Gesetzeslage zur Religionsfreiheit und deren faktische Anwendung
Die Präambel der peruanischen Verfassung beruft sich auf „den allmächtigen Gott“. Artikel 2, Absatz 3 garantiert das universelle Recht auf „individuell oder gemeinsam gelebte Gewissens- und Religionsfreiheit. Niemand darf aufgrund seiner Ideen oder Überzeugungen verfolgt werden. Die Meinungsäußerung ist kein Straftatbestand. Die öffentliche Ausübung jeglichen Glaubens ist frei, soweit sie keinen Verstoß gegen die guten Sitten oder eine Störung der öffentlichen Ordnung darstellt.“
Ebenso besteht nach Artikel 2, Absatz 2 das Recht auf „Gleichheit vor dem Gesetz“, was unter besonderer Bezugnahme auf die Religionsfreiheit bedeutet, dass „niemand aufgrund der [...] Religion diskriminiert werden darf“. Darüber hinaus haben alle Menschen gemäß Artikel 2, Absatz 18 das Recht, ihre religiösen Überzeugungen geheim zu halten.
Nach Artikel 50 erkennt der Staat „die Katholische Kirche als wichtiges Element der historischen, kulturellen und moralischen Entwicklung Perus“ an und bietet ihr seine Zusammenarbeit an.
Diese Bestimmungen entsprechen dem im Juli 1980 mit dem Heiligen Stuhl unterzeichneten Abkommen, nach dem die Katholische Kirche Perus volle Unabhängigkeit, Autonomie und rechtliche Anerkennung genießt. In dem Konkordat sind auch die Subventionen und Steuerbefreiungen für die Katholische Kirche festgesetzt.
Gemäß Artikel 50 der Verfassung respektiert der peruanische Staat auch „andere Konfessionen und kann Kooperationen mit ihnen eingehen“.
Der Religionsunterricht in Peru erfolgt gemäß Artikel 14 „im Einklang mit der Gewissensfreiheit“. Unterricht im Allgemeinen hat laut Gesetz „im Einklang mit den verfassungsmäßigen Grundsätzen“ zu erfolgen.
In Gesetz Nr. 29.635 über die Religionsfreiheit werden einige dieser verfassungsmäßigen Garantien bekräftigt und erläutert. Es gibt ein Grundrecht auf Religionsfreiheit. Dies schließt nach Artikel 1 das Recht ein, den eigenen Glauben öffentlich oder privat auszuüben, sofern damit nicht das Recht anderer verletzt wird.
Artikel 2 verbietet die Diskriminierung aus religiösen Gründen und erkennt die Vielfalt religiöser Institutionen an.
Gemäß Artikel 3 umfasst die Religionsfreiheit das freie Bekenntnis zu den gewählten religiösen Überzeugungen, die Änderung oder Aufgabe der Überzeugungen zu jeder Zeit, ihre individuelle oder kollektive Ausübung in der Öffentlichkeit und im Privaten, die Feier von Gottesdiensten, die Inanspruchnahme von religiösem Beistand, die Wahl des Religions- oder Ethikunterrichts in Einklang mit den eigenen Überzeugungen, öffentliche Äußerungen zu religiösen Themen und die Teilnahme an religiösen Feierlichkeiten und Ruhetagen, die in der eigenen Religion als heilig gelten.
Auch das Leisten eines Eides nach den eigenen Überzeugungen oder das Unterlassen eines solchen sowie die Bestattung gemäß den Traditionen und Riten der eigenen Religion gehören gemäß Artikel 3 zur Religionsfreiheit.
Artikel 4 erkennt das Recht auf Kriegsdienstverweigerung an.
Nach Artikel 6 genießen religiöse Einrichtungen zivilrechtliche Anerkennung und haben das Recht, eigene Geistliche zu ernennen, ihren Glauben zu verbreiten und Stiftungen und Vereinigungen für religiöse, soziale und Bildungszwecke zu gründen.
Artikel 8 verpflichtet die Bildungseinrichtungen, das Recht der Schüler, sich vom Religionsunterricht befreien zu lassen, zu respektieren.
Glaubensgemeinschaften, die im Justizministerium registriert sind, werden nach Artikel 13 als juristische Personen des Privatrechts behandelt und haben den Status gemeinnütziger Organisationen inne. Die Registrierung ist freiwillig.
Die Verordnung zur Umsetzung des Gesetzes Nr. 29.635 über die Religionsfreiheit wurde im Juli 2021 dahingehend geändert, dass die für die Registrierung religiöser Organisationen erforderliche Mindestanzahl von 500 Mitgliedern abgeschafft wurde.
Im Mai 2022 wurde das Gesetz Nr. 31.498 über die Qualität von Bildungsmaterialien und -ressourcen in Peru erlassen, das eine Beteiligung der Eltern an der Entwicklung von Bildungsmaterialien und -ressourcen vorsieht (Artikel 3). Einer der Grundsätze des neuen Gesetzes ist die „uneingeschränkte Achtung der Religionsfreiheit oder der moralischen Überzeugungen der Schüler und ihrer Eltern“ (Artikel 2).
Im Juni 2022 wurde dem peruanischen Kongress ein Gesetzesentwurf zur Änderung des Gesetzes über die Religionsfreiheit vorgelegt, mit dem die Vorteile für die Katholische Kirche und andere vom Staat anerkannte Konfessionen ausgeweitet werden sollten.
Vorfälle und Entwicklungen
Im August 2021 berichtete der Generalsekretär der Caritas in Peru, Pater Omar Sánchez, dass er Morddrohungen in Form von Briefen erhalten habe, die Kugeln mit seinem Namen enthielten. Omar hatte bereits am 25. Mai Morddrohungen erhalten, nachdem er während einer Messe – zwei Wochen vor dem zweiten Wahlgang in Peru – erklärt hatte, der Kommunismus sei ein Feind der Kirche.
Brachte Premierminister Aníbal Torres noch im Januar 2022 seine Wertschätzung für die religiösen Traditionen des Landes zum Ausdruck, beleidigte er im darauffolgenden April Kardinal Pedro Barreto. Sowohl die Katholische Bischofskonferenz von Peru als auch der Nationale Evangelische Rat von Peru verurteilten die Aussagen von Premierminister Torres.
Im März 2022 schilderte Pater Andrés Cantos, der eine Schule für arme Kinder baut, öffentlich, wie er Opfer einer Erpressung durch die Baumafia geworden war.
Im Juli 2022 griff ein evangelikaler Christ das Bild der Santa Rosa de Lima in der katholischen Gemeinde Santa Rosa del Callao an.
Im Berichtszeitraum gab es mehrere Treffen zwischen Regierungs- und Kirchenvertretern. Beispiele hierfür sind das vom Interreligiösen Rat von Peru abgehaltene Friedensgebet und die Erntedankfeierlichkeiten, die von Evangelikalen Vereinigungen organisiert wurden.
Die Regierung ihrerseits ehrte Erzbischof Héctor Cabrejo, den Vorsitzenden der Katholischen Bischofskonferenz von Peru, und Kardinal Pedro Barreto. Im Juni 2022 bat der peruanische Präsident Pedro Castillo die Katholische Kirche, in einem Bergbaukonflikt zu vermitteln.
Staatliche Behörden machten sich in Peru für eine Förderung der Religionsfreiheit stark. So organisierte das Justizministerium anlässlich des zehnten Jahrestages des Gesetzes Nr. 29.635 eine Konferenz und veröffentlichte einen Bericht sowie ein Buch über Religionsfreiheit in Peru und anderen Ländern.
Im Rahmen der gemeinsamen Anstrengungen zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie unterzeichneten die Region San Martín und die Caritas im März 2022 eine Vereinbarung über die Impfung indigener Gemeinschaften. Im April bat das Gesundheitsministerium die Kirchen um ihre Mitarbeit bei der Förderung der Impfkampagne.
Die Katholische Kirche hat sich in Peru öffentlich zu einer Reihe von Themen geäußert. So riefen die Bischöfe die Wähler im Mai 2021 dazu auf, bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen verantwortungsbewusst zu handeln.27 Im Januar 2022 organisierte die Bischofskonferenz eine Tagung über den Beitrag der Kirche zur Zweihundertjahrfeier in Peru.28 Im März 2022 sprachen sich die Bischöfe gegen die Straffreistellung von Schwangerschaftsabbrüchen im Falle von Vergewaltigungen aus.29 Im August schließlich sprach sich das Episkopat gegen einen Gesetzesentwurf aus, der die Einführung eines „Tages der Verschwundenen“ für denselben Tag vorsah, an dem auch die Feierlichkeiten der Heiligen Rosa von Lima stattfinden. Den Bischöfen zufolge würde die Einführung eines solchen Feiertags das religiöse Fest beeinträchtigen.30
In Peru gibt es seit mehreren Jahren politische Unruhen, die auch im Berichtszeitraum anhielten. Aufgrund der galoppierenden Inflation kam es im April 2022 zu Unruhen und einem Generalstreik.31 Die Bischöfe riefen zu verantwortungsvollem Handeln und Stabilität auf.32 Außerdem verurteilten sie die von der Regierung verhängte Ausgangssperre.33 Im August 2022 boten die Bischöfe an, bei der Lösung der Krise zu vermitteln.34
Nach dem Tod von Abimael Guzmán, dem Anführer der maoistischen Bewegung „Leuchtender Pfad“, im September 2021 lehnte das Oberste Gericht des Gerichtsbezirks Callao einen Antrag ab, ihn gemäß seinen religiösen Überzeugungen zu bestatten.35
Im Mai 2021 erklärte das Verfassungsgericht im Anschluss an eine 2012 eingereichte Klage eine Vorschrift für verfassungswidrig, nach der religiöse Organisationen eine bestimmte Anzahl von Mitgliedern haben müssen, bevor sie sich registrieren lassen können. Diese Erklärung ging einer Änderung der Verordnungen gemäß Gesetz Nr. 29.635 über die Religionsfreiheit voraus.36
Im Juni 2021 veröffentlichte das Bildungsministerium Leitlinien für eine umfassende Sexualerziehung. In dem Handbuch werden traditionelle Geschlechterklassifizierungen in Frage gestellt.37 Gegen die Leitlinien wurde eine Petition organisiert, in der argumentiert wurde, dass die Leitlinien das Recht der Eltern auf Erziehung ihrer Kinder verletzten.38 Im August 2022 legte die Regierung verpflichtende Gender-Schulungen für alle Staatsbediensteten fest.39
Perspektiven für die Religionsfreiheit
Die Situation mit Blick auf die Religionsfreiheit blieb in Peru im Berichtszeitraum relativ unverändert. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Drohungen gegen einige Geistliche religiös motiviert waren. Vielmehr wenden sich die Behörden in dem Land, das eine tiefe politische Krise erlebt, zur Schlichtung von Konflikten zunehmend an die Katholische Kirche, was den Diskussionen über Grundsätze und Werte jedoch keinen Abbruch tut. In Anbetracht der aktuellen Situation sind die Aussichten für die Religionsfreiheit weiterhin als positiv zu bewerten.