Gesetzeslage zur Religionsfreiheit und deren faktische Anwendung
Die Verfassung von Paraguay beruft sich in ihrer Präambel auf Gott und bekräftigt die Grundsätze einer „pluralistischen Demokratie“.
Laut Artikel 24 werden die „Religionsfreiheit, die Kultusfreiheit und die ideologische Freiheit ohne Einschränkungen anerkannt, insofern dies mit der Verfassung und den Gesetzen vereinbar ist“. Des Weiteren sieht Artikel 24 vor, dass kein „religiöser Glaube offiziellen Charakter hat“ und „die Beziehungen zwischen dem Staat und der Katholischen Kirche von Unabhängigkeit, Kooperation und Autonomie geprägt sind“.
Artikel 24 garantiert ferner „die Unabhängigkeit und Autonomie der Kirchen und Glaubensrichtungen“, die mit Ausnahme der gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen gelten. Außerdem wird darin festgelegt, dass „niemand aufgrund seines Glaubens oder seiner Ideologie bedrängt, befragt oder zu Zeugenaussagen gezwungen werden darf“.
In Artikel 37 wird „das Recht zur Kriegsdienstverweigerung aus ethischen oder religiösen Gründen in den rechtlich und verfassungsrechtlich erlaubten Fällen anerkannt“. Bei einer Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen ist ein Zivildienst in Hilfseinrichtungen im Sinne des Gesetzes 4013 von 2010 zu leisten. Mit diesem Gesetz wurde der Consejo Nacional de Objeción de Conciencia al Servicio Militar Obligatorio (Nationalrat zur Verweigerung des obligatorischen Kriegsdienstes aus Gewissensgründen) ins Leben gerufen.
Artikel 46 der Verfassung schreibt fest: „Alle Einwohner der Republik haben die gleiche Würde und die gleichen Rechte.“
In Artikel 63 wird das Recht der indigenen Völker, ihre ethnische Identität zu bewahren und zu entfalten, anerkannt und garantiert. Diese sind dem Artikel zufolge berechtigt, „sich politisch, sozial, wirtschaftlich, kulturell und religiös frei zu organisieren“. Artikel 64 sichert den indigenen Völkern zudem das Recht zu, ihr Land als Gemeinschaftseigentum zu verwalten.
Das „Recht auf religiöse Bildung“ und „ideologischen Pluralismus“ ist in Artikel 74 verankert.
In Artikel 82 „wird die vorherrschende Rolle der katholischen Kirche bei der Entwicklung der historischen und kulturellen Identität der Nation anerkannt“.
Gemäß Artikel 88 sind religiös motivierte Diskriminierungen am Arbeitsplatz untersagt.
Zu Paraguays Ministerium für Bildung und Wissenschaft gehört das Vizeministerium für Religion, das für die religiöse Bildung, die Registrierung von Religionsgemeinschaften und die Zertifizierung ausländischer Missionare rechtlich zuständig ist. Zudem überwacht das Vizeministerium die Einhaltung der Religionsfreiheit und des glaubensübergreifenden Dialogs.
Artikel 197 und Artikel 235 sehen vor, dass Geistliche weder für das Amt des Präsidenten oder Vizepräsidenten noch für das eines Senators oder Parlamentsabgeordneten kandidieren dürfen.
Im August 2021 verabschiedete der Kongress das „Veterinärgesetz“. Dieses enthält eine Bestimmung zur Verweigerung der Einschläferung von Tieren aus Gewissensgründen.
Vorfälle und aktuelle Entwicklungen
Im Untersuchungszeitraum sind zwei Geistliche eines gewaltsamen Todes gestorben. Im Mai 2021 wurde ein Pfarrer während einer Messe getötet. Hierbei handelte es sich augenscheinlich um einen Racheakt. Im Mai 2022 wurde ein Priester tot aufgefunden, der anscheinend Selbstmord begangen hatte.
Im Juni 2021 kamen das Fachsekretariat für Tourismus und andere öffentliche Stellen mit der Diözese von Villarica darin überein, einen auf religiösen Tourismus ausgerichteten „Glaubensweg“ einzurichten.
Im August 2021 reichten Anwohner eine Klage gegen eine Kirche wegen Lärmbelästigung ein. Die Anwohner gaben an, dass es bei ihrer Klage nicht um Fragen der Religionsfreiheit gehe.
Im Oktober 2021 sagte Jack Fleischman, ein Vertreter der jüdischen Gemeinden, dass Juden in Paraguay frei seien und keinen Anti-Semitismus erführen.
Im März 2022 führte das Bildungsministerium eine Untersuchung an der katholischen Schule Nuestra Señora del Huerto (Unserer Lieben Frau vom Garten) durch. Diese wurde durch Anschuldigungen ausgelöst, eine Schülerin sei aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert worden.
Im Juni 2022 verliehen zwei Kommunen Erzbischof Adalberto Martínez, dem ersten Kardinal in der Geschichte Paraguays, den Titel „Herausragender Bürger“.
Im selben Monat ordnete ein Richter eine Bluttransfusion für ein Kind an, dessen Eltern die Behandlung zuvor aus religiösen Gründen abgelehnt hatten. 2021 wies der Oberste Gerichtshof zwei Klagen von Zeugen Jehovas gegen Bluttransfusionen ab. Ein weiterer Fall wurde nach dem Tod der betroffenen Person eingestellt.
Im Juni 2022 wurde Paraguays Präsident Mario Abdo das Ziel von Spott in sozialen Medien, nachdem er auf einer Wahlveranstaltung Bibelverse zitiert hatte.
Der Nationale Plan für Bildungstransformation (PNTE 2030) sorgte für öffentliche Kontroversen. Im Juni 2022 sprach sich Pfarrer José Montero Tirado, seines Zeichens Pädagoge, gegen die Reform aus und argumentierte, sie verletze mehrere durch die Verfassung geschützte Rechte wie die Erziehungsrechte der Eltern und enthalte zudem Gender-Ideologie. Bischof Gabriel Escobar Ayala, zuständig für Bildungsarbeit der Paraguayischen Bischofskonferenz (CEP), sagte, dass Wahrheit und Kohärenz essenziell seien. Im Juli 2022 demonstrierten zivilgesellschaftliche und religiöse Gruppen gegen die PNTE 2030.
In Paraguay sind öffentliche – insbesondere katholische – Bekundungen von Religiosität nichts Ungewöhnliches. Im September 2021 versammelten sich katholische Gläubige, um die Reliquien Chiquitungas, die erste seliggesprochene Person Paraguays, zu empfangen. Im Dezember wurde die Jungfrau von Caacupé, die Schutzpatronin des Landes, gefeiert. Im April 2022 wurden die Feierlichkeiten der Karwoche zum ersten Mal seit der COVID-Pandemie wieder aufgenommen. Im Mai unternahm die Bewegung „Rosenkranz der tapferen Männer“ eine Pilgerreise nach Ñemby.
Im Februar 2022 bat das Ministerium für Religionsangelegenheiten religiöse und philosophische Gruppen, sich zu registrieren, und warnte davor, dass eine Nichtregistrierung Bußgelder mit sich bringen könnte.
Katholische Bischöfe beteiligen sich an öffentlichen Debatten. Im Mai 2021 forderte der Ständige Bischofsrat des CEP die Menschen auf, sich impfen zu lassen, da dies eine „moralische Pflicht“ sei. Im Dezember desselben Jahres äußerten sie ihre Besorgnis aufgrund von Zwangsräumungen von indigenen und landwirtschaftlichen Gemeinschaften. Bischof Ricardo Valenzuela verurteilte Korruption. Im April 2022 wies Erzbischof Adalberto Martínez angesichts der anhaltenden Proteste wegen gesellschaftlicher Unzufriedenheit darauf hin, dass der Dialog das beste Mittel sei, um Probleme zu lösen. Diese Aussage wiederholte er bei einem Treffen mit verschiedenen religiösen und nicht-religiösen Gruppen. Im Juli 2022 forderte Erzbischof Martínez Politiker auf, die Institutionen des Landes zu respektieren und auf Gewalt zu verzichten.
Perspektiven für die Religionsfreiheit
Im Untersuchungszeitraum gab es keinerlei Berichte über nennenswerte Fälle von religiös motivierter Intoleranz oder Diskriminierung.
Religiöse Gruppen werden respektiert und können ihre Überzeugungen frei ausdrücken. Die Diskussionen um den Bildungsplan sind jedoch eine Herausforderung, welche Auswirkungen auf die Religionsfreiheit und damit verbundene Rechte haben könnte. Zum aktuellen Zeitpunkt bleiben die Aussichten für dieses Menschenrecht positiv.