Gesetzeslage zur Religionsfreiheit und deren faktische Anwendung
2019 wurde die Verfassung der Republik Nordmazedonien aus dem Jahr 1991 geändert, um der Namensänderung (vormals: Republik Mazedonien) Rechnung zu tragen. Sie garantiert die Gleichheit der Bürger unabhängig von ihren religiösen Überzeugungen. So sind in der Verfassung die Gewissens-, die Gedanken- und die Meinungsfreiheit (Art. 16) und die Freiheit des religiösen Bekenntnisses sowie das Recht, seinen Glauben frei und öffentlich zu bekunden (Art. 19), geschützt.
Die Förderung von religiösem Hass und Intoleranz oder die Aufhetzung dazu ist verboten (Art. 20). Die religiöse Identität von Gemeinschaften aller Nationalitäten ist geschützt (Art. 48). Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens, des Denkens und des religiösen Bekenntnisses darf nicht eingeschränkt werden (Art. 54). Für den Schutz der in der Verfassung verbrieften Rechte und Freiheiten ist das Verfassungsgericht zuständig (Art. 110).
Im Verfassungszusatz VII (1, 2) ist festgehalten, dass die Mazedonisch-Orthodoxe Kirche, die Islamische Religionsgemeinschaft in Mazedonien, die Katholische Kirche, die Evangelisch-Methodistische Kirche und die Jüdische Gemeinschaft sowie „andere Religionsgemeinschaften und -gruppen“ vom Staat getrennt und vor dem Gesetz gleich sind. Darüber hinaus ist dort vorgesehen, dass Religionsgemeinschaften eigene Bildungseinrichtungen sowie soziale und karitative Organisation gründen dürfen.
Steuerbefreiungen, staatliche Zuschüsse und die Gründung von Sekundarschulen sind registrierten Gemeinschaften vorbehalten; nach mazedonischem Recht dürfen Religionsgemeinschaften keine Grundschulen betreiben. Zur Registrierung muss die betreffende religiöse Vereinigung einen Antrag stellen und Informationen zu ihrer Gründung und ihrer tatsächlichen Präsenz im Land, eine Beschreibung ihrer grundlegenden religiösen Lehren, Staatsbürgerschaftsnachweise ihrer Gründer sowie Informationen zu Vermögenswerten und Finanzierungsquellen vorlegen. Im Falle einer Genehmigung erfolgt die Registrierung bei der „Kommission für die Beziehungen zu Religionsgemeinschaften und religiösen Gruppen“. Diese ordnet die religiöse Vereinigung anschließend einer von drei Kategorien zu: „Kirchen“, „Religionsgemeinschaften“ oder „religiöse Gruppen“. Bezüglich der rechtlichen Stellung der einzelnen Vereinigungen unterscheidet das Gesetz nicht zwischen den drei Kategorien.
Zur ersten Kategorie der Kirchen zählen 18 christliche Vereinigungen – sowohl traditionelle als auch neu gegründete. Außerdem wird Scientology dazu gezählt. In die zweite Kategorie der insgesamt neun Religionsgemeinschaften fallen unter anderem die Islamische Gemeinschaft, die Jüdische Gemeinschaft und die Zeugen Jehovas. In der dritten Kategorie der religiösen Gruppen sind insgesamt elf Vereinigungen registriert.
Religiöse Sekundarschulen unterliegen keiner Zertifizierung durch das Bildungsministerium. Ihre Schüler haben jedoch nicht die Möglichkeit, die staatliche Abiturprüfung abzulegen und sind somit auch von der Einschreibung an Universitäten ausgeschlossen. Sechstklässler müssen eines von zwei Schulfächern wählen, die das Thema Religion zum Inhalt haben. Alternativ können sie das Fach „Klassische Kultur in der Europäischen Zivilisation“ belegen.
Bürger Nordmazedoniens können Beschwerden über religiös motivierte Diskriminierung, Hassreden, die „Lautstärke von Gebeten“ oder Verstöße gegen das „Prinzip der Säkularität“ bei der Kommission für die Beziehungen zu Religionsgemeinschaften und religiösen Gruppen einreichen.
Ob Intoleranz und Diskriminierung mit der Religion oder mit der ethnischen Zugehörigkeit zusammenhängt, ist im Falle Nordmazedoniens oft schwierig auszumachen. Die orthodoxen Christen sind mehrheitlich ethnische Mazedonier, während die Muslime überwiegend ethnische Albaner sind. In der Hate Crime-Datenbank der OSZE, in der Meldungen zu Hassverbrechen erfasst werden, sind für das Jahr 2021/22 rassistisch oder fremdenfeindlich motivierte Straftaten verzeichnet, die von der Polizei dokumentiert wurden; 14 weitere Vorfälle wurden von anderen Quellen gemeldet. Ob bei einem oder mehrerer dieser Vorfälle die Religion der ausschlaggebende Faktor war, geht aus den Daten nicht hervor.
Im Juli 2022 nahm die Europäische Union die offiziellen Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien auf.
Vorfälle und aktuelle Entwicklungen
Berichten zufolge ist die Intoleranz gegenüber Muslimen zurückgegangen, äußert sich jedoch gelegentlich in Protesten gegen den Bau von Moscheen. Diskriminierung gab es im Berichtszeitraum allerdings gegenüber Frauen, die in der Öffentlichkeit den Hidschab tragen oder auch in den sozialen Netzwerken. So soll Petar Bogojeski, Vorsitzender der politischen Partei „Mazedonisches Konzept“, im Mai 2021 eine derartige Social Media-Kampagne initiiert haben.
Am 25. Februar 2021 wurde der Zaun einer fünf Jahrhunderte alten Moschee in Vinichani (Gemeinde Gradsko) mutwillig zerstört. Die Täter wurden nicht gefasst, sodass die Frage nach dem Motiv ungeklärt bleibt.
Im Jahr 2021 wurden drei christenfeindliche Vorfälle verzeichnet. Zwei davon (Vandalismus und Einbruch) betrafen orthodoxe Gebäude, ein weiterer die Schändung eines christlichen Friedhofs. Die beiden Männer, die für den Anschlag auf den Friedhof verantwortlich waren, zeichneten ihre Straftat auf und veröffentlichten das Material in den sozialen Medien. Orthodoxe Kirchen waren in mindestens 18 Fällen von Diebstahl oder Vandalismus betroffen, die jedoch nicht auf ein religiöses Motiv zurückzuführen waren.
Antisemitische Hassreden und Straftaten sind in Nordmazedonien selten, und im Berichtszeitraum gab es keine Meldungen aus öffentlichen Quellen zu nennenswerten Vorfällen.
Der Nordmazedonien-Bericht der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2022 hat in Bezug auf die Religionsfreiheit oder im Hinblick auf durch religiösen Hass motivierte Vorfälle keine besonderen Problembereiche identifiziert.
Ein wunder Punkt in dem Balkanstaat ist nach wie vor der interreligiöse Dialog. Am 18. Februar 2021 verurteilte die Islamische Religionsgemeinschaft in Mazedonien öffentlich die offizielle Registrierung der islamischen Salafi-Gemeinschaft durch die Regierung im Dezember 2020 mit der Begründung, dass dies der muslimischen Einheit abträglich sei. Außerdem behauptete sie, dass der Staat die Mazedonisch-Orthodoxe Kirche – Erzbistum Ohrid (MOK-EO) weiterhin begünstige. Die Gemeinschaft der Bektaschi in Tetovo hingegen warf der Islamischen Religionsgemeinschaft vor, sie zu schikanieren.
Kleinere religiöse Gruppen beschwerten sich darüber, dass die fünf in der Verfassung genannten Religionsgemeinschaften eine bessere Behandlung erführen als sie selbst.
Das Orthodoxe Erzbistum Ohrid wiederum brachte vor, dass seine Geistlichen und deren Familienmitglieder häufig Ziel von Medienattacken und von tätlichen Angriffen durch der MOK-EO nahestehende Personen seien. Im Jahr 2021 bestätigte das Berufungsgericht in Skopje das Urteil einer unteren Instanz, die einen Registrierungsantrag des Erzbistums Ohrid abschlägig beschieden hatte, da er außerhalb der gesetzlichen Frist eingereicht worden war.
Das Justizministerium und andere Ministerien haben eine Änderung des Religionsgesetzes von 2007 erörtert, um weiteren größeren Religionsgemeinschaften den Status einer ‚juristischen Person‘ zu ermöglichen. Eine Anhörung der Religionsgemeinschaften wurde jedoch vertagt. Im Jahr 2022 schlug das Justizministerium zusätzliche Kriterien vor, die künftig für die Registrierung zivilgesellschaftlicher Organisationen gelten sollen.
Im Bereich der Religionsfreiheit ergingen im Berichtszeitraum vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte keine Urteile gegen Nordmazedonien; auch wurden keine neuen Fälle vorgebracht.
Im Jahr 2018 stellte die Erste Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eine Verletzung der Vereinigungsfreiheit der Bektaschi-Gemeinschaft im Hinblick auf die in Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierte Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit fest; das nordmazedonische Kirchenregistrierungsgesetz von 2007 weise in dieser Hinsicht Mängel auf. Am 18. Mai 2021 entschied ein Zivilgericht in Skopje, dass die Gemeinschaft das Recht habe, ihren Registrierungsantrag erneut einzureichen. Bis dato hat sie dies allerdings offenbar nicht getan.
Perspektiven für die Religionsfreiheit
Nach mehreren Jahren der Instabilität hat Nordmazedonien von der Europäischen Union positive Rückmeldungen zu seinen Reformen erhalten; die Beitrittsverhandlungen haben mittlerweile begonnen. Der Balkanstaat verzeichnete relativ wenige Fälle von religiös motivierter Hasskriminalität, und auch die Intoleranz gegenüber Muslimen hat Berichten zufolge abgenommen. Allerdings ist der interreligiöse Dialog zwischen den verschiedenen Gemeinschaften im Land nach wie vor unzureichend. Ferner gibt die staatliche Begünstigung miteinander konkurrierender orthodoxer Erzbistümer Anlass zur Sorge. Insgesamt sind die Aussichten für die Religionsfreiheit jedoch positiv.