Gesetzeslage zur Religionsfreiheit und deren faktische Anwendung
Das Sultanat Oman liegt am Golf von Oman und am Indischen Ozean. Vonseiten der Regierung werden keine Zahlen zu Religionsgruppen veröffentlicht, aber dem Al-Mesba-Studies-and-Center-Bericht zufolge machen sunnitische Muslime fast 50 % der Bevölkerung aus. 45 % sind Ibadi-Muslime, darunter auch die regierende Dynastie. Die Ibaditen gehören weder zu den Sunniten noch zu den Schiiten, sondern stammen von einer frühen Strömung des Islam ab. Schiiten, Hindus und Christen machen 5 % der Gesamtbevölkerung aus. Es gibt einige wenige eingebürgerte christliche und hinduistische Familien. Bereits seit Jahrhunderten leben Hindus in Oman, die sich ursprünglich in Maskat angesiedelt hatten.
Etwa zwei Drittel der Bevölkerung sind omanische Staatsbürger, gut 30 % hingegen besitzen nicht die omanische Staatsbürgerschaft. Der Großteil davon sind ausländische Arbeitskräfte, darunter Christen, Hindus, Buddhisten und Sikhs. Sie gehören unter anderem dem Islam, Buddhismus, Sikhismus, Bahaismus und Christentum an.
Unter den nicht muslimischen Gruppen erkennt das Ministry of Endowment and Religious Affairs – MERA (Ministerium für Stiftungswesen und Religiöse Angelegenheiten) folgende Religionsgemeinschaften an: die Katholische Kirche, die Evangelische Kirche, eine Partnerschaft zwischen der Reformierten Kirche in den USA und der Anglikanischen Kirche, das Al-Amana-Zentrum (eine evangelische Organisation, die den Dialog und das gegenseitige Lernen zwischen Moslems und Christen fördert), den Hindu-Mahajan-Tempel sowie das Anwar-Al-Ghubaira- Handelsunternehmen in Maskat (Sikh). Jede religiöse Organisation ist dafür verantwortlich, dem MERA die Glaubensvorstellungen der Gruppe sowie die Namen der Oberhäupter zukommen zu lassen. Für die Neugründung von muslimischen Gruppen muss das MERA eine Genehmigung erteilen.
In Oman gibt es vier katholische Gemeinden im Zuständigkeitsbereich des Apostolic Vicariate of Southern Arabia – AVOSA (Apostolisches Vikariat Südliches Arabien). Nach Angaben der Kirche beläuft sich die Zahl der Katholiken auf etwa 55 000.
Artikel 1 der Verfassung von 1996, die 2011 novelliert wurde, besagt: „Das Sultanat Oman ist ein arabischer, islamischer, unabhängiger Staat mit voller Souveränität“. Artikel 2 erklärt: „Die Staatsreligion ist der Islam und die islamische Scharia dient als Grundlage der Gesetzgebung.“ In Artikel 28 heißt es: „Die Freiheit, religiöse Riten gemäß den anerkannten Gebräuchen zu praktizieren, wird unter der Voraussetzung anerkannt, dass diese nicht die öffentliche Ordnung verletzt oder gegen die guten Sitten verstößt.”
Im Oman gibt es kein Gesetz, das Apostasie vom Islam unter Strafe stellt. Dennoch verliert ein Vater, der vom Islam konvertiert, seine Vaterschaftsrechte gegenüber seinen Kindern.
Obwohl es keine Scharia-Gerichte gibt, sind die Grundsätze der Scharia Teil des Zivil-, Handels- und Strafrechts. Rechtsverfahren werden von Zivilgerichten in Übereinstimmung mit dem religionsungebundenen Zivilrecht entschieden. Laut Gesetz dürfen schiitische Muslime Familien- und Personenstandsangelegenheiten nach schiitischer Rechtsprechung außergerichtlich regeln. Sie haben das Recht, sich an Zivilgerichte zu wenden, wenn keine Lösung gemäß der schiitischen Tradition gefunden werden kann. Nichtmuslimen ist es gestattet, Familien- oder personenstandsrechtliche Streitigkeiten nach dem Zivilrecht oder aber nach den religiösen Regeln ihres Glaubens zu lösen.
Seit Januar 2020 regiert Sultan Haitham bin Tarik Al Said das Sultanat Oman. Obwohl Ministerien und das Zweikammerparlament Majilis Oman Gesetzesentwürfe zu nicht sicherheitsrelevanten Themen entwerfen und die Bürger über die gewählten Vertreter Einfluss nehmen können, hat der Sultan letztlich das Recht, Gesetze durch königliche Dekrete zu erlassen.
Im Januar 2018 trat ein neues Strafgesetzbuch in Kraft. Dieses sieht härtere Strafen für „die Verunglimpfung des Koran“ und „die Beleidigung des Islam oder einer anderen [Abrahamitischen] Religion“ vor. Die Höchststrafe wurde gemäß Artikel 269 von drei auf zehn Jahre Haft angehoben. Für diejenigen, die ohne vorherige Genehmigung „eine Gruppe gründen, finanzieren [oder] organisieren… mit dem Ziel, den Islam zu unterminieren… oder andere Religionen zu propagieren”, kann die Strafe bis zu sieben Jahre Haft betragen. Die Höchststrafe für das „Abhalten einer Versammlung außerhalb der staatlich genehmigten Plätze zur Förderung einer anderen Religion“ beträgt drei Jahre Gefängnis.
Das neue Strafgesetz erwähnt keine anderen Glaubensrichtungen. Es kriminalisiert jedoch die Nutzung des Internets, das „die öffentliche Ordnung oder die religiösen Werte gefährden kann“ und verhängt in diesem Fall eine „Gefängnisstrafe von einem Monat bis zu einem Jahr sowie eine Geldstrafe von mindestens 1.000 omanischen Rial (etwa 2.500 EUR)“.
Die Scharia (Islamisches Recht) greift in Fällen von Erbrecht und Eheschließung mit Nichtmuslimen (Gesetz 32 zum Familienstand aus dem Jahr 1997).
Imame benötigen eine Lizenz und müssen sich an die Predigten halten, die von der Regierung vorgegeben werden. Obwohl öffentliches Missionieren verboten ist, werden bestimmte „Islam-Verbreitungszentren“ von der Regierung akzeptiert. Nicht muslimische Gruppen dürfen ihre Religion im Einklang mit ihren Werten, Bräuchen und Traditionen uneingeschränkt ausüben. Jedoch ausschließlich an Orten, die „vom Sultan eigens für den Zweck der gemeinschaftlichen Religionsausübung“ bereitgestellt wurden. Religiöse Versammlungen sind nur in staatlich genehmigten und in privaten Gebetsstätten erlaubt. Nicht muslimische Gruppen haben mit Blick auf die Überfüllung ihrer Räumlichkeiten um mehr Platz gebeten.
Das Grundgesetz des Staates (auch bekannt als Grundstatut des Staates), das durch den königlichen Erlass Nr. 6/2021 eingeführt wurde, sieht vor, dass der Erbe des Sultans ein gesunder Muslim sein muss, rechtmäßiger Sohn muslimischer omanischer Eltern.
Vorkommnisse und aktuelle Entwicklungen
Im Rahmen nationaler Bemühungen, auf Vertreter nicht muslimischer Glaubensgruppen zuzugehen, nahm der Chief of Global Affairs (Vorsitzender für globale Angelegenheiten) im November 2020 an einem virtuellen Treffen mit Vertretern des American Jewish Committee – AJC (Amerikanisch Jüdischer Ausschuss) teil. Ein ähnliches Treffen fand im Jahr 2021 statt.
Am 10. Mai 2021 verurteilte der staatlich ernannte Großmufti Sheikh Ahmad bin Hamad Al-Khalili die Zusammenstöße zwischen israelischen Sicherheitskräften und palästinensischen Demonstranten an der Al-Aqsa-Moschee als „Versuch, die Moschee zu beschmutzen“, und zwar „von den Feinden Gottes, den Verderbern“. Er nannte die „schmutzige“ und „schändliche“ Besetzung ein „unverhohlenes Komplott gegen den Islam“.
Zwischen 24. Juli und 2. August 2021 wurden im sogenannten „#Ghaith_spaces“-Fall mehrere junge omanische Social-Media-Aktivisten festgenommen, weil sie sich in privaten Online-Gesprächen zur Gedanken- und Religionsfreiheit sowie zum Atheismus geäußert hatten. Die Anklage gegen Ghaith Al-Shibli, Ali Al-Ghafri, Maryam Al-Nuaimi und Abdullah Hassan lautete unter anderem auf Blasphemie und unsachgemäßer Nutzung von Technologien (siehe unten). Im Oktober 2021 wurden die vier gegen Kaution entlassen. Das Verfahren war zu dem Zeitpunkt noch anhängig.
Das MERA erteilte der Evangelischen Kirche in Oman die informelle Erlaubnis, Gottesdienste religiöser Organisationen ohne eigene Gebetsstätten zu beherbergen. Zudem wurde der Botschaft Sri Lankas erlaubt, buddhistische Gottesdienste und Rituale auf dem Botschaftsgelände zu organisieren. Des Weiteren verkündeten führende Vertreter der christlichen Gemeinden und dem MERA den gemeinsamen Bau eines zweiten christlichen Friedhofs, da der erste bereits an seine Kapazitätsgrenzen stößt.
Das MERA veranstaltet jedes Jahr am 16. und 17. November Veranstaltungen zum UNESCO International Day for Tolerance (Internationaler Tag der Toleranz der UNESCO).
Nach Angaben von führenden Vertretern der religiösen Minderheiten des Landes sammelte die Königliche Polizei Omans Informationen über die Religionszugehörigkeit von Ausländern, die Arbeitsvisa beantragten.
Am 25. März 2022 feierte Bischof Paul Hinder, der frühere Apostolische Vikar des Apostolischen Vikariats Südliches Arabien, in der Pfarrei St. Peter und Paul in Maskat die erste Priesterweihe in der Geschichte der Ortskirche. Der lokal berufene Dickson Eugene wurde in Bengaluru (Indien) geboren und ist im Oman aufgewachsen.
Am 27. Mai feierte der griechisch-orthodoxe Patriarch von Antiochien, Yohanna X Yazigi, die erste Liturgie in einer neuen, dem heiligen Märtyrer Arethas gewidmeten Kirche in Maskat. Auch der Minister of Endowments and Religious Affairs (Minister für Stiftungen und religiöse Angelegenheiten), Sheikh Abdullah bin Muhammad bin Abdullah Al-Salmi, nahm daran teil. Der verstorbenen Sultan Quabus bin Said al Said hatte der Kirche das Grundstück zur Verfügung gestellt.
Im Juni verurteilten Muslime die Aussagen zweier indischer BJP-Politiker über den Propheten Mohammed. Der Großmufti und damit das religiöse Oberhaupt von Oman, Sheikh Ahmad bin Hamad Al-Khalili, erklärte, Nupur Sharmas Aussagen seien „ein Krieg gegen alle Muslime“ und eine Angelegenheit, die „alle Muslime dazu aufruft, sich als eine Nation zu erheben“.
Wie bereits erwähnt, wurden die Aktivisten Al-Shibli, Hassan, Al-Nuaimi und Al-Ghafri im Juli bis August 2021 im sogenannten „#Ghaith_spaces“-Fall festgenommen. Ihre Mobiltelefone wurden beschlagnahmt, ihre Twitter-Konten deaktiviert. Am 7. Juni 2022 sprach das Gericht Ghaith Al-Shibli wegen mangelnder Zurechnungsfähigkeit von allen Anklagepunkten frei. Maryam Al-Nuaimi und Ali Al-Ghafri wurden jedoch zu drei beziehungsweise fünf Jahren Haft verurteilt. Der Fall von Abdullah Hassan wurde an ein Spezialgericht verwiesen.
Al-Shibli war zuvor wegen „Beschimpfung und Beleidigung Gottes“ und „Nutzung des Internets zur Anstiftung und Verleitung“ angeklagt worden. Grund dafür war ein früherer Tweet gewesen, in dem er der Regierung Korruption vorgeworfen hatte. Auch eine kleine Anspielung auf den Propheten Noah wurde von der Staatsanwaltschaft gegen ihn verwendet.
Online-Aktivisten verurteilten die Gerichtsentscheidung und forderten unter dem Aufruf #Freedom_for_prisoners_of_conscience die Freilassung der Angeklagten. Andere äußerten die Befürchtung, dass die Verurteilung einen gefährlichen Präzedenzfall im Sultanat darstellen könnte. Nach Angaben des Omani Centre for Human Rights – OCHR (Omanisches Zentrum für Menschenrechte) basierten die Beweise, die zur Verurteilung herangezogen wurden, auf der Internetkommunikation und privaten Informationen der Angeklagten, was eine Verletzung ihrer Privatsphäre darstelle.
Myriam Al-Nuaimi wurde wegen „Beleidigung monotheistischer Religionen“ angeklagt. Ihr war vorgeworfen worden, in WhatsApp-Nachrichten verbreitet zu haben, dass „Religionen patriarchalisch sind“. Frauenrechtsorganisationen organisierten eine Kampagne, in der sie die Freilassung Al-Nuaimis forderten. Sie berichteten zudem, dass die Angeklagte in Einzelhaft sitze, was eine Gefährdung ihrer geistigen und körperlichen Gesundheit darstellte. Al-Ghafiri wurde nach Angaben des Gulf Centre for Human Rights (GCHR) wegen „Beschimpfung und Beleidigung Gottes“ verurteilt.
Menschenrechtsorganisationen prangerten die Verurteilung der Aktivisten an und forderten die Aufhebung der Urteile sowie ein Ende der Verfolgung von Online-Aktivisten. Sie forderten zudem die Aufhebung aller anderen freiheits- und menschenrechtseinschränkenden Gesetze, einschließlich Artikel 269 des omanischen Strafgesetzbuchs.
Amnesty International zufolge ist die Meinungsfreiheit im Sultanat Oman nach wie vor eingeschränkt. So wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Aktivisten wegen angeblicher Regierungskritik inhaftiert. Ein Beispiel dafür ist die Absetzung der Radiosendung „All Questions“ im Dezember 2021, nachdem ein Mitglied des Shura-Rates die Führung des Rates während der Sendung kritisiert hatte.
Perspektiven für die Religionsfreiheit
Trotz der anhaltenden Spannungen, insbesondere der regionalen Konflikte zwischen Sunniten und Schiiten, ist der Oman weiterhin relativ neutral positioniert und hält sogar trotz des lokalen Drucks gute Beziehungen zum Iran.
Im Allgemeinen bemühen sich die Behörden um die Wahrung der Religionsfreiheit und versuchen zu gewährleisten, dass sich die Gläubigen zu Gottesdiensten, in Schulen, bei religiösen Veranstaltungen und zu liturgischen Feiern versammeln können. Zur Eröffnung einer neuen, dem heiligen Märtyrer Arethas gewidmeten Kirche betonte der griechisch-orthodoxe Patriarch von Antiochien, Yohanna X. Yazigi, „die Bedeutung des Sultanats für die Werte Toleranz, Harmonie und Eintracht, ein Ort, an dem sich jeder wie in seinem eigenen Land und inmitten seiner eigenen Familie fühlt“. Bischof Hinder, der emeritierte Apostolische Vikar, erklärte, die katholische Kirche im Oman sei eine „migrantische Realität, die aus indischen, philippinischen, europäischen, amerikanischen und afrikanischen Arbeitern besteht und in der der Geist der Gemeinschaft stark ist“. Die Gemeindemitglieder seien keine „Bürger des Omans", sondern Einwanderer, die „sich begegnen, die Eucharistie feiern und beten können und dabei von der Religionsfreiheit profitieren“.
Trotz dieser allgemeinen Toleranz gegenüber Glaubensgemeinschaften gibt es Tendenzen zu strengeren Einschränkungen der Meinungsfreiheit. Das könnte zu einer Beeinträchtigung anderer Menschenrechte, wie der Religionsfreiheit, führen. Trotzdem sind die Aussichten für die Religionsfreiheit weiterhin positiv.