Gesetzeslage zur Religionsfreiheit und deren faktische Anwendung
Die Verfassung von Nicaragua beruft sich in ihrer Präambel auf das nicaraguanische Volk und unter anderem auf „jene Christen, die sich – inspiriert von ihrem Glauben an Gott – dem Kampf für die Befreiung der Unterdrückten angeschlossen und verpflichtet haben“.
Gemäß Artikel 4 obliegt es dem Staat, „die menschliche Entwicklung eines jeden Nicaraguaners im Sinne der christlichen Werte zu fördern“.
Laut Artikel 5 lehnt Nicaragua in seiner Außenpolitik „alle Formen politischer, militärischer, wirtschaftlicher, kultureller oder religiöser Aggression“ und daher auch die Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten ab.
Des Weiteren gehören die Anerkennung der indigenen Volksgruppen und der Nicaraguaner afrikanischer Abstammung sowie die Achtung der Menschenwürde und der christlichen Werte zu den Prinzipien der Nation (Artikel 5). Ein im August 2021 erlassenes Gesetz stellt es unter Strafe, Angehörige dieser Gruppen zu diskriminieren, und es bestärkt sie, sich auf Stellen im öffentlichen Sektor und in der Verwaltung zu bewerben.
Eine Staatsreligion gibt es in Nicaragua nicht (Artikel 14). Gemäß Artikel 27 sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich und niemand darf aus religiösen oder anderen Gründen diskriminiert werden.
Mitglieder des Klerus können nicht für das Präsidentenamt, das Vizepräsidentenamt oder für die Nationalversammlung kandidieren, es sei denn, sie legen ihr geistliches Amt mindestens zwölf Monate vor der Wahl nieder (Artikel 134).
In Artikel 29 heißt es: „Jeder hat das Recht auf Gewissens- und Gedankenfreiheit und darauf, sich zu einem Glauben zu bekennen oder keinen Glauben zu haben. Niemand darf Zwangsmaßnahmen unterzogen werden, die zu einer Einschränkung dieser Rechte führen, oder genötigt werden, sein Glaubensbekenntnis, seine Weltanschauung oder seine Überzeugungen zu offenbaren.“
Neben anderen gesellschaftlichen Gruppen haben auch Gläubige das Recht, Organisationen zu gründen, die der Verfolgung ihrer Interessen und Ziele dienen (Artikel 49). Artikel 69 besagt: „Jeder Mensch hat das Recht, seinen Glauben allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Ausübung und Lehre zu bekennen.“
Artikel 124 legt fest: „Das Bildungswesen in Nicaragua ist säkular. Der Staat gewährt aber privaten Bildungsstätten mit religiöser Ausrichtung das Recht, das Fach Religion außerhalb des regulären Lehrplans zu unterrichten.“
Den ethnischen Minderheiten an der Karibikküste wird ein hohes Maß an Autonomie zugesichert, damit sie sich entsprechend ihren eigenen historischen und kulturellen Traditionen entfalten können. Artikel 180 der Verfassung gewährt ihnen zudem das Recht, „ihre Kulturen und Sprachen, Religionen und Bräuche“ zu bewahren.
Die Position des Vorsitzenden des Diplomatischen Corps, die traditionell der Apostolische Nuntius innehatte, wurde im November 2021 abgeschafft.
Zur Regulierung und Kontrolle von gemeinnützigen Organisationen, zu denen auch religiöse Organisationen und Hilfsorganisationen zählen, wurden neue Rechtsvorschriften verabschiedet., In Kirchen und anderen Kultstätten ist politische Propaganda untersagt.
Nicaragua ist Unterzeichner des Pakts von San José (Costa Rica), in dem das Recht auf Gewissens- und Religionsfreiheit festgeschrieben ist (Artikel 12).
Vorfälle und aktuelle Entwicklungen
Das Verhältnis des Staates zur Kirche, insbesondere zur Katholischen Kirche, war im Berichtszeitraum von Spannungen und Anfeindungen geprägt, nachdem Kirchenvertreter während der Bürgerproteste im Jahr 2018 Menschenrechtsverletzungen und eine Untergrabung der Demokratie angeprangert hatten.
Im Juni 2021 und im Vorfeld der Wahlen vom 8. November 2021 rief die katholische Bischofskonferenz von Nicaragua (Conferencia Episcopal Nicaragüense, CEN) dazu auf, die für die bürgerlichen Freiheiten bestehenden Einschränkungen und die Verfolgung von Oppositionellen zu beenden.
Im Juli forderte die Erzdiözese Managua die Freilassung von Oppositionsführern, darunter sechs Präsidentschaftskandidaten, die wegen Vorwürfen des Hochverrats inhaftiert worden waren. Leopoldo Kardinal Brenes drängte auf freie Wahlen und warnte davor, dass junge Menschen aufgrund der politischen Krise das Land verlassen. Präsident Ortega beschimpfte die katholischen Kirchenvertreter als „Heuchler, Schwarzseher, Pharisäer“, die „Putschisten und Terroristen“ in Schutz nehmen.
Die Bürgermeisterin von Managua kritisierte im Juli 2021 die Entscheidung von Leopoldo Kardinal Brenes, die Prozession zum Fest Santo Domingo de Guzmán wegen der Covid-19-Pandemie ausfallen zu lassen, und kündigte an, die Feier mit einem anderen als dem üblichen Heiligenbildnis trotzdem stattfinden zu lassen.
Im Oktober beklagte sich die Kommission für Frieden und Gerechtigkeit der Erzdiözese Managua über die Politisierung der Covid-19-Pandemie. Zuvor hatten Ärzte und Freiwillige der Covid-19-Beobachtungsstelle politische Funktionäre kritisiert, „die das Recht auf eine Impfung von der politischen Gesinnung abhängig machen wollten“. Sie missbilligten zudem Parteipropaganda der Sandinistischen Nationalen Befreiungsfront FSLN von Präsident Ortega in der Umgebung von Impfzentren und Krankenhäusern.
Im November 2021 bot sich die Kirche zum wiederholten Mal als Vermittlerin zwischen Regierung und Opposition an, um dem Land aus der politischen Krise zu helfen, in der es seit 2018 steckt. Präsident Ortega lehnte das Angebot ebenso ab wie die Freilassung von politischen Gefangenen, die zur Entspannung des Verhältnisses zur Opposition beigetragen hätte.
Im Januar 2022 trat Präsident Daniel Ortega seine fünfte Amtszeit an. Die vorangegangene Wahl bezeichneten internationale Beobachter als „Farce“.
Am 5. Februar 2022 berichtete die Times of Israel, die jüdische Gemeinde in Nicaragua beobachte mit zunehmender Sorge die Einflussnahme des mit Israel verfeindeten Irans in Lateinamerika und insbesondere in Nicaragua.
Am 2. April 2022 übersandten der Präsident und seine Frau der Gemeinschaft der Muslime in Nicaragua Glückwünsche zum Beginn des Ramadan.
Im Mai 2022 veröffentlichte die Nationalversammlung, in der Ortegas Partei die Mehrheit hat, einen Bericht, in dem Bischöfen und Priestern die Beteiligung an einem Putschversuch vorgeworfen wurde. Die Abgeordneten verlangten die Strafverfolgung der Geistlichen, die 2018 die Demonstrationen unterstützt hatten, und die Beschlagnahme von Kirchenvermögen.
Von mehreren Priestern war zu hören, dass sie im Berichtszeitraum schikaniert worden seien. Im Mai 2022 beklagte der Geistliche Hervin Padilla die ständige Belagerung seiner Kirche in der Stadt Masaya durch Polizeikräfte und paramilitärische Kräfte. Mit Hilfe anderer Priester konnte er der gefängnisähnlichen Situation entkommen. Wie Pfarrer Padilla erklärte, sei er kein Einzelfall.
Im selben Monat beklagte der Bischof von Matagalpa, Rolando Álvarez, in den sozialen Medien die Verfolgung durch die sandinistische Polizei und kündigte an, in den Hungerstreik zu treten, bis die Polizei ihm garantiert, „seine Integrität und die seiner Familie zu respektieren“.
In Abstimmung mit der katholischen Bischofskonferenz von Nicaragua stellte sich die Diözese Matagalpa öffentlich an die Seite von Bischof Álvarez. Leopoldo Kardinal Brenes zeigte sich mit den Geistlichen, die von der Polizei verfolgt werden, solidarisch und sagte ihnen Unterstützung zu.
Schließlich verschafften sich Polizeikräfte am 19. August um 3 Uhr in der Nacht gewaltsam Zugang zum Amtssitz des Bischofs von Matagalpa. Bischof Álvarez sowie acht weitere Geistliche und Laien wurden wegen des Vorwurfs „destabilisierender und provozierender Aktivitäten“ verhaftet. Der Bischof wurde in seinem Elternhaus in Managua unter Hausarrest gestellt. Die übrigen Gefangenen wurden in das Gefängnis El Chipote gebracht, das als „Foltergefängnis“ berüchtigt ist.
Neben der katholischen Bischofskonferenz von Nicaragua und der Erzdiözese Managua erklärten sich auch das Bischöfliche Sekretariat für Zentralamerika, weitere iberoamerikanische Diözesen und die Katholischen Kirchen der Vereinigten Staaten und Italiens solidarisch und boten ihre Unterstützung an.
Das Nicaraguanische Zentrum für Menschenrechte (Cenidh) verurteilte die Festnahmen. UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich sehr besorgt und forderte die Behörden auf, alle willkürlich festgehaltenen Gefangenen freizulassen.
Im Juni 2022 wurde Manuel Salvador García, ein Gemeindepriester aus dem Ort Nandaime und offener Kritiker des Ortega-Regimes, verhaftet und mutmaßlich in das Gefängnis El Chipote gebracht. Seither hat man nichts mehr von ihm gehört. In den Monaten vor seiner Verhaftung war Pfarrer García das Ziel einer Hetzkampagne, in der er unter anderem beschuldigt wurde, eine Frau belästigt zu haben.
Am 1. August 2022 twitterte der Geistliche Uriel Vallejos, Polizeikräfte würden seine Gemeinde in der Stadt Sébaco belagern und angreifen, um die technische Ausstattung des örtlichen katholischen Radiosenders zu beschlagnahmen. Zuvor hatte die für Telekommunikation und Post zuständige nationale Aufsichtsbehörde (TELCOR) die Schließung von fünf katholischen Radiosendern der Diözese Matagalpa angeordnet. Bei den gewaltsamen Maßnahmen wurden zahlreiche Menschen verletzt und zwölf Personen verhaftet. Danach wurde der Priester zur Ausreise gezwungen.
Ebenfalls im August wurde der Pfarrer der Heilig-Geist-Gemeinde in Mulukukú, Óscar Benavídez, nach der Feier der Sonntagsmesse aus unbekannten Gründen festgenommen und ins Gefängnis El Chipote gebracht. Die Gemeinde liegt in der Autonomen Region Costa Cariba Norte.
Nach dieser Verhaftungswelle forderten mehrere Geistliche aus verschiedenen Diözesen des Landes und der Vorsitzende der Konferenz der Jesuitenprovinziale in Lateinamerika und der Karibik die Regierung auf, die Verfolgung der Katholischen Kirche in Nicaragua einzustellen und die Religionsfreiheit im Land zu achten.
Im September 2022 bezeichnete Präsident Ortega die Katholische Kirche als „reine Diktatur“ und beschuldigte Papst Franziskus erneut, er würde die nicaraguanischen Bischöfe zu einem Staatsstreich anstacheln. Bischof Silvio José Báez stellte daraufhin über Twitter die Frage, woher ein Diktator das Recht nehme, anderen Lektionen in Demokratie zu erteilen.
Nach Angaben von Open Doors wurden seit 2021 insgesamt 22 christliche Geistliche verhaftet. Die Kirchen würden einer strikten bürokratischen Kontrolle unterzogen und wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten gezwungen, Büros und Einrichtungen zu schließen. Gerüchten zufolge sei ein neues Gesetz in Planung, das die Einrichtung einer zentralen Aufsichtsbehörde vorsieht.
Reisebeschränkungen und Ausweisungen von Geistlichen
Pfarrer Uriel Vallejos war nicht der einzige Geistliche, der 2022 aus Nicaragua ausgewiesen wurde. Am 12. März zog die Regierung die Akkreditierung des Apostolischen Nuntius, Erzbischof Waldemar Stanisław Sommertag, ohne Begründung zurück und zwang ihn trotz Protesten des Heiligen Stuhls zur sofortigen Ausreise.
Der Geistliche Silvio Fonseca beklagte sich öffentlich darüber, dass er seit Monaten auf die Ausstellung eines Reisepasses warten würde und er daher nicht das Land verlassen könne. Im April verhängte die Regierung gegen den evangelischen Geistlichen Tom Guess ein Einreiseverbot. Er hatte sich offenbar über einen bevorstehenden „Wandel“ in Nicaragua geäußert. Im September wurde der nicaraguanische Geistliche Guillermo Blandón von der Gemeinde Santa Lucia de Boaco bei seiner Rückkehr aus Israel an der Wiedereinreise gehindert.
Zudem müssen viele kirchliche Beschäftigte das Land verlassen, weil die Regierung zahlreichen Nichtregierungsorganisationen den Rechtsstatus aberkannt hat. Im Juli betraf dies zum Beispiel die von Mutter Teresa gegründete Gemeinschaft der Missionarinnen der Nächstenliebe. Die Schwestern vom Kreuz des Heiligen Herzens Jesu wurden ohne jegliche offizielle Begründung im September des Landes verwiesen. Zuvor hatten sie sich geweigert, Informationen über die bei ihnen arbeitenden Laien herauszugeben.
Entziehung des Rechtsstatus
2022 beschloss das Ortega-Regime, zahlreichen Nichtregierungsorganisationen den Rechtsstatus zu entziehen, weil sie angeblich gegen geltendes Recht verstoßen haben.
Im Februar 2022 verabschiedete die Nationalversammlung die Dekrete Nr. 8786 und 8787 über die Schließung von 16 zivilgesellschaftlichen Organisationen, darunter viele in kirchlicher Trägerschaft, sowie von zwei Hochschulen: die Polytechnische Hochschule von Nicaragua (Universidad Politécnica de Nicaragua, UPOLI), die mit dem Bund der Baptistengemeinden in Verbindung stand und 2018 an den Protesten gegen die Regierung beteiligt war, und die Katholische Hochschule für Landwirtschaft in tropischen Trockengebieten (Universidad Católica Agropecuaria del Trópico Seco, UCATSE), die mit der Diözese Estelí in Verbindung stand.
Nach Angaben von CNN Español ging die Entscheidung auf einen Bericht des Innenministeriums zurück, dem zufolge diese Organisationen die Ausführung von Kontroll- und Aufsichtsaufgaben behindert hätten.
Im Juni und Juli 2022 folgten weitere Dekrete: Nr. 8801(3), 8802(96), 8805(93), 8807(97), 8811(101), 8812(100) und 8823(100). Daraufhin wurden weitere 670 Organisationen aufgelöst, darunter mehrere religiöse Einrichtungen.
Einer der bekanntesten Fälle betraf die bereits erwähnten Missionarinnen der Nächstenliebe. Laut Vatican News erfolgte ihre Ausweisung aufgrund eines Berichts der Generaldirektion für die Registrierung und Kontrolle von Nichtregierungsorganisationen im Innenministerium. Darin wurde behauptet, die Schwestern hätten gegen Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Finanzierung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen verstoßen.
Der Erzbischof von Managua und die Lateinamerikanische Ordenskonferenz prangerten die Entscheidung an und erklärten, die Schwestern hätten seit 40 Jahren für die Bedürftigsten in Nicaragua gesorgt.
Schließung katholischer Radio- und TV-Sender
Im November 2021 entzog die Aufsichtsbehörde TELCOR in einem Akt der Willkür dem TV-Sender Enlace Canal 21 die Lizenz. Der für den Betrieb zuständige evangelische Pastor Guillermo Osorno war 2021 als Präsidentschaftskandidat angetreten und hatte öffentlich von Wahlbetrug gesprochen.
Im Mai 2022 schloss TELCOR dann auch den Sender der katholischen Bischofskonferenz, Canal 51. Am Tag zuvor hatte der Bischof von Matagalpa, Rolando Álvarez, bekannt gemacht, dass er vom Ortega-Regime verfolgt werde. Im Juni musste TV Merced, ein Sender der Diözese Matagalpa, den Betrieb einstellen. Im August ereilte fünf Radiosendern in der Diözese dasselbe Schicksal.
Im August wurde dem von der Diözese Estelí betriebenen Sender Radio Stereo Fe die sofortige Einstellung des Sendebetriebs angeordnet. Einen Tag zuvor hatte die Radiostation eine Erklärung des örtlichen Klerus über die Verfolgung der Kirche in Nicaragua, insbesondere von Bischof Álvarez, veröffentlicht.
Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte, die Europäische Union und die Vereinigten Staaten sowie die Interamerikanische Presseverband verurteilten diese Schließungen von TV- und Radiosendern aufs Schärfste.
Berichte und Proteste von internationaler Seite
Im 2020 veröffentlichten Bericht des Nicaraguanischen Zentrums für Menschenrechte (Cenidh) zur Menschenrechtslage in Nicaragua sind die anhaltenden Verstöße gegen die Religionsfreiheit und Angriffe auf die Katholische Kirche dokumentiert.
Im Juni 2022 veröffentlichte Religión Digital Daten zu den Übergriffen auf die Katholische Kirche, die die Anwältin Martha Patricia Molina Montenegro von der Beobachtungsstelle für Transparenz und Korruptionsbekämpfung in einer Studie erhoben hat. Sie hat 190 Vorfälle in der Zeit von 2018 bis 2022 analysiert. Im Jahr 2021 zählte sie 35 Fälle, darunter Kirchenschändungen, Diebstahl und Attacken Daniel Ortegas gegen katholische Bischöfe und Priester. Von den 21 im Jahr 2022 verzeichneten Fällen sind die Repressalien gegen den Bischof von Matagalpa, Rolando Álvarez, besonders hervorzuheben.
Im selben Monat veröffentlichte Voces del Sur, ein Netzwerk lateinamerikanischer Organisationen der Zivilgesellschaft, einen Bericht, in dem 73 Verstöße gegen die Pressefreiheit dokumentiert wurden. Bei vielen davon handelte es sich um Medien, die von der Katholischen Kirche betrieben wurden.
Im August rief eine Gruppe von 26 ehemaligen Staats- und Regierungschefs Spaniens und Lateinamerikas Papst Franziskus dazu auf, gegen das Ortega-Regime klar Stellung zu beziehen. Bei einer Pressekonferenz anlässlich der Vollversammlung der Vereinten Nationen im September 2022 äußerte sich der US-Sonderbotschafter für Internationale Religionsfreiheit zur Lage in Nicaragua und rief die Regierung des Landes dazu auf, die Religionsfreiheit zu respektieren und die Gefangenen freizulassen.
Das Europäische Parlament verurteilte im September 2022 die Inhaftierung von Angehörigen der Katholischen Kirche wie Bischof Rolando Álvarez und verlangte die sofortige Freilassung aller Personen, die willkürlich festgehalten werden. Die EU-Abgeordneten prangerten zudem die Willkür des nicaraguanischen Rechtssystems und die menschenunwürdige Behandlung der Gefangenen an.
Andere führende Persönlichkeiten und Institutionen äußerten sich besorgt über die Situation der Katholischen Kirche in Nicaragua, etwa der UN-Generalsekretär António Guterres, die Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS) sowie der Lateinamerikanische Bischofsrat (CELAM).
Vandalismus und das Verbot religiöser Feiern in der Öffentlichkeit
Im Mai 2021 wurde die Statue des Priesters José del Carmen Suazo in Madriz enthauptet.
Im August 2022 wurde der Hauptschalter der Stromversorgung der Kathedrale von Managua gestohlen, sodass im Innenraum und in der Umgebung der Kathedrale die Beleuchtung ausfiel.
Im September 2022 umstellte die Polizei während des traditionellen Heiligenfestes die Kirche San Jerónimo in der Stadt Masaya und bedrohte Gläubige und Geistliche.
Im August 2022 untersagte die Polizei dem Gemeindepfarrer Aníbal Manzanares aus Terrabona das Abhalten von Prozessionen und andere Aktivitäten außerhalb der Kirche San José de Terrabona. Auch die Prozession zu Ehren der Gottesmutter von Fatima in Managua durfte „aus Sicherheitsgründen“ nicht stattfinden.
Weitere religiöse Feste, die außerhalb der Kirchen stattfinden sollten, wurden im September 2022 untersagt, zum Beispiel die Prozessionen in den Gemeinden San Miguel Arcángel de Managua und San Francisco de Asís de Camoapa. Der Evangelischen Kirche wurde es verboten, den 453. Jahrestag der spanischen Bibelübersetzung zu feiern.
Perspektiven für die Religionsfreiheit
Während Nicaragua immer tiefer in die politische Krise rutscht, verschärft die Regierung ihr Vorgehen gegen jegliche kritische Stimmen, auch gegen die Katholische Kirche. Präsident Ortega ging die Bischöfe und den Papst harsch an und unterstellte ihnen, heimlich einen Putsch vorzubereiten.
Dieses Misstrauen der politischen Führung gegenüber der Amtskirche hat dazu geführt, dass Geistliche und Laien überwacht und festgenommen wurden. Bischöfe und Priester mussten ins Ausland flüchten. Viele andere wurden in das berüchtigte Gefängnis El Chipote gebracht. Kirchen wurden belagert. Priester und Ordensleute wurden ausgewiesen. Katholische Medien mussten den Betrieb einstellen. Hunderten Nichtregierungsorganisationen, darunter zahlreiche in kirchlicher Trägerschaft, wurde der Rechtsstatus aberkannt, und das Feiern religiöser Feste in der Öffentlichkeit wurde verboten.
Das Regime verfolgt die Katholische Kirche nicht aus religiösen, sondern eindeutig aus politischen Gründen. Seit 2018 kritisiert die Kirche klar und deutlich jede Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten und Verstöße gegen die Menschenrechte im Land.
Neben der allgemeinen Menschenrechtslage hat sich besonders auch die Situation der Religionsfreiheit in Nicaragua merklich verschlechtert, wie Medienberichte, Nichtregierungsorganisationen und nationale wie internationale Zahlen bestätigen. Die Aussichten sind besorgniserregend.