erarbeitung einer neuen Verfassung zu besetzen. Die Bischöfe dankten Präsident Touadéra für die Berücksichtigung der katholischen Kirche in dem Ausschuss. Sie seien aber der Meinung, dass der Prozess im Rahmen einer breit angelegten öffentlichen Konsultation hätte eingeleitet werden müssen. Nur so sei die Unterstützung der Bevölkerung gewährleistet. Da diese Voraussetzung nicht erfüllt sei, wolle die Bischofskonferenz dem Ausschuss nicht beitreten. Kurz nach der Veröffentlichung des Kommuniqués kam es in den sozialen Medien, unter anderen auf Facebook, zu einer Flut von Vorwürfen gegen die katholische Kirche, die von Anhängern der regierenden Partei ausging. In einem Post heißt es: „Die zentralafrikanische Geistlichkeit, die von Frankreich finanziert wird, hat das Land in ein Meer von Blut und Massakern getaucht und Häuser und Dörfer in Brand gesteckt.“
Perspektiven für die Religionsfreiheit
Seit Erlangung ihrer Unabhängigkeit im Jahr 1960 hat die Zentralafrikanische Republik fünf Umstürze und acht Verfassungen erlebt und ist in ihrer heutigen Form die sechste Republik. Die mehrheitlich junge Bevölkerung kennt nichts anderes als Konflikte, denn seit mehr als 25 Jahren gab es im Land keinen Frieden.
Ungeachtet der humanitären Notlage wurden im Berichtszeitraum keine nennenswerten Fälle von Diskriminierung oder Verfolgung von Christen bekannt. Wenn man bedenkt, dass bewaffnete Gruppen, die mit ehemaligen Séléka-Rebellen in Verbindung standen, in den Vorjahren Christen in Kirchen überfallen und allein im Jahr 2018 fünf katholische Priester ermordet haben, scheint sich die Lage der Christen verbessert zu haben. Doch die ausbleibende Umsetzung des Rahmenabkommens zwischen dem Heiligen Stuhl und der Zentralafrikanischen Republik bleibt ein Problem. Dies gilt insbesondere für die Bestimmungen bezüglich des Aufenthaltsstatus von ausländischen Geistlichen.
Im Gegensatz dazu ist die Lage der Muslime nun weitaus schlimmer als in den Vorjahren. Die Aktivitäten der Streitkräfte des Landes und der ausländischen Söldner, die gewaltsam gegen Muslime vorgehen, werden von den Behörden generell geleugnet oder ignoriert. Die Täter kommen ungestraft davon. Es ist zu befürchten, dass dadurch der Extremismus weiter angefacht wird. Das Recht auf Religionsfreiheit wird demnach nicht allen Bürgern der Zentralafrikanischen Republik gewährt. Die weitere Entwicklung sollte genauer beobachtet werden.