Gesetzeslage zur Religionsfreiheit und deren faktische Anwendung
Verfassungsmäßiger Schutz
Die Religionsfreiheit ist im ersten Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika (First Amendment) festgeschrieben, der besagt: „Der Kongress darf kein Gesetz erlassen, das die Einführung einer Staatsreligion zum Gegenstand hat [oder] die freie Religionsausübung verbietet […].“ Dieser erste Zusatzartikel findet durch die sogenannte Inkorporationsdoktrin (Rechtsstaatlichkeitsklausel im vierzehnten Verfassungszusatz) auch auf Ebene der US-Bundesstaaten Anwendung.
Wird die Regierung wegen eines Verstoßes gegen die Religionsfreiheit verklagt, so erfolgt eine Überprüfung in drei Schritten, die mit dem Fall „in Lemon v. Kurtzman“ (1971) etabliert wurde: (1) Hat das Gesetz einen säkularen Zweck; (2) Sind die primären Auswirkungen des Gesetzes so, dass Religion weder bevorzugt noch benachteiligt wird; und (3) hat die Regierung eine zu enge Verflechtung mit Religion vermieden?
Wenn die Regierung wegen eines Verstoßes gegen die freie Religionsausübung verklagt wird, führt das Gericht eine sorgfältige verfassungsrechtliche Prüfung nach strengsten Maßstäben durch, die sogenannte „Strict Scrutiny“, um festzustellen, ob das fragliche Gesetz (1) einem unabdingbaren staatlichen Interesse dient, (2) selbst notwendig ist, um diesem Interesse zu dienen, (3) eng begrenzt ist und (4) die am wenigsten restriktiven Mittel zur Förderung des staatlichen Interesses einsetzt.
Bundesgesetzgebung
Der Civil Rights Act (Bürgerrechtsgesetz) von 1964 verbietet Diskriminierung im Beruf „aufgrund der Ethnie, Hautfarbe, Religion, nationalen Herkunft oder des Geschlechts“. Ein Arbeitgeber kann jedoch nicht verpflichtet werden, den religiösen Praktiken einer Person Rechnung zu tragen, wenn er nachweisen kann, dass dies eine „unangemessene Härte“ für den Betrieb darstellen würde. Darüber hinaus erkennt Abschnitt 702 des Gesetzes an, dass religiöse Einrichtungen das Recht haben, Angehörige derselben Religion zu beschäftigen, um „Arbeiten zu verrichten, die mit den Aufgaben einer solchen Körperschaft, Vereinigung, Bildungseinrichtung oder Gesellschaft verbunden sind“.
Der Religious Freedom Restoration Act (Gesetz zur Wiederherstellung der Religionsfreiheit) von 1993 schützt ebenfalls die Religionsfreiheit, indem die „Regierung einer Person die freie Ausübung ihrer Religion nicht wesentlich erschweren darf, selbst wenn diese Erschwernis das Ergebnis einer allgemein anwendbaren Regel ist“. Eine Ausnahme ist einzig möglich, wenn diese Erschwernis „(1) auf einem zwingenden staatlichen Interesse beruht; und (2) das am wenigsten restriktive Mittel zur Durchsetzung dieses zwingenden staatlichen Interesses darstellt“. Auch hierbei werden die strikten Prüfungsmaßstäbe, „Strict Scrutiny“, angelegt, denen die Regierung gerecht werden muss.
Im Jahr 2022 verabschiedete der Kongress das Gesetz über die Achtung der Ehe (Respect for Marriage Act), das alle Bundesstaaten verpflichtet, gleichgeschlechtliche Ehen anzuerkennen und ihnen „volles Vertrauen entgegenzubringen“. Das Gesetz darf nicht so ausgelegt werden, dass es „die Religionsfreiheit oder den Gewissensschutz schmälert oder aufhebt“. Darüber hinaus darf keine religiöse Organisation oder deren Angestellte „verpflichtet werden, Dienstleistungen […] für die Feier einer Eheschließung zu erbringen“, und die Weigerung, solche Dienstleistungen zu erbringen, werde „keinen zivilrechtlichen Anspruch oder Klagegrund nach sich ziehen“. Es besteht jedoch die Sorge, dass diese Religionsgemeinschaften anderweitig bestraft werden, nämlich durch den Wegfall der Steuerbefreiung und der Zulassungen, wodurch sie in ihrer Tätigkeit eingeschränkt würden. Ein Änderungsantrag, der sich mit diesem Problem befasst, wurde eingebracht, aber nicht in den endgültigen Gesetzentwurf aufgenommen. Darüber hinaus ist unklar, was unter einer „Person, die im Namen des Staates handelt“, zu verstehen ist, und es besteht die Sorge, dass dies ein mögliches Schlupfloch für Klagen sein könnte.
Jüngste Urteile des Obersten Gerichtshofes
In der Rechtssache „Fulton v. City of Philadelphia“, in der am 17. Juni 2021 eine Entscheidung getroffen wurde, weigerte sich die Stadt Philadelphia, mit dem katholischen Sozialdienst (CSS) einen Vertrag über die Bereitstellung von Pflegefamilien zu schließen, weil CSS es ablehnte, gleichgeschlechtliche Paare als potenzielle Pflegefamilien zu akzeptieren. Es ging dabei um die Frage, ob die vertragliche Auflage der Stadt Philadelphia, die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung verbietet, gegen die Klausel der freien Religionsausübung verstößt. Das Gericht entschied zugunsten der CSS und stellte fest, dass „die vertragliche Nichtdiskriminierungsanforderung eine Belastung für die Religionsausübung der CSS darstellt“ und dass die Stadt Philadelphia keinen zwingenden Grund habe, der CSS eine Ausnahme zu verweigern.
In der Rechtssache „Carson vs. Makin“, die am 21. Juni 2022 entschieden wurde, bot der Bundesstaat Maine Eltern ein Unterstützungsangebot in einem Schulbezirk an, in dem es keine weiterführende Schule gibt. Im Rahmen dieses Programms konnten die Eltern eine Schule auswählen, für die der Bezirk die Schulkosten übernehmen sollte. Für das Programm müssen die Schulen „konfessionsungebunden“ sein, d. h. Privatschulen mit religiösem Hintergrund bleiben ausgeschlossen. Die Streitfrage betraf die „konfessionsungebundene“ Klausel und ob diese gegen die Establishment und die Free Exercise Clauses verstößt (diese betreffen die Errichtung einer Staatsreligion und die freie Religionsausübung). Das Gericht entschied, dass das Unterstützungsangebot von Maine verfassungswidrig sei, weil der Staat „einige Mitglieder der Gemeinschaft nicht aufgrund ihrer Religionsausübung von einer ansonsten allgemein verfügbaren öffentlichen Leistung ausschließen“ dürfe.
In der Rechtssache „Kennedy v. Bremerton“, die am 27. Juni 2022 entschieden wurde, verlor ein Highschool-Footballtrainer seinen Job, weil er nach einem Spiel auf die Knie gegangen war, um auf dem Spielfeld zu beten. Es ging in der Sache um die Frage, ob die Entlassung des Trainers durch den Schulbezirk gegen die Redefreiheit und die Klausel der freien Meinungsäußerung verstieß. Das Gericht befand, die Bestrafung des Trainers sei weder neutral noch allgemein gültig, sodass der Fall einer strengen Prüfung („Strict Scrutiny“) zu unterziehen sei. Der Schulbezirk war seiner Verpflichtung nicht nachgekommen und hatte „eine Person für die Ausübung ihrer persönlichen religiösen Handlung bestraft, basierend auf der irrigen Ansicht, der Schulbezirk habe die Pflicht, religiöse Handlungen zu unterdrücken, auch wenn er vergleichbare weltliche Äußerungen zulässt“.
Die Kleinen Schwestern der Armen („Little Sisters of the Poor“) und andere religiöse Organisationen befinden sich seit 2013 in einem fortauernden Rechtsstreit, nachdem das US-Gesundheitsministerium (HHS) im Jahr 2011 Arbeitgebern die Kostenübernahme von Verhütungs- und Abtreibungsmitteln im Rahmen ihrer Gesundheitsversorgung auferlegt hatte. Von 2013 bis 2016 hatte der Oberste Gerichtshof dreimal zugunsten der „Little Sisters“ entschieden. In der Folge erließ das HHS 2017 eine Ausnahmeregelung für religiöse Non-Profit-Organisationen. Das Thema kam jedoch im selben Jahr erneut auf, als der Bundesstaat New York von Arbeitgebern verlangte, Abtreibungen mit ihren Gesundheitsfürsorgeplänen abzudecken. In der Rechtssache „Diocese of Albany v. Vullo“, dem letzten Fall, an dem die Kleinen Schwestern der Armen beteiligt waren, verwies der Oberste Gerichtshof den Fall an das New Yorker Berufungsgericht zurück. Er hatte festgestellt, dass das Berufungsgericht es versäumt hatte, eine strenge Prüfung („Strict Scrutiny“) vorzunehmen.
Vorfälle und aktuelle Entwicklungen
Religiös motivierte Hassverbrechen haben im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr deutlich zugenommen – mit Ausnahme antisemitischer Verbrechen. Laut dem jüngsten Bericht des Uniform Crime Reporting (UCR)-Programms des FBI für das Jahr 2021 wurden 1112 einzelne Hassverbrechen gegen Religionen gemeldet. Von diesen Straftaten waren 31,6 Prozent gegen Juden gerichtet – im Gegensatz zu 56,6 Prozent im Jahr 2020. Das entspricht einem Rückgang von über zwanzig Prozentpunkten im Jahr 2021. Im Gegensatz dazu waren 19,6 Prozent der gemeldeten Hassverbrechen gegen Sikhs gerichtet (6,6 Prozent im Jahr 2020); 10,9 Prozent der Vorfälle waren gegen den Islam gerichtet, ein Anstieg um fast zwei Prozentpunkte (von vorher neun Prozent); 6,7 Prozent waren gegen östlich-orthodoxe Religionen gerichtet (zuvor 3,1 Prozent). Die gegen Katholiken gerichteten Hassverbrechen stiegen von 5,5 auf 6,4 Prozent.
Den Medien wurde am 23. Januar 2023 ein FBI-Dokument zugespielt, das beschreibt, wie das „Interesse rassistisch oder ethnisch motivierter gewalttätiger Extremisten an der radikal-traditionalistischen katholischen Ideologie mit ziemlicher Sicherheit neue Möglichkeiten zur Eindämmung von Gewalt schafft“. In dem Papier werden konservative Katholiken mit Extremisten gleichgesetzt, die Verbindungen zu gefährlichen Gruppen unterhielten. Das FBI empfiehlt, Kirchengemeinden aufzusuchen und diejenigen zu identifizieren, die Gotteshäuser gar „als Plattformen zur Förderung von Gewalt“ nutzen würden. Auf Nachfrage der katholischen Nachrichtenagentur erklärte das FBI, es werde das Dokument sofort zurückziehen, da es nicht den Standards des FBI entspreche.
Die Anti-Defamation League (ADL) meldete in ihrem Bericht für das Jahr 2021 insgesamt 2717 Vorfälle von Übergriffen, Belästigungen und Vandalismus gegen Juden – ein Anstieg um 34 Prozent im Vergleich zum Jahr 2020. Darüber hinaus stellt der Bericht fest, dass es in den Vereinigten Staaten 88 antisemitische Übergriffe mit insgesamt 131 Opfern gab; Einzelbeispiele können der Auflistung gemeldeter Vorfälle entnommen werden. Ein Bericht von Americans against anti-Semitism (Amerikaner gegen Antisemitismus) verzeichnete für den Zeitraum 2018 bis 2022 für New York City 194 Fälle von antisemitischen Hassverbrechen. Von den Opfern waren 94 Prozent orthodoxe oder chassidische Juden.
Im April 2022 wurde ein Mann aus New Jersey in vier Fällen wegen Hassverbrechen (und in einem Fall wegen Autodiebstahls) angeklagt, nachdem er vier orthodoxe Juden tätlich angegriffen und den Ermittlern gegenüber geäußert hatte: „Es musste getan werden“ und „Das sind die wahren Teufel.“
Ebenfalls im April 2022 wurden bei drei voneinander unabhängigen Vorfällen drei Sikh-Männer in Queens, New York, von zwei unbekannten Männern angegriffen, die ihnen die Turbane abnahmen und sie ausraubten.
Der Bericht des Rates für Amerikanisch-Islamische Beziehungen (CAIR) aus dem Jahr 2022 hält 308 Beschwerden über Vorfälle von Hass und Voreingenommenheit fest und listet zudem mehrere Vorfälle von Hassverbrechen aus dem Jahr 2021 auf, darunter „verbale Belästigung, Vandalismus in Moscheen und physische Gewalt, wie das gewaltsame Entfernen von Hijabs“. Der Bericht für das Jahr 2022 stellte außerdem fest, dass es einen 28-prozentigen Anstieg bei den Hass- und Vorurteilsdelikten gab. Dies, so CAIR, deute darauf hin, dass zu wenig Meldungen an das FBI erfolgten, weil Vollzugsbehörden nicht bereit waren, Statistiken weiterzugeben, und weil es in der muslimischen Gemeinschaft an Vertrauen in die Strafverfolgungsbehörden mangelte, und dies „aufgrund der massenhaften Überwachung, Abschiebung, Befragung und anderer Schikanen durch lokale und bundesstaatliche Strafverfolgungsbehörden – ohne Aussicht auf die Durchsetzung einer Rechenschaftspflicht“.
Im Mai 2022 kam es auch in Katholischen Kirchen zu einem Anstieg von Sachbeschädigung und Vandalismus, nachdem der Entwurf von „Dobbs v. Jackson“, der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Aufhebung von „Roe v. Wade“, bekannt wurde. Von den insgesamt 285 Angriffen, die seit Mai 2020 verzeichnet wurden, ereigneten sich 127 dieser Angriffe, nachdem der Entscheidungsentwurf den Medien zugespielt worden war.
Von Mai 2020 bis heute verzeichnete die Katholische Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten (USCCB) 199 Angriffe auf Katholische Kirchen oder Stätten, darunter „Brandstiftung, enthauptete Statuen, abgetrennte, zertrümmerte und bemalte Gliedmaßen, mit Hakenkreuzen und antikatholischer Sprache verunstaltete Grabsteine und verbrannte amerikanische Flaggen neben anderer Zerstörungen und Vandalismus“. Einer der jüngsten Vorfälle ereignete sich in einem Benediktinerkloster in Arkansas, wo ein Altar mit einem Vorschlaghammer zerstört und 1500 Jahre alte Heiligenreliquien gestohlen wurden. Weitere Vorfälle, aufgeschlüsselt nach Monat und Jahr, sind auf der Website der USCCB zu finden.
Covid-19-Pandemie
Während der Pandemie wurden mehrere Angehörige der Streitkräfte entlassen, weil sie den Covid-Impfstoff unter Berufung auf religiöse Gründe abgelehnt hatten. Mehrere Gerichtsverfahren waren die Folge. Im Dezember 2022 unterzeichnete Präsident Biden den National Defense Authorization Act, mit dem die bundesweite Covid-Impfpflicht für Militärangehörige aufgehoben wurde.
Gegen das landesweite Gebot für religiöse Einrichtungen, in den „Lockdown“ zu gehen bzw. persönliche Gottesdienste einzuschränken, hatte es seit 2020 eine Reihe von Verfassungsklagen in mehreren Bundesstaaten gegeben. In der Rechtssache „Tandon v. Newsom“, einem der jüngsten Fälle im Zusammenhang mit Schließungen religiöser Einrichtungen wegen Covid-19, verbot der Oberste Gerichtshof dem Bundesstaat Kalifornien, eine Beschränkung für private Versammlungen durchzusetzen, die religiöse Treffen auf drei Haushalte gleichzeitig beschränken sollte. Kalifornien hatte die gleichen Beschränkungen nicht auf weltliche Aktivitäten angewandt und ihnen stattdessen „eine Vielzahl von Ausnahmen und Zugeständnissen“ gewährt. Das Gericht befand die Beschränkung für verfassungswidrig und stellte fest, dass der Staat nicht „das Schlimmste annehmen kann, wenn Menschen zum Gottesdienst gehen, aber das Beste, wenn sie zur Arbeit gehen“.
Perspektiven für die Religionsfreiheit
„Die verfassungsmäßige Religionsfreiheit ist das unveräußerlichste und heiligste aller Menschenrechte.“ Bis zum heutigen Tag ist Thomas Jeffersons Ausspruch aus dem Jahr 1822 ein unerschütterliches Bollwerk der amerikanischen Freiheit. Dennoch ist das Recht auf Religionsfreiheit durch die aktuellen politischen und kulturellen Konflikte zunehmend auf Widerstand gestoßen und stark beeinträchtigt sowie verfassungsrechtlich angefochten worden.
In den vergangenen Jahren hat der Oberste Gerichtshof das Recht religiöser Organisationen und Einzelpersonen auf freie Religionsausübung wiederholt bestätigt und sich dabei auf eine strikte Prüfung („Strict Scrutiny“) gestützt. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob das kürzlich erlassene Gesetz über die Achtung der Ehe (Respect for Marriage Act) den Schutz für religiöse Organisationen und Einzelpersonen, die an die traditionelle Ehe glauben, in der Praxis aufrechterhalten wird.
Die Zunahme von Hassverbrechen gegen sichtbare religiöse Minderheiten wie orthodoxe Juden, Sikhs und Muslime gibt weiterhin Anlass zur Sorge. Zusätzliche Besorgnis erregt die Welle zunehmender Angriffe auf katholische Kirchengebäude und auf Kircheneigentum nach der Dobbs-Entscheidung im Jahr 2022, die symptomatisch für eine starke kulturelle Spaltung der amerikanischen Gesellschaft ist. Dennoch bleiben die Aussichten für die Religionsfreiheit unverändert.