Gesetzeslage zur Religionsfreiheit und deren faktische Anwendung
Kuba hat seit dem 10. April 2019 eine neue Verfassung, in der in Artikel 15 festgelegt wird, dass der Staat „die Religionsfreiheit anerkennt, respektiert und garantiert“ und das Land ein „säkularer Staat“ ist. So sind in der Republik Kuba „religiöse Institutionen und Bruderschaften vom Staat getrennt und haben dieselben Rechte und Pflichten“. Ferner werden „andere Glaubensrichtungen und Religionen gleichberechtigt behandelt“.
Artikel 42 legt fest, dass „alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, den gleichen Schutz und die gleiche Behandlung durch Behörden erhalten und die gleichen Rechte, Freiheiten und Möglichkeiten genießen, ohne eine Diskriminierung aus Gründen wie ‚religiöser Überzeugung‘ fürchten zu müssen“. Jeder Verstoß gegen diese Grundsätze wird „gesetzlich geahndet“.
Artikel 57 erkennt darüber hinaus das Recht eines jeden an, „sich zu seinen religiösen Überzeugungen zu bekennen oder nicht zu bekennen, sie zu ändern und die Religion seiner Wahl mit dem erforderlichen Respekt gegenüber anderen Überzeugungen und in Übereinstimmung mit dem Gesetz zu praktizieren“.
Artikel 5 erklärt allerdings die Kommunistische Partei Kubas zur „übergeordneten, treibenden politischen Kraft der Gesellschaft und des Staates“. Als „marxistisch-leninistische“, von José Martí und Fidel Castro inspirierte „Speerspitze“ „organisiert und führt sie die gesellschaftlichen Kräfte für den Aufbau des Sozialismus und seinen Fortschritt hin zu einer kommunistischen Gesellschaft“. Diese Auferlegung eines ausschließlich kommunistischen Gesellschaftsmodells widerspricht dem Menschenrecht auf „Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit“ – zumal es keine unabhängige Institution oder Einrichtung gibt, die die Achtung der verfassungsmäßigen Rechte garantiert.
Die Praxis bestätigt dies: Sämtliche gesellschaftlichen Aspekte unterliegen nach wie vor der totalen Kontrolle der Kommunistischen Partei Kubas, deren Abteilung für Ideologie auch das Büro für Religiöse Angelegenheiten unterstellt ist. Diese Unterordnung der Gesellschaft und des Staates unter die Kommunistische Partei führt immer wieder zu Verletzungen des Menschenrechts, „die eigene Religion oder Weltanschauung durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Rituale zu bekunden“. Das Recht umfasst nicht nur „die einfache Freiheit, religiöse Überzeugungen zu haben, sondern die Freiheit jedes Einzelnen, nach seinem Glauben zu leben und ihn öffentlich zum Ausdruck zu bringen“. Der Verfassungstext ist für diese Problematik das beste Beispiel: Er sieht weder eine rechtliche Anerkennung der Kirchen vor, noch eröffnet er diesen „systematischen Zugang zu Medien“ [...] oder „die Freiheit, zu lehren und zu evangelisieren, Infrastrukturen zu errichten und die für ihre Aktivitäten notwendigen Güter zu besitzen“ [...]. Ebenfalls nicht vorgesehen ist „das Recht, sich zu nicht ausschließlich religiösen Zwecken, wie Bildung, Kultur, Gesundheit oder Wohltätigkeit, zusammenzuschließen“.
Reform des Strafgesetzbuchs
Dass religiöse Überzeugungen dem Parteiinteresse untergeordnet sind, kommt in der Reform des Strafgesetzbuches zum Ausdruck, die am 1. September 2022 im Amtsblatt veröffentlicht wurde und am 1. Dezember 2022 in Kraft trat. Artikel 272 bezieht sich auf den „Missbrauch der Religionsfreiheit“. Er besagt, dass „wer die verfassungsmäßig garantierten religiösen Überzeugungen oder Praktiken missbraucht und sie im Widerspruch zu den Zwecken der Erziehung [...] oder zu einer anderen von der Verfassung der Kubanischen Republik festgelegten Pflicht pflegt, mit Freiheitsentzug von sechs Monaten bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe von einer bis zu dreihundert Strafeinheiten oder beidem zu bestrafen ist.“
Das neue Strafgesetzbuch schränkt die Meinungsfreiheit, die mit der Religionsfreiheit verbunden ist, stark ein und sieht in mehreren Artikeln drakonische Strafen für jegliche Kritik am sozialistischen Staat vor. Die Nutzung sozialer Medien gilt dabei als erschwerender Faktor.
Artikel 124.1. des Kapitels „Straftaten gegen die innere Sicherheit des Staates“ etwa sieht Strafen von drei bis acht Jahren Gefängnis für Personen vor, die „gegen die soziale Ordnung, die internationale Solidarität oder den sozialistischen Staat, wie er in der Verfassung der Republik anerkannt ist, aufhetzen“; wenn diese Aufhetzung über soziale Medien erfolgt, wird die Strafe von vier auf zehn Jahre verschärft.
Gemäß Artikel 266 des Abschnitts „Öffentliche Unruhen“ kann die Verbreitung von Falschnachrichten sowie von „böswilligen Prognosen, die darauf abzielen, die Bevölkerung zu beunruhigen, zu verunsichern oder zu desinformieren“ mit einer Freiheitsstrafe von einem bis drei Jahren belegt werden. Auch hier gilt, dass der Einsatz „sozialer Medien oder sozialer Kommunikationsmittel in der physischen oder digitalen Sphäre“ strafverschärfend wirken kann; die Strafe kann dann auf zwei bis fünf Jahre erhöht werden. Zum Vergleich: Dieses Strafmaß wird auch für Menschen angesetzt, die unter Einsatz von Schusswaffen oder Sprengstoff für öffentliche Unruhe sorgen.
Gemäß Artikel 270 in Kapitel IV wird unter anderem die Verunglimpfung „der Institutionen der Republik Kuba und der politischen, Massen- und sozialen Organisationen des Landes“ mit Freiheitsentzug von zwei bis fünf Jahren bestraft.
Recht auf Vereinigungsfreiheit
Kapitel VIII, Artikel 274 des Strafgesetzbuchs über „Illegale Vereinigungen, Versammlungen und Demonstrationen“ belegt die Zugehörigkeit zu einer „nicht genehmigten Vereinigung mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu einem Jahr“. Die Organisation solcher Vereinigungen kann mit Freiheitsentzug von sechs Monaten bis zu zwei Jahren bestraft werden. Zusätzlich können Waren der Verantwortlichen beschlagnahmt werden. Der folgende Artikel 275 stellt überdies die Organisation von oder die Teilnahme an Versammlungen, die von den genannten, nicht genehmigten Vereinigungen veranstaltet werden, unter Strafe.
Die Übergangsbestimmungen des Vereinigungsgesetz von 1985 sehen die Schaffung eines „Gesetzes über die Regelung der Religionsausübung“ vor. Da ein solches Gesetz bislang jedoch nicht existiert, unterliegen die meisten religiösen Einrichtungen weiterhin dem Vereinigungsgesetz. Die Katholische Kirche fällt nicht unter das Vereinsregister, außer in Fällen, in denen eine Baugenehmigung erforderlich ist, die vom Justizministerium bearbeitet wird.
Regierungsnahen Quellen zufolge sind 651 religiöse Einrichtungen und 1562 brüderliche Einrichtungen im Vereinsregister der Republik Kuba eingetragen, von denen 50 Prozent nach der Revolution registriert und anerkannt wurden. Viele der Gruppen, die rechtlich nicht anerkannt sind, gelten als potenzielle Quellen der Spaltung.
Die rechtliche Anerkennung einer Vereinigung wird verweigert, wenn festgestellt wird, dass ihre Tätigkeiten von einer bereits eingetragenen Gruppe ausgeübt werden. Nach erfolgter Anerkennung müssen religiöse Körperschaften eine Genehmigung beim Büro für Religiöse Angelegenheiten einholen, um ihre Aktivitäten ausüben zu können.
Die anderen in Kuba existierenden Vereinigungen werden durch drei staatliche Organisationen vertreten. So gibt es den Rat der Kirchen für die Protestanten und Evangelikalen, die Cultural Yoruba Association für Angehörige der Yoruba-Religion und die Cuban Islamic League für Muslime. Regimekritiker werfen diesen Verbänden vor, sie seien lediglich Erfüllungsgehilfen, deren Aufgabe es sei, die Stimmen dieser Glaubensgemeinschaften zu unterdrücken. Zweifel gibt es zudem an der politischen Unabhängigkeit der sogenannten Plattform für interreligiösen Dialog, in der angeblich „Gläubige der etablierten Religionen, glaubensbasierten Vereinigungen und Institutionen sowie Menschen in Kuba“ versammelt sind und die von Enrique Alemán Gutierrez, einem Mitglied der kubanischen Nationalversammlung der Volksmacht, geleitet wird.
Büro für Religiöse Angelegenheiten
In Kuba gibt es kein rechtliches Rahmenwerk für den Schutz der Religionsfreiheit. Zuständig für die Verwaltung verschiedener Aspekte des religiösen Lebens ist das Büro für Religiöse Angelegenheiten des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei. Es entscheidet z. B., ob Ausländer religiöse Vereinigungen im Land besuchen dürfen, erteilt Genehmigungen über den Bau, Reparaturen oder den Erwerb von Gebetsstätten sowie für die Durchführung öffentlicher Gottesdienste, überwacht die Einfuhr religiöser Literatur usw.
Die Nutzung von Gebetsstätten wird durch die im Februar 2005 beschlossenen Verordnungen 43 und 46 (Amtsblatt Nr. 8, veröffentlicht im April 2005) geregelt und beschränkt. Gemäß der ersten Verordnung müssen religiöse Organisationen im Falle von (selbst geringfügigen) Reparaturen, Erweiterungen und Neubauten zunächst die Genehmigung der Regierung einholen. Verordnung 46 legt die Richtlinien für die Beantragung, Bearbeitung und Genehmigung von Gottesdiensten in Privatwohnungen fest.
Die Abteilung für die Betreuung religiöser Einrichtungen und brüderlicher Vereinigungen wurde am 16. März 2022 im Zuge der „Stärkung der Regierungsstruktur“ geschaffen, beschneidet aber nicht den Aufgabenbereich des Büros für Religiöse Angelegenheiten. Ziel der neuen Abteilung ist es, „die Ideen, Konzepte und Direktiven des VIII. Parteitags zur Vervollkommnung der Organisationsverwaltung und der Politik in Bezug auf religiöse und brüderliche Angelegenheiten umzusetzen, denen die Revolutionsführung seit jeher ihre Aufmerksamkeit widmet“. Zu den Aktivitäten oder konkreten Aufgaben dieser neuen Abteilung gibt es bislang keine weiteren Informationen.
Vorfälle und Entwicklungen
Im Berichtszeitraum gab es Dutzende von Vorfällen, die nicht einzeln aufgezählt werden können, sondern am besten in verschiedenen Kategorien zusammengefasst werden:
Vergeltungsmaßnahmen zum 11. Juli
Viele der Vorfälle, die sich im Berichtszeitraum ereigneten, stehen im Zusammenhang mit Vergeltungsmaßnahmen für die direkte oder indirekte Unterstützung der Volksdemonstrationen vom 11. Juli 2021. Verschiedene Glaubensgemeinschaften hatten die Demonstrationen sowie Angehörige Hunderter bei den Protesten verhafteter Personen unterstützt. Die Demonstrationen waren als Reaktion auf die Wirtschaftskrise in vielen Teilen des Landes organisiert worden; der Ruf nach Freiheit war eine ihrer zentralen Forderungen.
Der katholischer Priester Cástor Álvarez aus Camagüey wurde für seinen Versuch, einem verletzten Demonstranten zu helfen, verprügelt und für 20 Stunden festgehalten. Am folgenden Tag wurde der Seminarist Rafael Cruz Débora aus Matanzas um 5 Uhr morgens in seiner Wohnung verhaftet, weil er bei den Protesten versucht hatte, Konflikte zu schlichten. Er wurde drei Tage später wieder freigelassen.
Im Dezember 2021 wurde Pastor Lorenzo Rosales Fajardo von der unabhängigen (nicht registrierten) Mount-Zion-Kirche in Palma Soriano, der seit August 2021 inhaftiert war, wegen Störung der öffentlichen Ordnung und Angriffs auf die Ordnungskräfte während der Proteste vom 11. Juli angeklagt und zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
Pfarrer Yordanys Díaz Arteaga, Vorsitzender der Christlich-Reformierten Kirche Kubas, wurde am 1. Februar 2022 für einige Stunden festgenommen und anschließend wegen des Besitzes illegaler Waren unter Hausarrest gestellt. Díaz nahestehenden Quellen zufolge waren die falschen Anschuldigungen auf seine Entscheidung zurückzuführen, aus dem Kubanischen Kirchenrat auszutreten, einer ökumenischen Organisation, die in der Vergangenheit von der Regierung unterstützt wurde. Anderen Quellen zufolge wurde er im Besitz von Kleidungsstücken angetroffen, die Häftlingen gespendet werden sollten.
Ein Jahr nach den Demonstrationen, im Juli 2022, erinnerte die Konferenz der Religionsgemeinschaften Kubas (ConCur) daran, dass immer noch „etwa 700 Personen inhaftiert“ seien, von denen einige „noch kein ordentliches Gerichtsverfahren erhalten haben, was eine Verletzung der gesetzlich vorgeschriebenen ordentlichen und außerordentlichen Fristen“ darstelle.
Am 13. September 2022 wurde der aus der Dominikanischen Republik stammende Jesuit Pater David Pantaleón, der Leiter von ConCur, gezwungen, Kuba zu verlassen, nachdem die Regierung ihm die Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung verweigert hatte. Die Entscheidung führte Pantaleón unter anderem darauf zurück, dass die Katholische Kirche die Insassen der kubanischen Gefängnisse unterstütze und ihre Besorgnis über das Schicksal der bei den Protesten verhafteten Menschen zum Ausdruck bringe.
Briefe von katholischen Priestern gegen die Einschränkung demokratischer Rechte und staatliche Repression
Im Januar 2021 wurde ein Brief mit der Überschrift „Ich habe das Leid meines Volkes gesehen“ in den sozialen Medien veröffentlicht. 735 Personen, darunter 27 katholische Priester, hatten den Brief unterzeichnet. Die Verfasser prangern die Korruption und Ungleichheit in Kuba an und fordern politische Reformen.
Am 20. November 2021 veröffentlichten 14 katholische Priester einen weiteren offenen Brief, in dem sie „Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden“ in Kuba forderten.
Nach den beiden Veröffentlichungen gaben mehrere Priester an, dass sie sich bedroht und überwacht fühlten oder dass Gemeindemitglieder bedroht wurden, weil sie mit ihnen in Kontakt standen. Pater Rolando Montes de Oca zum Beispiel erklärte, er sei monatelang verunglimpft und verleumdet worden. Am 19. September 2021 wurde sein Pfarrhaus in Camaguëy von Unbekannten angegriffen, die die Wände mit Eiern bewarfen und die Nachricht „dreckiger Wurm“ hinterließen. Ein ähnlicher Anschlag ereignete sich im Januar 2022.
Diese Einschüchterungsversuche und Verunglimpfungen scheinen in den vergangenen zwei Jahren, in denen auch die staatliche Überwachung verstärkt wurde, zugenommen zu haben. So beklagte etwa auch Pater Kenny Fernandez, am 10. Oktober 2022 Opfer eines solches Einschüchterungsversuchs geworden zu sein. Monate zuvor war es ihm bereits verboten worden, die Kreuzweg-Prozession durch die Straßen seiner Stadt zu führen, wie es bis dahin Brauch gewesen war.
Diffamierung als Mittel zur Einschränkung des Handlungsspielraums von Religionsführern
Gerüchte und Rufmordkampagnen sind weitere Mittel, mit denen staatliche Sicherheitsbeamte religiöse Führer in ihrer Handlungsfreiheit einschränken und Angst unter ihren Gemeinden verbreiten. Wiederholt drangen Sicherheitsbeamte in katholische Gotteshäuser ein, um Predigten und Feiern aufzuzeichnen und Priester und Gläubige einzuschüchtern.
Am 14. Dezember 2022 fasste Pater Alberto Reyes den beklagenswerten Zustand der Religionsfreiheit im Land und die Folgen der rechtlichen Situation (wie im Abschnitt „Gesetzeslage zur Religionsfreiheit und deren faktische Anwendung“ beschrieben) zusammen. Der katholische Priester wies unter anderem auf die Tatsache hin, dass das Büro für Religiöse Angelegenheiten den dezidierten Auftrag habe, „die Ausübung des Glaubens und jegliche Aktivitäten der Kirche“ zu überwachen. Zudem obliege dem Amt die staatliche Erteilung von Genehmigungen für die Renovierung von Gotteshäusern, die durch Naturkatastrophen oder durch den Lauf der Zeit beschädigt wurden (was sich manchmal Jahre hinziehen kann) und die Einschränkung des Zugangs der Kirche zur Presse sowie zu Gesundheits- und Bildungseinrichtungen. Darüber hinaus beklagte Pater Reyes einen Zustand ständiger Schikanen. „Laien, Ordensleute und Priester, die von der Regierungslinie abweichende Meinungen äußerten, werden ‚verwarnt‘“ und mit Vorschriften in „ihrer Handlungsfreiheit eingeengt“.
In einem Interview mit einem Fernsehsender der Dominikanischen Republik erklärte Pater David Pantaleón, dass einer der Gründe für seine Ausweisung ein von ihm veröffentlichtes Rundschreiben war, in dem die Lebensituationen im Land beschrieben wurden. Üblicherweise seien ihm fragliche Absätze wie die darin enthaltenen vom Büro für Religiöse Angelegenheiten zurückgegeben worden, mit der „Aufforderung, seine Auffassungen vom Land zu korrigieren“.
Unterdrückung von Pastoren nicht registrierter Kirchen
Im Berichtszeitraum wurden mehrere Vorfälle im Zusammenhang mit der fehlenden rechtlichen Anerkennung von unabhängigen Kirchen und neuen Glaubensgemeinschaften gemeldet. In diese Kategorie fallen diverse evangelikale Kirchen, die keine Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit genießen und denen auch der Erwerb von Immobilien untersagt ist. In einigen Fällen wurden Pastoren solcher nicht registrierten Glaubensgemeinschaften festgenommen und verhört.
Die Vorfälle seien vielfach von Willkür und Gewalt durch die Regierung und ihre Vertreter gekennzeichnet gewesen. Ein Fall betraf die Apostolische Bewegung von Alain Toledano Valiente, eine der größten unabhängigen religiösen Gruppen in Kuba. Das charismatisch-protestantische Netzwerk ist seit mehr als 20 Jahren in Kuba tätig, wurde aber nie staatlich registriert. Nach zwei Angriffen auf seine Kirche und mehreren Verhaftungen wurde Alain Toledano am 24. Juli 2022 zusammen mit seiner Familie aus Kuba ausgewiesen, nachdem ihm für den Fall seines Verbleibs im Land eine Haftstrafe angedroht worden war.
Positive Entwicklungen
Trotz der oben geschilderten Vorkommnisse gab es in den vergangenen zwei Jahren auch einige positive Entwicklungen. Zwischen der kubanischen Regierung und dem Heiligen Stuhl bestehen respektvolle Beziehungen. Im Februar 2023 besuchte Beniamino Kardinal Stella als Vertreter des Heiligen Stuhls die Insel und traf sich mit Präsident Miguel Díaz-Canel. In einem Pressegespräch nach dem Besuch sagte der Kardinal, er habe um die Freilassung der letzten noch in Haft befindlichen Demonstranten vom 11. Juli gebeten. Er fügte hinzu, dass Papst Franziskus eine positive Antwort erwarte und die jungen Gefangenen bald zu ihren Familien zurückkehren könnten.
Am 16. Juli 2022 wurde ein neuer Weihbischof für Havanna ernannt. Die kubanische Regierung mischte sich nicht in die Ernennung von Bischöfen oder religiösen Führern ein. Tatsächlich stellte das Amt für religiöse Angelegenheiten allein 2022 über 7000 Kurz- und Langzeitvisa aus religiösen Gründen ausund erteilte Genehmigungen für kirchlich organisierte Prozessionen und öffentliche Veranstaltungen wie die Feierlichkeiten zu Ehren der Barmherzigen Jungfrau von Cobre, der Schutzpatronin Kubas, oder die Karfreitagsfeierlichkeiten. In den vergangenen Jahren durften katholische Bischöfe Sonntags- oder Feiertagsbotschaften über das Radio verbreiten.
Perspektiven
In Anbetracht der Koexistenz diverser Glaubensgemeinschaften in Kuba kann man zwar von einer allgemein respektierten Religionsfreiheit, nicht aber von vollständiger Religionsfreiheit sprechen.
Wie viele andere Aspekte des alltäglichen Lebens unterliegt auch die Religion der Kontrolle des Staates und der Kommunistischen Partei. Die Bürger sind in ihren Handlungen und Bewegungen stark eingeschränkt. Gab es in der Vergangenheit eine gewisse Hoffnung auf Reformen in Kuba, lassen die Änderungen an der Verfassung im Jahr 2019 und am Strafgesetzbuch im Jahr 2022 befürchten, dass sich die Situation in naher Zukunft nicht verbessern wird. Beide Entwicklungen verstärkten die Unterwerfung der Gesellschaft unter das sozialistische System und die Führung durch die zentrale, marxistische Partei.
Wo es keine Meinungs-, Vereinigungs- und Bildungsfreiheit und kein Privateigentum gibt, kann es auch keine unabhängigen Institutionen geben, die von den politischen Organen der Regierung getrennt sind. So wird auch die Religionsfreiheit verunmöglicht, da diese sich eigentlich nicht auf die individuelle Freiheit der Religionsausübung beschränkt, sondern auch die Freiheit einschließt, die eigene religiöse Überzeugung sowohl individuell als auch kollektiv, öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Rituale, Praktiken und Unterricht auszudrücken.
Die stete Unsicherheit führt zu Erschöpfung – viele junge Menschen in Kuba hegen immer weniger Hoffnung auf einen echten Wandel und verlassen daher das Land. Dies hat natürlich auch tiefgreifende Auswirkungen auf die Glaubensgemeinschaften. Die Aussichten für die Religionsfreiheit sind daher weiter als negativ zu bezeichnen.