Gesetzeslage zur Religionsfreiheit und deren faktische Anwendung
Die Verfassung der Demokratischen Republik Timor-Leste (Osttimor) orientiert sich an der Verfassung Portugals. In ihr sind die Gewissens-, die Religions- und die Kultusfreiheit sowie die Trennung von Kirche und Staat verankert. In der Verfassungspräambel bekräftigt der Staat seine Entschlossenheit, „alle Formen von Tyrannei, Unterdrückung, sozialer, kultureller oder religiöser Vorherrschaft und Segregation zu bekämpfen, die nationale Unabhängigkeit zu verteidigen sowie die Menschenrechte und Grundrechte der Bürger zu achten und zu garantieren“.
Artikel 12, Absatz 1 der Verfassung legt fest: „Der Staat erkennt die verschiedenen Glaubensrichtungen an und respektiert diese. Die Glaubensgemeinschaften können ihre Tätigkeit unter Einhaltung der Verfassung und der geltenden Gesetze frei organisieren und ausüben.“ In Absatz 2 heißt es weiter: „Der Staat fördert die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Glaubensrichtungen, die zum Wohlergehen des Volkes von Osttimor beitragen.“ Artikel 16, Absatz 2 sieht vor, dass niemand aufgrund seiner Religionszugehörigkeit diskriminiert werden darf.
Das Strafgesetzbuch von Timor-Leste spiegelt diese verfassungsrechtlichen Bestimmungen wider. So bezeichnet Artikel 124 die „Verfolgung von bestimmten Gruppen und Gemeinschaften aufgrund von Politik, Ethnie, Nationalität, Kultur, Religion, Geschlecht oder sonstigen nach dem Völkerrecht inakzeptablen Gründen im Sinne eines völkerrechtswidrigen Entzugs von Grundrechten“ als Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Timor-Leste und die Philippinen sind die einzigen beiden asiatischen Länder mit einer mehrheitlich katholischen Bevölkerung. Obwohl es keine offizielle Staatsreligion gibt, genießt die Katholische Kirche weitreichende Autonomie im Land und kann zum Beispiel eigene Schulen gründen und betreiben. Außerdem kann die Katholische Kirche Steuervorteile in Anspruch nehmen. Die meisten Bildungseinrichtungen in Timor-Leste sind staatlich geführt, und Religion ist ein Wahlfach, außer an katholischen Privatschulen.
Vorkommnisse und aktuelle Entwicklungen
Religiösen Minderheiten zufolge wird bei Behördengängen eine gewisse religiöse Intoleranz wahrgenommen. Diese werde insbesondere bei der Registrierung von Geburts- und Heiratsurkunden festgestellt. Ebenso erlebten Muslime, die sich um Stellen im öffentlichen Dienst bewarben, Fälle von Diskriminierung.
Im September 2021 unterzeichnete die neu gegründete religionsübergreifende Organisation Asosiasaun Turizmu Relijiouzu Timor-Leste (ATR-TL), die sich für Religionstourismus einsetzt, eine Vereinbarung mit Timor-Lestes Amt zur Förderung der Zivilgesellschaft. Darin sind Zuschüsse in Höhe von 110.000 US-Dollar für eine landesweite Umfrage über Religionstourismus und für die Ausbildung junger Menschen als Reiseleiter und im Gastgewerbe vorgesehen. Darüber hinaus bewilligte das Amt Fördergelder in Höhe von 250.000 US-Dollar für die Aktivitäten der muslimischen Gemeinschaft. Auch verschiedene protestantische Kirchen konnten von staatlichen Förderungen profitieren, die sich insgesamt auf 237.000 US-Dollar beliefen.
Am 19. April 2022 setzte sich José Ramos-Horta bei den Präsidentschaftswahlen in Timor-Leste erfolgreich gegen den Amtsinhaber Francisco Guterres durch. Ramos-Horta ist ein allseits anerkannter Staatsmann und war in der Vergangenheit als Außenminister (2002–2006), Premierminister (2006–2007) und Präsident (2008–2012) des Landes tätig. Gemeinsam mit dem römisch-katholischen Bischof Ximenes Belo erhielt Ramos-Horta 1996 im Zuge der Unabhängigkeitsbestrebungen des Landes den Friedensnobelpreis. Damit wurde „die Mitwirkung der beiden an einer gerechten und friedlichen Lösung für die Konflikte in Osttimor“ gewürdigt, was zur Unabhängigkeit des Landes von der indonesischen Herrschaft beitrug. Die diplomatische Mission des Heiligen Stuhls in Timor-Leste äußerte sich positiv zu den „friedlichen und demokratischen“ Präsidentschaftswahlen, die den Weg für eine reibungslose Amtsübernahme durch Ramos-Horta ebneten. Der Heilige Stuhl brachte zudem seine Hoffnung zum Ausdruck, dass die Beziehungen zu Timor-Leste auch in Zukunft konstruktiv und freundschaftlich sein würden.
Der neu gewählte Präsident von Timor-Leste sicherte zu, den Frieden und die Demokratie im Land zu wahren. Er unterstrich dabei „seine Verpflichtung, alle Teile der Gesellschaft, und damit auch sexuelle Minderheiten, unabhängig von ihren Anschauungen und religiösen Überzeugungen zu schützen“.
Am 12. Mai 2022 erkannte Timor-Leste als erstes Land weltweit das „Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt“ offiziell an. Das sogenannte Abu-Dhabi-Abkommen wurde von Papst Franziskus und Scheich Ahmed Mohamed el-Tayeb, dem Scheich der Azhar, im Februar 2019 geschlossen. Mit ihm sollen Respekt unter Muslimen und Christen und ihr friedliches Miteinander gefördert werden. Präsident Ramos-Horta stellte sich öffentlich hinter die Entscheidung des Nationalparlaments, die Inhalte der Vereinbarung in den schulischen Lehrplan des Landes aufzunehmen. Dies trägt seiner Meinung nach dazu bei, dass Kindern Wissen über „Religion, Herkunft, soziale Schichten und politische Toleranz in der Gesellschaft“ vermittelt wird.
Perspektiven für die Religionsfreiheit
Im Allgemeinen wird die Religionsfreiheit in Timor-Leste in hohem Maße geachtet. Es gibt keine Hinweise dafür, dass sich diese Situation in naher Zukunft grundlegend ändern wird.