Gesetzeslage zur Religionsfreiheit und deren faktische Anwendung
Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit ist in der Verfassung der Republik Moldau von 1994 verankert. In Artikel 10, Absatz 2 heißt es: „Der Staat sichert jedem Bürger das Recht zu, seine ethnische, kulturelle, sprachliche und religiöse Identität zu bewahren, zu entfalten und zum Ausdruck zu bringen.“
Gemäß Artikel 16, Absatz 2 „sind alle Bürger der Republik Moldau unabhängig von ethnischer Herkunft, Nationalität, Sprache, Religion, Geschlecht, Weltanschauung, politischer Zugehörigkeit, Besitzstand oder sozialer Herkunft vor dem Gesetz und den staatlichen Behörden gleich“.
Artikel 31, Absatz 1 bis 4 sichert den Bürgern das Recht auf Gewissensfreiheit zu, welches das Recht auf freie Glaubensausübung einschließt. Religionsgemeinschaften können „ihre eigenen Angelegenheiten nach den von ihnen aufgestellten Regeln im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften selbst verwalten“. Den Religionsgemeinschaften ist es untersagt, untereinander Zwietracht zu säen. Sie sind vom Staat unabhängig, erhalten aber „staatliche Unterstützung bei der Seelsorge in Militär, Krankenhäusern, Gefängnissen, Pflegeheimen und Waisenhäusern“.
Artikel 32, Absatz 3 verlangt, dass der Staat durch entsprechende Gesetze jegliches Handeln untersagt und strafrechtlich verfolgt, „das darauf ausgerichtet ist, [...] den Staat und das Volk abzulehnen und zu verleumden, Volksverhetzung zu betreiben, einen Angriffskrieg auszulösen oder nationalen, rassistischen oder religiösen Hass zu schüren“.
Gemäß Artikel 35, Absatz 8 bis 9 gewährleistet der Staat ein säkulares Schulwesen, aber zugleich auch das Recht auf Religionsunterricht. Eltern haben das Recht, über die Schulbildung ihrer Kinder zu bestimmen.
Zudem hat das moldauische Parlament nach Artikel 72, Absatz 3, Buchstabe l die Befugnis, in Bezug auf die Glaubensausübung Gesetze zu erlassen.
Entgegen der Verfassung, in der die Neutralität des Staates in Religionsangelegenheiten verankert ist, räumt Paragraf 15 des Gesetzes über Religionsgemeinschaften und deren Organisationen „dem christlich-orthodoxen Glauben und der Moldauisch-Orthodoxen Kirche im Leben, in der Geschichte und in der Kultur der Moldauer eine besondere Bedeutung und Führungsrolle ein“. Paragraf 4, Absatz 4 gewährt der Moldauisch-Orthodoxen Kirche einen Sonderstatus und untersagt das „Missionieren in missbräuchlicher Absicht“.
Religionsgemeinschaften sind nicht dazu verpflichtet, sich beim Justizministerium registrieren zu lassen. Registrierte Gemeinschaften profitieren aber von Steuervorteilen, erhalten Aufenthaltsgenehmigungen für ihre Missionare und erlangen einen Rechtsstatus, der es ihnen ermöglicht, Grundeigentum zu erwerben, Kirchen zu bauen, religiöse Schriften zu veröffentlichen, Bankkonten zu eröffnen, Mitarbeiter einzustellen und Vereine und Stiftungen zu gründen.
Trotz rechtlicher Reformen stoßen religiöse Minderheiten bei der behördlichen Registrierung immer noch auf Schwierigkeiten, weil ihre Anträge mit der „Begründung abgelehnt werden können, dass 97 % der Moldauer Christen sind“.
Die Präsidentin der Republik Moldau Maia Sandu gab die Verabschiedung eines Gesetzes bekannt, mit dem bestimmte Rechtsakte geändert oder ergänzt werden sollen. Das Gesetz sieht administrative und strafrechtliche Konsequenzen für diejenigen vor, die den Holocaust leugnen oder das Andenken an die Opfer entehren.
Dem Human Freedom Index zufolge wurde in Moldau die Freiheit, religiöse Organisationen zu gründen, in den vergangenen 10 Jahren dadurch eingeschränkt, dass mehr rechtliche und behördliche Restriktionen eingeführt wurden.
Obwohl der kleine Landesteil Transnistrien völkerrechtlich zur Republik Moldau gehört, ist er seit 1992 faktisch unabhängig. In der abgespaltenen Region sind russische Soldaten stationiert und angesichts des Ukrainekriegs befürchtet Moldau, das nächste Ziel Russlands zu werden. Auch in dem umstrittenen Gebiet genießt die Moldauisch-Orthodoxe Kirche einen Sonderstatus, während religiöse Minderheiten benachteiligt werden. Die De-facto-Gesetzgebung Transnistriens entspricht nicht den internationalen Standards und gewährleistet auch nicht die Gleichbehandlung der Religionsgemeinschaften. Im Jahr 2016 traten Gesetze in Kraft, die das unerlaubte Verbreiten von religiösen Schriften, das Predigen in der Öffentlichkeit und organisierte religiöse Aktivitäten in Wohngebäuden unter Strafe stellen.
Vorkommnisse und aktuelle Entwicklungen
Moldaus Probleme bei der Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit und die im Land weitverbreitete Korruption führten dazu, dass viele Einwohner ausgewandert sind. Fast 25 % der Moldauer leben und arbeiten im Ausland und tragen durch Rücküberweisungen zu einem Viertel des nationalen Bruttoinlandsproduktes bei. Viele Moldauer beantragen rumänische Pässe, um sich frei im Schengen-Raum bewegen zu können.
Orthodoxe Christen haben den größten Anteil an der Bevölkerung des Landes und üben großen Einfluss auf das gesellschaftliche Leben der Bürger unterschiedlicher Herkunft (mit russischen, ukrainischen, moldauischen oder sonstigen Wurzeln) aus. Die orthodoxen Christen Moldaus gehören zwei miteinander konkurrierenden Gemeinschaften an: Die Moldauisch-Orthodoxe Kirche (MOK), die auch als Metropolie von Chisinau und ganz Moldau bekannt ist, ist als selbstverwaltete Metropolie der Russisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchat unterstellt. Ihr gehören laut Schätzung 91,4 % aller moldauischen Christen an (Quelle: Volkszählung 2019). Die kleinere Bessarabisch-Orthodoxe Kirche (BOK), zu der sich 3,7 % der Christen im Land bekennen (Stand 2019) und die auch als Metropolie von Bessarabien bekannt ist, gehört hingegen zur Rumänisch-Orthodoxen Kirche.
Die Tatsache, dass die beiden orthodoxen Kirchen miteinander in Konkurrenz stehen, führt zu Konflikten bei kirchlichen Eigentumsfragen. Ein Beispiel dafür ist die wiederaufgebaute Kirche in Dereneu im Bezirk Călărași, die der orthodoxe Priester Pater Marin Florinel am 23. August 2017 als orthodoxe Pfarrei Mariä Himmelfahrt der Bessarabischen Metropolie registrieren ließ. Im März des darauffolgenden Jahres wurde Pater Florinel aus der Gemeinde vertrieben. Für ihn wurde Pater Alexandru Popa in die Pfarrei entsandt. Daraufhin organisierte Pater Florinel einen improvisierten Altar in einem Gebäude in der Nähe der Kirche. Dort hielt er Gottesdienste für getreue Gemeindemitglieder ab. Bei Kommunalwahlen im Jahr 2019 wurde die sozialistische PSRM-Partei von Pater Popa und anderen Geistlichen der MOK öffentlich unterstützt. Der Wahlsieg der PSRM hatte zur Folge, dass das staatliche Register am 21. August 2020 geändert und die Kirche in Dereneu der MOK kanonisch unterstellt wurde. Ein ähnlicher Streit fand 2021 um eine Kirche in Răzeni statt, als der dortige Gemeindepriester verstarb und dessen Schwester das Grundstück erbte, auf dem sich die Kirche befindet. Die Schwester besetzte die Kirche mit einem neuen Gemeindepriester aus der MOK. Ihr Neffe Pater Andrei Cotorobai, der das Priesteramt von seinem Vater in der Gemeinde übernommen hatte, musste seinen Platz räumen.
Obwohl Kirchen und Religionsgemeinschaften im politischen System des Landes und bei Gesetzgebungsverfahren keine offizielle Rolle spielen, beziehen die orthodoxen Kirchen öffentlich Stellung zu politischen Fragen und unterstützen offen bestimmte Politiker. Im Gegenzug unterhalten politische Parteien enge Beziehungen zu orthodoxen Geistlichen und leisten bei kirchlichen Vorhaben finanzielle Unterstützung. Zudem ist die MOK eng mit Russland verbunden und unterstützt US-Quellen zufolge seit Jahrzehnten die russische Politik dadurch, dass sie sich bei Wahlen für konservativere, pro-russische Parteien und Kandidaten einsetzt. Dennoch wurde die Rechtmäßigkeit demokratisch gewählter Politiker von der MOK zu keiner Zeit infrage gestellt. Dies zeigt sich auch daran, dass der Wahlsieg der unabhängigen und EU-freundlichen Kandidatin Maia Sandu über den von der MOK favorisierten prorussischen Amtsinhaber Igor Dodon anerkannt wurde.
Die Bestrebungen der katholischen, der lutherischen und der jüdischen Gemeinschaft, ihr während der Sowjetzeit beschlagnahmtes Eigentum wiederzuerlangen oder anderweitig Schadensersatz geltend zu machen, sind erneut gescheitert. Am 2. Dezember 2021 gab der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) seinen Beschluss im Rechtsstreit zwischen dem römisch-katholischen Bistum Chisinau und der Republik Moldau bekannt. 2009 hatte die Kirche einen Antrag bei der Republik Moldau auf Rückgabe der Vermögenswerte gestellt, die vom damaligen Sowjetregime in den 1940er-Jahren verstaatlicht wurden. Weil Moldau dem Antrag nicht stattgab, reichte die Kirche eine Zivilklage zur Anerkennung ihrer Eigentumsrechte ein. Dabei berief sie sich auf das in den allgemeinen verfassungsrechtlichen Bestimmungen und im Zivilgesetzbuch verankerte Eigentumsrecht. Die Klage wurde von den nationalen Gerichten als unbegründet abgewiesen. Laut gültiger Gesetzgebung sei die Rückgabe von Eigentum, das unter dem sowjetischen Regime beschlagnahmt und verstaatlicht wurde, nur an Opfer von politischen Repressionen möglich. Die staatlichen Zusagen würden sich nicht auf religiöse Einrichtungen erstrecken. Die beim EGMR eingereichte Klage wurde ebenso abgewiesen. Als Begründung dafür wurde angeführt, dass die nationalen Rechtsmittel noch nicht ausgeschöpft seien.
Die Religionsfreiheit in Moldau lässt sich nicht nur an ihrer rechtlichen Anerkennung, sondern auch an der allgemeinen gesellschaftlichen Wahrnehmung von Religion messen. Dem Public Opinion Barometer zufolge schenkten im Dezember 2022 rund 62,5 % der moldauischen Bevölkerung der Kirche ihr Vertrauen (gegenüber 72,6 % im Jahr 2021). Obwohl die Kirche als Institution weiterhin das Vertrauen der Menschen genießt, könnte das für die Orthodoxe Kirche schlechter ausgefallene Bewertungsergebnis auf Russlands Angriff auf die Ukraine und die in diesem Zusammenhang nicht eindeutige Haltung der MOK zurückzuführen sein. Metropolit Wladimir rief die Gläubigen zwar dazu auf, „für den Frieden und ein Ende des militärischen Konflikts in der Ukraine zu beten“. Die Frage, wer den Krieg auslöste, ließ er jedoch unbeantwortet.
Moldaus kleine muslimische Gemeinschaft wird derzeit von der Islamischen Liga vertreten, einer Organisation, die 2012 nach zehn Jahre lang gescheiterten Versuchen und trotz Protesten der Orthodoxen Kirche offiziell anerkannt wurde. Im Berichtszeitraum fanden keine muslimfeindlichen Vorfälle statt.
Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es eine jüdische Minderheit im Land. In Chisinau hatten jüdische Einwohner bisweilen sogar einen Anteil von 40 % an der Bevölkerung. Aufgrund des Holocaust und der Tatsache, dass jüdische Bürger nach Auflösung der Sowjetunion nach Israel ausgewandert sind, ist der Anteil der jüdischen Bevölkerung zurückgegangen. Für den Berichtszeitraum liegen keine Meldungen antisemitischer Vorfälle vor.
In Bezug auf die minderheitlich in Moldau vertretenen Falun-Gong- bzw. Falun-Dafa-Vereine gibt es neue Regelungen. Nach einem Beschluss des EGMR im Jahr 2015 wurden Falun-Symbole (ein großes und vier kleine Hakenkreuze) aus dem staatlichen Register für extremistisches Material gestrichen. 2020 wurde mit einem Urteil des Obersten Gerichtshofs der staatliche Beschluss, Falun-Gong- und Falun-Dafa-Vereine aufzulösen, aufgehoben.
Im Berichtszeitraum wurde der MOK vorgeworfen, weiterhin starken Einfluss auf die staatliche Politik auszuüben und „die Religionsfreiheit von religiösen Minderheiten missbräuchlich einzuschränken“ (insbesondere in Transnistrien). Dem Informationszentrum für Menschenrechte zufolge „berichteten religiöse Minderheiten, darunter Zeugen Jehovas, Baptisten und Angehörige der Pfingstbewegung, von verbalen Beleidigungen, Sachbeschädigung, medialer Diskriminierung und Diskriminierungen durch Geistliche der MOK. Darüber hinaus beklagte die muslimische Gemeinschaft eine ihr gegenüber voreingenommene Haltung, die zu Mobbing an Schulen und einer negativen Medienberichterstattung führte.“
Da die meisten Bewohner Transnistriens der Orthodoxen Kirche angehören, wurden die Aktivitäten anderer Religionsgemeinschaften von den örtlichen Behörden mutmaßlich eingeschränkt. Ausländische Religionsgemeinschaften können sich in Transnistrien nicht registrieren lassen. Außerdem haben ausländische Einwohner nicht die Möglichkeit, nicht registrierte Gemeinschaften zu gründen oder ihnen beizutreten. So wurde den Zeugen Jehovas bislang die Registrierung in Transnistrien verwehrt. Ihr Recht auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen wurde ihnen konsequent abgesprochen. Ferner haben Mitglieder der muslimischen Gemeinschaft Schwierigkeiten, ihre Pläne zum Bau einer Moschee in Tiraspol voranzubringen.
Perspektiven für die Religionsfreiheit
Das Verhältnis von Kirche und Staat ist in Moldau wie in anderen postsozialistischen Staaten vor allem dadurch geprägt, dass die religiöse Mehrheit des Landes bevorzugt wird. Dabei ist die nationale Identität eng mit der größten Kirche des Landes verknüpft. Obwohl die Perspektiven für die Religionsfreiheit weiterhin vergleichsweise stabil sind, haben geopolitische Faktoren und die übergroße soziopolitische Rolle der orthodoxen Institutionen auch in Zukunft Einfluss auf den religiösen Diskurs. Die Gewährleistung der Religionsfreiheit von religiösen Minderheiten wird deshalb eine Herausforderung bleiben.