Gesetzeslage zur Religionsfreiheit und deren faktische Anwendung
Gemäß Artikel 11 der serbischen Verfassung darf „keine Religion als Staats- oder Pflichtreligion etabliert“ werden. Artikel 21 garantiert die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz sowie gleichen rechtlichen Schutz und verbietet jegliche Diskriminierung aus religiösen Gründen. Die Gedanken-, Gewissens-, Glaubens- und Religionsfreiheit, einschließlich des Rechts zu konvertieren, ist in Artikel 43 verankert. Ein jeder darf seine religiösen Überzeugungen durch Gottesdienst, Riten und Bräuche sowie Lehre allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat bekunden. In dieser Freiheit darf er nur eingeschränkt werden, wenn dies zum Schutz „des Lebens und der Gesundheit der Menschen, der Moral der demokratischen Gesellschaft“, der verfassungsmäßig gewährleisteten Rechte, der öffentlichen Sicherheit oder zur Verhinderung von Volksverhetzung erforderlich ist.
Gemäß Artikel 44 sind Kirchen und Religionsgemeinschaften gleichberechtigt und frei darin, sich selbst zu verwalten, Schulen in religiöser Trängerschaft zu gründen und zu leiten und ihre Angelegenheiten selbstständig zu organisieren. Religionsgemeinschaften dürfen nur zum Schutz anderer oder bei Anstiftung zur Intoleranz in ihrem Wirken eingeschränkt werden. Der Aufruf zu religiöser Diskriminierung oder zu religiösem Hass ist verboten und strafbar (Artikel 49). Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen ist in Artikel 45 festgeschrieben.
Nach dem „Gesetz über Kirchen und Religionsgemeinschaften“ ist eine Registrierung von Kirchen und Religionsgemeinschaften zwar vorgesehen, doch ist diese nicht verpflichtend. Registrierte Kirchen und Religionsgemeinschaften haben Anspruch auf Steuervergünstigungen (Paragraf 30) und dürfen Religionsunterricht an Schulen erteilen (Paragraf 36). Ferner sind sie berechtigt, Gebäude zu besitzen und zu errichten (Paragraf 26 und 32), und haben sie Anspruch auf staatliche Förderung (Paragraf 28). Sieben Kirchen und Religionsgemeinschaften, die sich durch eine jahrhundertelange „historische Kontinuität“ in Serbien auszeichnen, sind nach diesem Gesetz als „traditionell“ anerkannt: die Serbisch-Orthodoxe Kirche, die Römisch-Katholische Kirche, die Slowakische Evangelische Kirche, die Reformierte Christliche Kirche, die Evangelisch-Christliche Kirche, die Islamische Gemeinschaft und die Jüdische Gemeinschaft.
In Paragraf 18 des Gesetzes ist das Registrierungsverfahren umrissen: Die Antragstellerin muss eine Beschreibung ihrer grundlegenden religiösen Lehren und Riten sowie der Ziele und Aktivitäten der Organisation vorlegen. Sie muss darüber hinaus ihre Einkommensquellen, Organisationsstruktur und bestimmte Dokumente offenlegen sowie die Namen und Unterschriften von mindestens 0,001 % der volljährigen serbischen Staatsbürger oder von Personen mit ständigem Wohnsitz im Land vorweisen. Die Registrierung kann nicht erfolgen, wenn der Name der antragstellenden Organisation einen Teil des Namens einer bereits im Register geführten Kirche oder Religionsgemeinschaft enthält (Paragraf 19).
Der Religionsunterricht an Schulen durch „traditionelle Kirchen und Religionsgemeinschaften“ ist gesetzlich geregelt. Alternativ zum Religionsunterricht können Schüler auch das Unterrichtsfach „Staatsbürgerkunde“ belegen. Bei Grundschülern wählen die Eltern eine der beiden Optionen, in der Sekundarstufe entscheiden die Schüler selbst. Den Religionsunterricht erteilen Priester und Laien, die von den Kirchen und Religionsgemeinschaften ausgewählt und vom Bildungsministerium eingesetzt und bezahlt werden.
Nach Angaben der für die Zusammenarbeit mit Kirchen und Religionsgemeinschaften zuständigen Abteilung des Justizministeriums sind derzeit (Stand 2020) 25 „nicht traditionelle“ Religionsgemeinschaften staatlich registriert.
Laut Finanzministerium gab Serbien im Jahr 2022 Staatsanleihen im Wert von 69,5 Mio. Euro mit einer Laufzeit von 5, 10 oder 12 Jahren aus, um damit gerichtlich anerkannte Ansprüche auf Eigentumsrückgabe zu decken. Berichten zufolge sind nur noch 6 % der Grundstücke, die derzeit in staatlichem Besitz sind, an Kirchengemeinden und Bürger zurückzugeben.
2006 verabschiedete Serbien ein Gesetz zur Rückerstattung des Eigentums von Kirchen und Religionsgemeinschaften, das nach 1945 staatlich beschlagnahmt wurde. Fast die Hälfte der daraus resultierenden Anträge wurde innerhalb von zehn Jahren bearbeitet. Ferner erließ Serbien 2011 ein Gesetz über Vermögensrückgabe und Entschädigung und ermöglichte damit die Naturalrestitution oder -kompensation von Eigentum (Immobilien und bestimmten beweglichen Gütern), das nach 1945 beschlagnahmt wurde und im Besitz der Republik Serbien, von Kommunen oder staatlich geführten Unternehmen ist. Antragsteller im Sinne dieses Gesetzes müssen nicht damit rechnen, dass ihre religiöse oder ethnische Zugehörigkeit behördlich erfasst wird.
Im Februar 2016 verabschiedete Serbien infolge der Theresienstädter Erklärung ein Gesetz, das die Folgen der Beschlagnahme des Eigentums von Holocaust-Opfern ohne gesetzliche Nachkommen wiedergutmachen sollte. Im Gegensatz zur Theresienstädter Erklärung erkannte dieses Gesetz ausschließlich die jüdische Gemeinschaft und keine anderen religiösen oder ethnischen Gemeinschaften als Opfer der Naziverbrechen an. Damit wurde eine beispiellos privilegierte Position gegenüber anderen Opfern, wie zum Beispiel Christen und Roma, geschaffen, die in jener Zeit ebenfalls verfolgt wurden. Dem Gesetz zufolge erhält die Jüdische Gemeinschaft in Serbien, die geschätzt 3300 Mitglieder hat und von der Savez Jevrejskih Opština Srbije (Föderation der jüdischen Gemeinden in Serbien) vertreten wird, einen Betrag in Höhe von 24 Mio. Euro, der in den kommenden 25 Jahren als Schadensersatz ausgezahlt wird. Zudem wurde festgelegt, dass 20 % der Gesamterlöse aus dem beschlagnahmten Vermögen für einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren an serbische Holocaust-Überlebende im In- und Ausland gehen.
Vorkommnisse und aktuelle Entwicklungen
In Serbien gehören 84,6 % der Bevölkerung zur Serbisch-Orthodoxen Kirche, die damit die größte Religionsgemeinschaft des Landes ist. Rund 5 % der Einwohner bekennen sich zum katholischen Glauben, während weniger als 1 % protestantischen Gemeinschaften angehört. Ebenso gibt es in Serbien einen kleinen, aber nicht unbedeutenden islamischen Bevölkerungsanteil: Gut 3 % der Bürger bekennen sich zum muslimischen Glauben.
Am 9. Mai 2022 erkannte die Synode des Patriarchats von Konstantinopel unter dem Vorsitz des Patriarchen Bartholomäus die Mazedonische Kirche an und ging mit deren Geistlichen eine eucharistische Gemeinschaft ein. Im Anschluss daran wurde am 24. Mai 2022 in Skopje die Unabhängigkeit der Mazedonisch-Orthodoxen Kirche in Nordmazedonien von Patriarch Porfirije, dem Oberhaupt der Serbisch-Orthodoxen Kirche, anerkannt. Damit setzte der Patriarch einem mehr als 50 Jahre andauernden Religionsstreit ein Ende.
Anfang des Jahres bezeichnete der serbische Patriarch Porfirije die Autokephalie der Orthodoxen Kirche in der Ukraine allerdings als „Verstoß gegen den Kanon“, und er forderte die serbischen Hierarchen und Geistlichen dazu auf, die liturgische und kanonische Gemeinschaft mit den Geistlichen der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche abzulehnen. Diese Haltung forderte er auch gegenüber Geistlichen, die mit der Orthodoxen Kirche in der Ukraine konzelebrieren und eine Gemeinschaft eingehen. Oberhäupter der Serbisch-Orthodoxen Kirche warfen dem Patriarchen von Konstantinopel vor, ein Schisma dadurch herbeizuführen, dass er die Unabhängigkeit der Ukrainischen Kirche bestätigte.
Laut OSZE-Mission in Serbien fanden dort 2021 vier antisemitische Vorfälle (Beschädigung von privatem und kommunalem Eigentum), vier gegen Zeugen Jehovas gerichtete Gewalthandlungen (vorwiegend in Form von Sachbeschädigung) und drei muslimfeindliche Gewaltfälle (ein körperlicher Angriff und zwei Fälle von Vandalismus/Entweihung, die sich in Moscheen ereigneten) statt.
Serbiens Muslime, die vor allem in der mehrheitlich muslimischen Region Sandžak an der Grenze zu Montenegro, Bosnien und Herzegowina und dem Kosovo leben, gehören zwei konkurrierenden Gemeinschaften an: der Islamska zajednica Srbije (Islamischen Gemeinschaft Serbiens/IZS) und der Islamska zajednica u Srbiji (Islamischen Gemeinschaft in Serbien/IZuS). Die Türkei, Saudi-Arabien und der Iran machen sich diese Zweiteilung zunutze, um sich bei der Ausweitung ihres islamischen Einflussbereichs in der Balkanregion, dem Tor zu Europa, gegenseitig zu übertreffen. Im Januar 2022 unterzeichneten die internationale Islamische Fiqh-Akademie (IIFA) in Saudi-Arabien und Professor Enver Gicic, Dekan der Fakultät für Islamstudien der Republik Serbien, eine strategische Kooperationsvereinbarung. Im November 2022 fand ein Treffen zwischen dem ägyptischen Botschafter in Serbien Bassel Salah und Serbiens Großmufti Scheich Mustafa Yusuf Spahic statt. Dabei wurde vereinbart, dass Kairo religiöse Entsandte nach Serbien schicken werde, damit studierende muslimische Serben die Gelegenheit hätten, an Ägyptens renommierter Al-Azhar-Universität zu studieren. Im Anschluss daran fanden weitere Treffen statt, bei denen Pakistan, die Vereinigten Arabischen Emirate, der Iran und Serbien ihre Absicht erklärten, die bilateralen Beziehungen auszubauen. Deshalb wird davon ausgegangen, dass die Entwicklung in Serbien weiter in diese Richtung geht.
Perspektiven für die Religionsfreiheit
In Serbien fanden im Berichtszeitraum keine grundlegenden Einschränkungen der Religionsfreiheit statt. Deshalb bleiben die Perspektiven in diesem Zusammenhang positiv.