Gesetzeslage zur Religionsfreiheit und deren faktische Anwendung
In der Tschechischen Republik ist der Schutz der Religionsfreiheit sowohl in der Verfassung als auch in der Charta der Grundrechte und Grundfreiheiten verankert. Gemäß Artikel 2, Absatz 1 der 1991 verabschiedeten Charta hat das Land keine Staatsreligion oder Staatsideologie. Artikel 3, Absatz 1 sichert die Grundrechte allen Bürgern zu, unabhängig von ihrem Glauben oder von ihrer Religion. Laut Artikel 15, Absatz 1 der Charta hat jeder Bürger Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit und das Recht, den Glauben zu wechseln oder sich zu keinem Glauben zu bekennen. Das Recht, den Militärdienst zu verweigern, ist in Artikel 15, Absatz 3 verankert. Jeder hat gemäß Artikel 16, Absatz 1 das Recht, seinen Glauben durch Gottesdienste, Lehre, Bräuche oder das Befolgen religiöser Regeln als Einzelperson oder in Gemeinschaft mit anderen öffentlich oder privat zu bekennen und zu verbreiten.
Gemäß Artikel 16, Absatz 2 der Charta dürfen Glaubensgemeinschaften ohne staatliche Einflussnahme ihre Angelegenheiten selbst regeln, eigene Organe einsetzen, Geistliche ernennen und Ordensgemeinschaften gründen. Die Religionsfreiheit kann gesetzlich eingeschränkt werden, soweit dies im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, der Volksgesundheit und der öffentlichen Sittlichkeit und für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer Personen erforderlich ist (Artikel 16, Absatz 4).
Strafbare Handlungen, die aus religiösem Hass begangen werden, gelten als schwere Straftaten. Es ist verboten, Personengruppen wegen ihres Glaubens oder Nichtglaubens öffentlich zu verunglimpfen (Paragraf 355, Absatz 1-2 Strafgesetz) und gegen eine Religion Hass zu schüren (Paragraf 356, Absatz 1-3 Strafgesetz).
Das Gesetz über die Religionsfreiheit regelt das Verfahren, das Glaubensgemeinschaften zur Registrierung beim Ministerium für Kultur durchlaufen müssen. Es besteht zwar keine Pflicht zur Registrierung (Paragraf 4), aber nur registrierte Gemeinschaften werden vom Staat anerkannt. Mit dem Antrag auf Registrierung müssen folgende Dokumente eingereicht werden: Gründungsurkunden, Tätigkeitsberichte, die grundlegenden Glaubenssätze, eine Erklärung, dass die Organisation die Gesetze des Landes respektiert und anderen Glaubensrichtungen gegenüber tolerant ist, sowie eine Liste mit den Unterschriften von 300 erwachsenen Mitgliedern, die entweder Bürger der Tschechischen Republik sein müssen oder ihren ständigen Wohnsitz im Land haben (Paragraf 10).
Kirchen haben die Möglichkeit, einen Sonderstatus gemäß Paragraf 11 zu beantragen, wenn sie seit mindestens zehn Jahren ordnungsgemäß registriert sind und jährlich einen Tätigkeitsbericht veröffentlicht haben. Zusätzlich müssen sie nachweisen, dass mindestens 0,1 % der Gesamtbevölkerung zu ihren Gläubigen zählen. Kirchen mit Sonderstatus profitieren von Steuervorteilen und staatlichen Mitteln. Sie dürfen Schulen betreiben, an staatlichen Schulen Religionsunterricht anbieten, in der Militär- und der Gefängnisseelsorge tätig werden und Eheschließungen vornehmen (Paragraf 7). Im Jahr 2022 gab es in der Tschechischen Republik 44 registrierte Kirchen und Glaubensgemeinschaften. Neu hinzu kamen die Christliche Kirche der Essäer (Křesťanská církev esejská) und die Glaubensgemeinschaft der Slawen. Die Anträge der Anhänger des Eleutherismus und der Protestantischen Kirche der Heiligen Krone wurden vom Ministerium für Kultur im Berichtszeitraum abgelehnt.
In der Tschechischen Republik sind einige ungewöhnliche Kirchen und Gemeinschaften ansässig, wie etwa die Bier-Kirche und die Ecclesia Risorum (Kirche des Lachens).
Kirchen, die Entschädigungsleistungen für Enteignungen während des kommunistischen Regimes erhalten, sollten nach dem Willen des Gesetzgebers auf diese Zahlungen Steuern entrichten. Ein entsprechendes Gesetz, das im Mai 2019 verabschiedet wurde, hob das Verfassungsgericht später wieder auf. Die Entschädigung für Enteignungen während der sozialistischen Herrschaft ist für viele christliche Kirchen und jüdische Gemeinden in der Tschechischen Republik nach wie vor ein Thema.
Vorfälle und aktuelle Entwicklungen
Im Januar 2021 bestätigte das Appellationsgericht Olmütz die Schuldsprüche gegen den Sektenführer Jára und ein weibliches Mitglied seiner Sekte, die wegen der Vergewaltigung von sechs Frauen verurteilt worden waren. Die beiden Verurteilten sitzen zurzeit in den Philippinen in Haft, wo sie Asyl beantragt haben. Gegen die Jára-Sekte sind in der Tschechischen Republik noch weitere Gerichtsverfahren anhängig.
Für die Instandsetzung des Beinhauses der Allerheiligenkirche in Sedletz, einer der bedeutendsten christlichen Weihestätten in der Tschechischen Republik, werden die Mittel knapp. Die aus Spenden finanzierten Renovierungsmaßnahmen verzögern sich, seit wegen der Covid-19-Pandemie die Touristen ausbleiben.
Im April 2021 fällte die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) das lang erwartete Urteil im Fall Vavricka und andere gegen die Tschechische Republik. Das Gericht befand, dass die tschechische Regierung nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt, wenn sie Impfungen für Kinder gesetzlich vorschreibt. Der EGMR wies die Klage wegen Verstoßes gegen Artikel 9 der Konvention (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) mit der Begründung zurück, dass sie im innerstaatlichen Verfahren nicht vollständig geprüft wurde und dass keiner der Kläger schlüssige und stichhaltige Gründe für die Ablehnung von Impfungen vorlegen konnte.
Mehrere chinesische Christen, deren Asylanträge 2018 von den tschechischen Behörden abgelehnt worden waren, dürfen nach einer Entscheidung des Innenministeriums vom Juni 2021 aus Sicherheitsgründen nicht nach China abgeschoben werden.
In einer Umfrage, die im September 2021 von der in Brüssel ansässigen Menschenrechtsorganisation Action and Protection League unter 1.000 Personen in der Tschechischen Republik durchgeführt wurde, gaben 21 % der Befragten an, negative Gefühle gegenüber Menschen jüdischen Glaubens zu hegen.
Im Oktober 2022 scheiterte ein Mitglied der Ecclesia Risorum (Kirche des Lachens) mit einer Klage gegen das Justizministerium. Der Mann hatte durchsetzen wollen, dass ein Foto, das ihn lachend zeigt, als Ausweisfoto anerkannt wird. Er machte geltend, dass Lachen ein zentraler Grundsatz seiner religiösen Überzeugungen sei.
Am 16. November 2022 trat das Gesetz über digitale Dienste in Kraft, das unter anderem die Bekämpfung von Hassparolen auf europäischer und nationaler Ebene sowie auf der Ebene der Anbieter von Online-Diensten verbessern soll.
Im Rahmen der Tschechischen EU-Ratspräsidentschaft eröffnete der tschechische Außenminister Jan Lipavský im November 2022 im Palais Czernin die internationale Konferenz zur Theresienstädter Erklärung. Insgesamt 47 Staaten, darunter auch die Tschechische Republik, verpflichten sich in der Erklärung unter anderem dazu, konsequenter gegen Antisemitismus vorzugehen.
Die tschechischen Polizeibehörden meldeten 2021 insgesamt 37 antisemitische und sieben antimuslimische Hassverbrechen an die OSZE. Andere Quellen gehen von 22 antisemitischen und zwei antimuslimischen Vorfällen aus. Die meisten Fälle stehen mit Bedrohungen im Zusammenhang, viele davon in den sozialen Medien. Wie das Innenministerium erklärte, wurden 16 der 37 antisemitisch motivierten Straftaten im Jahr 2021 aufgeklärt. Die Zahl der antisemitisch motivierten Straftaten lag 2021 über dem Niveau der Jahre 2019 und 2020, aber immer noch deutlich unter dem Höchststand der Jahre 2014 und 2015. Von den sieben angezeigten antimuslimischen Straftaten klärte die Polizei zwei Fälle auf.
Der Verband der jüdischen Gemeinden in der Tschechischen Republik verzeichnete 2021 insgesamt 1.128 antisemitische Vorfälle, die überwiegend im Internet auftraten. In einem Fall kam es zu körperlicher Gewalt, in drei Fällen wurden jüdische Einrichtungen geschändet und in fünf Fällen wurden Menschen jüdischen Glaubens belästigt, beleidigt oder ihnen wurde körperliche Gewalt angedroht.
2022 gingen tschechische und slowakische Behörden gemeinsam gegen die Aktivitäten von Neonazis vor. Dabei wurde ein 22-Jähriger festgenommen, der mehrere terroristische und extremistische Straftaten verübt haben soll.
Die Themen Religionsfreiheit und Verfolgung von Gläubigen stehen auch im Mittelpunkt einer jährlichen Konferenz der Karls-Universität, in deren Anschluss immer zahlreiche religiöse und öffentliche Gebäude in Prag und anderen Städten der Tschechischen Republik rot angestrahlt werden. Die Veranstaltung „Cervena Streda“ (Roter Mittwoch) findet seit 2017 regelmäßig Ende November statt und rückt immer stärker in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Sie geht auf eine Initiative des katholischen Hilfswerks Kirche in Not zurück und wird gemeinsam von der Karls-Universität, der Katholischen Bischofskonferenz, dem Verband der jüdischen Gemeinden, dem Ökumenischen Rat der Kirchen und dem Think Tank KDP veranstaltet.
Beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wurden im Berichtszeitraum gegen die Tschechische Republik keine Urteile gefällt und keine neuen Verfahren eröffnet.
Perspektiven für die Religionsfreiheit
Im Berichtszeitraum wurden staatlicherseits offenbar keine nennenswerten Maßnahmen zur Einschränkung der Religionsfreiheit getroffen. Doch der zunehmende Antisemitismus und die wachsende Intoleranz gegenüber Muslimen, die sich vor allem im Internet zeigen, sollten als mögliche Vorboten von Gewalttaten genau beobachtet werden. Auf der Grundlage des Gesetzes über digitale Dienste, das in der Tschechischen Republik ab Februar 2024 Anwendung findet, können die Behörden und die Zivilgesellschaft effektiver gegen Hassparolen im Internet vorgehen, so dass sich künftig möglicherweise deutlich weniger Online-Inhalte dieser Art finden lassen. Generell müssen Gläubige in der Tschechischen Republik nicht mit einer Einschränkung ihres Rechts auf Religionsfreiheit rechnen.