Gesetzeslage zur Religionsfreiheit und deren faktische Anwendung
Gemäß der Verfassung der Philippinen, die 1987 in Kraft trat, hat jede Person das Recht, ihren Glauben frei auszuüben. Sie sieht außerdem die Trennung von Kirche und Staat vor. In Artikel III („Grundrechte“), Abschnitt 5 heißt es: „Keine Religion darf per Gesetz zur Staatsreligion erklärt werden, und die freie Ausübung der Religion darf nicht gesetzlich eingeschränkt werden. Jeder Einzelne hat unterschiedslos für alle Zeiten das Recht, seinen Glauben frei auszuüben und zu bekennen. Die Ausübung bürgerlicher oder politischer Rechte ist nicht von einem religiösen Bekenntnis abhängig.“ Laut Präambel wird die Verfassung von „dem souveränen Volk der Philippinen“ verkündet, das hierfür „den Beistand des allmächtigen Gottes erfleht“.
Nach dem Ende der spanischen Kolonialzeit 1898 übernahm das Land von den neuen Kolonialherren, den Vereinigten Staaten, zahlreiche politische Ideen und Kulturpraktiken. So wurde unter anderem nach amerikanischem Vorbild die Trennung von Kirche und Staat eingeführt. Unter Artikel II („Grundsätze der Staatspolitik“), Abschnitt 6 heißt es: „Der Grundsatz der Trennung von Kirche und Staat ist unantastbar.“
Glaubensgemeinschaften müssen sich laut Verfassung registrieren lassen, wenn sie von Steuervergünstigungen profitieren wollen. Gemäß Artikel VI, Abschnitt 28 ist eine Steuerbefreiung für Institutionen vorgesehen, die in den Bereichen „Religion, Wohltätigkeit und Bildung“ tätig sind. Konkret beziehen sich diese Regelungen auf „karitative Einrichtungen, Kirchen, Pfarreien, Klöster, Moscheen, nicht gewinnorientierte Friedhöfe, die ausschließlich von ihnen betrieben werden, und auf sämtlichen Grundbesitz“.
Die philippinische Kultur ist vom Christentum in besonderer Weise geprägt, seit die Inselgruppe im 16. Jahrhundert von den Spaniern kolonialisiert wurde. Trotz der verfassungsmäßigen Trennung von Kirche und Staat hat die Römisch-Katholische Kirche nach wie vor einen gewissen Einfluss auf die Staatspolitik und prägt zum Beispiel das Bildungssystem des Landes. An staatlichen Schulen wird Religionsunterricht erteilt, an dem Schüler mit dem Einverständnis ihrer Eltern oder ihres Vormunds teilnehmen können. Artikel XIV, Abschnitt 3 lautet: „Auf schriftlichen Wunsch der Eltern oder des Vormunds können Kinder an staatlichen Grundschulen und weiterführenden Schulen innerhalb des regulären Unterrichts Religionsunterricht erhalten.“
Die Philippinen sind ein christlich geprägtes Land mit einer kleinen, aber bedeutenden muslimischen Minderheit (5 bis 6 % der Gesamtbevölkerung), von der die überwiegende Mehrheit (93 %) auf der großen, südlich gelegenen Insel Mindanao lebt. Die Muslime auf Mindanao sind größtenteils Sunniten, wobei es in der zentral gelegenen Provinz Lanao Del Sur und der westlich gelegenen Provinz Zamboanga Del Sur auch kleine schiitische Gemeinschaften gibt.
Die mangelnde Integration der muslimischen Minderheit ist ein großes Problem, für das es nach wie vor keine politische Lösung gibt. Die Anhänger des Islams, die von den Spaniern als Moros (Mauren) bezeichnet wurden, machen auf Mindanao rund ein Viertel der Gesamtbevölkerung aus und bilden in einzelnen westlichen Provinzen die Bevölkerungsmehrheit. Obwohl Artikel X, Abschnitt 1 der Verfassung vorsieht, dass das „muslimische Mindanao“ eine „autonome Region“ wird, dauern die gewaltsamen Konflikte zwischen der philippinischen Regierung und den muslimischen Moro-Rebellen seit 1969 an.
Nachdem sich die philippinische Regierung 2018 mit der Moro Islamic Liberation Front – MILF (Islamische Befreiungsfront der Moros) auf ein Friedensabkommen geeinigt hatte, unterzeichnete der damalige Präsident Rodrigo Duterte das Bangsamoro Organic Law – BOL (Bangsamoro-Grundgesetz). Mit der Ratifizierung des Gesetzes wurde die Autonome Region Muslimisches Mindanao 2019 formell abgeschafft. Stattdessen sprach das neue Gesetz der muslimischen Mehrheit größere Autonomie und ein etwas größeres Gebiet zu.
Der damalige Präsident Duterte erklärte in diesem Zusammenhang: „Die erfolgreiche Ratifizierung dieses Grundgesetzes gestattet es uns, ein Umfeld zu schaffen, das das friedliche Miteinander von Muslimen, Christen ... und allen Volksgruppen ..., die Mindanao als ihre Heimat betrachten, fördern wird.“ Doch trotz dieser Friedensbemühungen treiben Terrorgruppen, die von den Verhandlungen mit der Regierung ausgeschlossen waren, auf Mindanao weiter ihr Unwesen. Die Gewalt richtet sich gegen Angehörige nicht muslimischer Glaubensgemeinschaften.
Scharia-Gerichte dürfen auf Mindanao mit Billigung des Staates Recht sprechen. Gemäß dem Dekret Nr. 1083 bzw. dem Gesetz zur Anerkennung des islamischen Zivilrechts (Code of Muslim Personal Laws of the Philippines) ernennt der Präsident aufgrund einer Vorschlagsliste der philippinischen Richterkammer Mitglieder der Scharia-Richterkammer zu Richtern an den für Zivilsachen zuständigen Sharia Circuit Courts.
Muslime aus anderen Landesteilen, die die Rechtsprechung durch ein Schariagericht wünschen, müssen sich zu diesem Zweck in einen der Bezirke auf Mindanao begeben, in denen anerkannte Schariagerichte tätig sind. Deren Rechtsprechung beschränkt sich auf die Angelegenheiten des Gewohnheits- und des Zivilrechts der Muslime. In Strafsachen sind sie nicht zuständig. Zudem unterliegen sie der Aufsicht des Supreme Court [oberster Gerichtshof] der Philippinen. Mit der Ratifizierung des Bangsamoro-Grundgesetzes wurde auch ein Oberstes Schariagericht für die muslimische Bevölkerung in der Region errichtet.
Das reformierte Strafgesetz, das seit 1930 in Kraft ist, untersagt bestimmte Handlungen, die mit der Religionsausübung im Zusammenhang stehen. So ist es gemäß Paragraf 133 verboten, in einer Gebetsstätte oder „während der Durchführung einer religiösen Feier die Gefühle von Gläubigen zu verletzen“. Paragraf 132 untersagt es Vertretern des Staates, Gläubige von der Feier eines Gottesdienstes abzuhalten oder Gottesdienste zu stören.
2019 wurde der Gesetzentwurf Nr. 5170 zur Aufhebung von Paragraf 133 dem philippinischen Repräsentantenhaus zur Abstimmung vorgelegt. Der einzige philippinische Staatsbürger, der jemals nach Paragraf 133 verurteilt wurde, war der Künstler und Aktivist Carlos Celdran, der im selben Jahr einem Herzinfarkt erlag. Das Gesetz wurde bis heute nicht verabschiedet. Sollte es in Kraft gesetzt werden, würden alle anhängigen Straf- und Zivilverfahren im Zusammenhang mit Paragraf 133 aufgehoben.
Vorfälle und aktuelle Entwicklungen
Am 30. Juni 2022 legte Ferdinand „Bongbong“ Romualdez Marcos Jr. als 17. Präsident der Philippinen den Amtseid ab. Damit kam nach 36 Jahren wieder ein Mitglied der Familie Marcos an die Macht. In einer Zeit der zügellosen Korruption und Unzufriedenheit in der Bevölkerung war ihm bei der Wahl ein klarer Sieg gelungen. Nachdem er sich im Wahlkampf mit Social-Media-Persönlichkeiten und Vloggern umgeben hatte, anstatt sich auf politische Debatten einzulassen, wurde viel über seinen künftigen Regierungsstil spekuliert.
Der frühere Präsident Duterte war wegen seiner unerbittlichen Drogenbekämpfungspolitik und der Wiedereinführung der Todesstrafe scharf kritisiert worden. Das brutale Vorgehen der Polizei gegen die Drogenkriminalität forderte nach Regierungsangaben bei mehr als 220 000 Einsätzen 6000, laut anderen Quellen sogar 30 000 Menschenleben. Die Zahl der mit der Drogenbekämpfung im Zusammenhang stehenden Todesfälle ging seit der Wahl von Marcos Jr. nicht zurück.
Am 7. Oktober 2022 wurde der Journalist Percival Mabasa getötet. Er hatte die von der Duterte- und der Marcos-Regierung begangenen Menschenrechtsverletzungen scharf kritisiert. Seit 1986 kamen schätzungsweise 195 Journalisten in den Philippinen zu Tode. Damit ist das Land für Journalisten einer der gefährlichsten Orte der Welt.
Am 15. Dezember 2022 wurden auf dem Gelände von zwei katholischen Kirchen in der Stadt Jolo selbst gebaute Sprengsätze entdeckt. Die Rebellengruppe Abu Sayyaf, die unter dem Einfluss der islamistischen Terrorgruppe Al-Qaida steht, wird verdächtigt, die Sprengsätze gelegt zu haben.
Als Zeichen guten Willens erklärte Präsident Marcos Jr. den 26. Dezember zum Feiertag, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, Weihnachten im Kreis der Familie zu feiern.
2020 hatte der damalige Präsident Duterte das Terrorbekämpfungsgesetz durch den Kongress gebracht. Das Gesetz sah die Einrichtung eines Rates für die Terrorbekämpfung vor, der die Befugnis hat, einzelne Personen zu „Terroristen“ zu erklären. Zudem ermächtigt es Behörden, Verdächtige ohne Haftbefehl oder Anklage bis zu 14 Tage festzuhalten. Das Gesetz wird von Menschenrechtlern kritisiert, weil es ihrer Meinung nach jede Form von Aktivismus im Keim erstickt und das Eintreten für grundlegende Menschenrechte kriminalisiert.
Das Terrorbekämpfungsgesetz hat auch zur Folge, dass Organisationen, die sich für Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit einsetzen, als kommunistische Frontorganisationen gebrandmarkt werden, was wiederum dazu führt, dass deren Mitarbeiter ohne Gerichtsbeschluss festgehalten, grundlos verhaftet, gefoltert, entführt oder getötet werden.
Im August 2022 wurde gegen 16 Personen, darunter auch mehrere Ordensfrauen, ein Strafverfahren wegen Terrorismusfinanzierung und Verstoßes gegen das philippinische Terrorbekämpfungsgesetz eröffnet. Die Ordensfrauen der Rural Missionaries of the Philippines wurden beschuldigt, die Kommunistische Partei der Philippinen (CPP) und deren bewaffneten Flügel, New People’s Army (NPA), finanziell unterstützt zu haben. Menschenrechtsgruppen werfen der Justiz jedoch vor, sie habe das Verfahren durchgepeitscht und den Beschuldigten keine Chance gegeben, sich zu verteidigen.
Ungeachtet der besorgniserregenden Entwicklungen verabschiedete das Repräsentantenhaus am 1. Dezember 2022 mit überwältigender Mehrheit (256 Stimmen, 1 Gegenstimme und 3 Enthaltungen) das Gesetz über die Religionsfreiheit, das den Staat und alle staatlichen Behörden verpflichtet, das Recht jedes Bürgers auf freie Religionsausübung zu schützen.
Perspektiven für die Religionsfreiheit
Das Recht auf Religionsfreiheit ist in der Verfassung der Philippinen verankert. Das Terrorbekämpfungsgesetz gibt jedoch weiterhin Anlass zur Sorge, da es den Behörden weitgehende Befugnisse einräumt, gegen Regierungskritiker, Menschenrechtsaktivisten und Kirchenvertreter vorzugehen.
In immer mehr Regionen werden Christen und religiöse Minderheiten Opfer der Gewalt von Extremistengruppen. Obwohl das Bangsamoro-Grundgesetz 2019 ratifiziert wurde und in Kraft trat, scheint eine dauerhafte und umfassende Lösung zur Beendigung der islamistischen Gewalt nicht in Sicht zu sein.
Das Gesetz über die Religionsfreiheit ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber ob es tatsächlich der Religionsfreiheit dient, wird davon abhängen, wie die Bestimmungen umgesetzt und durchgesetzt werden. Daher sollten die weiteren Entwicklungen genauer beobachtet werden.