Gesetzeslage zur Religionsfreiheit und deren faktische Anwendung
Iran ist seit der Islamischen Revolution 1978/79 eine Islamische Republik auf Basis einer theokratischen Verfassung. Laut Artikel 12 ist die islamische Schule des Dschafar, eine schiitische Glaubensrichtung, offizielle Staatsreligion. Artikel 13 erkennt Christen, Juden und Zoroastrier als geschützte religiöse Minderheiten an, denen das Recht auf freie Glaubensausübung und Bildung religiöser Gemeinschaften zusteht. „Iranische Bürger des zoroastrischen, jüdischen und christlichen Glaubens sind als offizielle religiöse Minderheiten anerkannt, die frei ihre religiösen Pflichten im Rahmen des Gesetzes ausüben können. Personenstandsangelegenheiten und religiöse Erziehung erfolgen nach der entsprechenden eigenen Religion.“ Zwei Sitze im iranischen Parlament sind für armenische Christen reserviert, der größten christliche Minderheit im Land (300.000), und je einer für assyrische Christen, Juden und Zoroastrier.
Die staatliche Rechtsprechung ist der Rechtsprechung durch schiitische Geistliche unter der Führung des Rahbars unterstellt, des obersten Religionsführers des Iran, der vom Expertenrat auf Lebenszeit ernannt wird. Der Expertenrat ist ein aus 86 Theologen bestehender Rat, der vom Volk für eine Amtsperiode von jeweils acht Jahren gewählt wird. Der Rahbar steht dem Wächterrat vor, der über die Einhaltung der Verfassung wacht. Der Wächterrat besteht aus zwölf Mitgliedern, von denen je sechs vom Rahbar und sechs vom Parlament ernannt werden. Dieser Rat überwacht die Gesetze und leitenden Organe des Staates, einschließlich des Präsidenten, der für eine Amtszeit von vier Jahren direkt gewählt wird und nur einmal wiedergewählt werden kann.
Eine der größten Hürden für die Religionsfreiheit im Iran ist der Tatbestand der „Apostasie“. Der Staat stuft alle Bürger, die nicht nachweisen können, dass sie oder ihre Familie vor 1979 Christen waren, als Muslime ein. Ein Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion ist zwar weder verfassungs- noch strafrechtlich verboten, gestaltet sich aber aufgrund der starken islamischen Traditionen und dem auf islamischem Recht (Scharia) fußenden Rechtssystem kompliziert. In allen Fällen, die in der Verfassung nicht explizit genannt sind, können Richter sich nach Artikel 167 der Verfassung auf „maßgebliche islamische Quellen oder authentische Fatwas beziehen“. Die Rechtsgrundlage für Verurteilungen aufgrund des Tatbestands der Apostasie bilden die Scharia und die Fatwas; Apostasie kann mit der Todesstrafe belegt werden. Christlichen Konvertiten ist es weder erlaubt, sich rechtlich registrieren zu lassen, noch haben sie die gleichen Rechte wie anerkannte Mitglieder christlicher Gemeinschaften.
Das Strafgesetzbuch des Iran enthält auch Vorschriften gegen Blasphemie. So besagt Artikel 513: „Jede Person, welche die heiligen Werte des Islam, einen der großen Propheten, einen der [zwölf] schiitischen Imame oder die Heilige Fatima beleidigt, soll hingerichtet werden, wenn die Beleidigung als Saab ul-nabi [vorsätzlich Verunglimpfung] eingestuft wird. Ist dies nicht der Fall, ist die Person zu ein bis fünf Jahren Haft zu verurteilen.“ Artikel 514 besagt: „Jede Person, die in irgendeiner Weise Imam Chomeini, den Gründer der Islamischen Republik, und/oder den Obersten Führer beleidigt, ist zu einer Haftstrafe von sechs Monaten bis zu zwei Jahren zu verurteilen.“
Im Februar 2021 änderte die iranische Regierung die Artikel 499 und 500 des Strafgesetzbuches und erleichterte damit die Verfolgung von Christen, insbesondere der Personen, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind.
Während des Untersuchungszeitraums verstärkte die Regierung weiter die Durchsetzung einer muslimischen Kleiderordnung, die unter anderem von Frauen aller religiöser Zugehörigkeiten fordert, ihre Haare in der Öffentlichkeit mit einem Hijab zu verdecken.
Vorfälle und aktuelle Entwicklungen
Im November 2020 wurde die Anzahl iranischer Christen von den Vereinten Nationen auf 250.000 geschätzt. Andere Quellen sprechen von insgesamt 500.000 bis 800.000 Christen – dennoch eine sehr kleine Minderheit. Die meisten sind entweder assyrischer Abstammung oder armenische Christen. Bei den übrigen Christen handelt es sich um Konvertiten vom Islam, von denen die Mehrheit protestantischen und evangelikalen Gemeinden angehört.
Mitglieder anerkannter Gemeinschaften wie Zoroastrier, Juden und Christen traditioneller Kirchen können innerhalb strenger Grenzen Gottesdienste feiern. Tätigkeiten im Rahmen der Evangelisierung sind weiterhin gesetzeswidrig. Vom Islam zum Christentum konvertierte Personen sind nach wie vor eine der am stärksten verfolgten Gruppen im Land. Sie werden mit Misstrauen beobachtet und stehen unter dem Verdacht, auf Veranlassung westlicher Länder den Islam und die islamische Regierung des Iran untergraben zu wollen. Die Anzahl iranischer Hauskirchen ist gestiegen, „da Kirchen geschlossen wurden und die staatliche Erlaubnis fehlt, neue Kirchen zu bauen, oder weil der Zutritt zu offiziellen Kirchen auf armenische und assyrische Christen beschränkt worden ist. Die Christen wechseln ständig die Häuser, um nicht entdeckt zu werden.“
Am 11. November 2020 erhielt die iranische Regierung eine formelle Anfrage von sechs hochrangigen UN-Rechtsexperten. Das Schreiben verwies auf „gemeldete Verfolgung von Mitgliedern der christlichen Minderheit im Iran, einschließlich der Konvertiten vom Islam, und die Festnahme dutzender Christen, von denen die meisten wegen freier Religionsausübung oder das Feiern von Gottesdiensten verurteilt wurden.“ Im Januar 2021 veröffentlichte die iranische Regierung ein Antwortschreiben auf die Anfrage nannte Hauskirchen darin „feindliche Gruppen“ mit „gegen die staatliche Sicherheit gerichteten Motiven“. Weiter hieß es in dem Schreiben, dass „niemand aufgrund seiner Religion verfolgt wird“. Überdies sei es so, dass die erwähnten verfolgten Mitglieder der christlichen Minderheit im Iran „im Austausch mit evangelikalen Zionisten stehen, eine feindselige und konfrontative Haltung gegenüber dem islamischen Establishment haben und in organisierten Kulthandlungen und illegalen Geheimtreffen subversiv gegen den Staat vorgehen. Dabei täuschen sie die Bürger und nutzen sie aus, insbesondere die Kinder“.
2021 veröffentlichte Article 18, eine gemeinnützige Organisation zur Verteidigung der Religionsfreiheit im Iran, ihren jährlichen Bericht. Darin wurden „mehr als 120 Festnahmen und Inhaftierungen christlicher Konvertiten, der größten christlichen Gemeinschaft im Iran“, festgestellt. Ein bedeutsames Detail im Zusammenhang mit dem rigorosen Vorgehen gegen Christen war die Beteiligung der Iranischen Revolutionsgarde (IRGC), die „verantwortlich ist für zwölf der 38 dokumentierten Fälle von Festnahmen von Christen oder Razzien in ihren Häusern bzw. Hauskirchen“.
Am 19. Februar 2021 unterzeichnete Irans Präsident Hassan Rohani die Artikel 499 und 500, zwei umstrittene Anpassungen des Strafgesetzbuches, die „einen Frontalangriff auf die Glaubens- und Religionsfreiheit darstellen“. Die Änderung des Artikels 499 „sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren für jeden vor, der ‚iranische Ethnien oder göttliche Religionen oder islamische Denkschulen, die von der Verfassung anerkannt sind, in der Absicht beleidigt, Gewalt oder Spannungen in der Gesellschaft zu verursachen, oder in dem Wissen, dass solche eintreten werden‘“. Die Änderung des Artikels 500 „sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren für ‚alle abweichenden erzieherischen oder bekehrenden Aktivitäten vor‘, die von Mitgliedern sogenannter ‚Sekten‘ durchgeführt werden, die durch ‚Methoden der Gedankenkontrolle und der psychologischen Indoktrination‘ oder durch ‚falsche Behauptungen oder Lügen im religiösen Raum, darunter die Beanspruchung der Göttlichkeit‘, ‚dem heiligen Gesetz des Islam entgegenstehen oder in dieses eingreifen‘“.
Im Februar 2021 wurden elf christliche Familien von den Behörden vorgeladen und einer Befragung unterzogen. Ihnen wurden weitere Hauskirchenversammlungen sowie private Zusammenkünfte verboten.
Im April 2021 hieß es, dass iranische Behörden den Mitgliedern der Bahai-Religion untersagt hatten, ihre Familienmitglieder auf dem Friedhof Golestan Javid in der Nähe von Teheran beizusetzen, den sie schon seit Jahrzehnten nutzen. Stattdessen sollten die Verstorbenen künftig zwischen bereits existierenden Gräbern des Friedhofs beigesetzt werden oder auf dem nahegelegenen Khavaran-Friedhof, einem Sammelgrab für Opfer des Gefängnismassakers von 1988. Die Bahai-Gemeinschaft lehnte dies strikt ab, da dies ihrer Ansicht nach einer Entweihung des Khavaran-Friedhofs gleichkäme. Die Regierung widerrief die Anordnung später.
Im April 2021 wurden die vier christlichen Konvertiten Hojjat Lotfi Khalaf, Esmaeil Narimanpour, Alireza Varak-Shah und Mohammad Ali Torabi in Dezful verhaftet. Im August wurden sie aufgrund ihrer Mitgliedschaft in einer Hauskirche wegen „Propaganda gegen die Islamische Republik“ angeklagt.
Am 22. April 2021 wurden zwei Männer, Yusef Mehrdad und Seyyed Sadrollah Fazeli Zare, wegen der „Beleidigung des Propheten Mohammed“ und wegen „Gotteslästerung“ verurteilt. Hierauf steht im Iran die Todesstrafe. Der genaue Grund für die Anklage wurde nicht bekanntgegeben. Das Urteil wurde vom Obersten Gerichtshof des Iran im August 2021 bestätigt.
Im Juni 2021 wurde das Visum der 75-jährigen Schwester Giuseppina Berti, einer italienischen Missionarin der Kongregation der Vinzentinerinnen, nicht verlängert. Schwester Giuseppina hatte 26 Jahre lang in der Fürsorge für Leprakranke in Tabriz gewirkt.
Im Juni 2021 wurden drei christliche Konvertiten zur Höchststrafe von fünf Jahren Haft wegen „Propaganda gegen die islamische Regierung“ verurteilt. Im August reduzierte ein Gericht die Strafen von Amin Khaki, Milad Goudarzi und Alireza Nourmohammadi auf drei Jahre.
Ebenfalls im Juni 2021 wurde der Antrag des christlichen Konvertiten Homayoun Zhaveh und seiner Frau Sara Ahmadi auf ein Wiederaufnahmeverfahren zwar abgelehnt, allerdings wurde beiden ein 30-tägiger Strafaufschub gewährt. Im November 2020 waren beide für ihre Mitgliedschaft in einer Hauskirche zu jeweils zwei und elf Jahren Haft verurteilt worden. Saras Urteil wurde im Dezember 2020 auf acht Jahre reduziert.
Im Juni wurde Nasser Navard Gol-Tapehs Antrag auf vorzeitige Haftentlassung ohne Begründung abgelehnt. Gol-Tapeh, ein Christ, war wegen seiner Beteiligung an einer Hauskirche, welche die Behörden als Bedrohung für die nationale Sicherheit einstuften, zu zehn Jahren Haft verurteilt worden.
Ein im Juni 2021 von der norwegischen Behörde Landinfo veröffentlichter Bericht über die Strafverfolgung christlicher Konvertiten stellte fest: „Einige der Personen, gegen die die härtesten Urteile gefällt wurden (zwei bis zehn Jahre Haft), wurden für die Leitung von Hauskirchen verurteilt. Auch Verbindungen zu missionarischen Gemeinschaften im Ausland stellen ein Risiko dar, da die Verbreitung des christlichen Glaubens als Werk feindlicher Staaten eingestuft wird. Des Weiteren sind zahlreiche Verurteilte Mitglieder des gezielt verfolgten Netzwerks Church of Iran (Kirche des Iran).“
Im September 2021 wurden die Gefängnisurteile der iranischen Christen Amin Khaki, Milad Goudarzi und Alireza Nourmohammadi von der 12. Kammer des Berufungsgerichts des Revolutionstribunals in Karadsch auf drei Jahre reduziert. Die drei Mitglieder von Church of Iran waren im Juni wegen der „Teilnahme an Propaganda gegen die islamische Regierung“ zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Zusätzlich waren sie auch wegen „Sektenaktivitäten“ angeklagt worden.
Im November 2021 entschied der Oberste Gerichtshof des Iran in einem Fall gegen neun christliche Konvertiten, dass diese nicht hätten verurteilt werden dürfen. Die Mitglieder einer Hauskirche waren gemäß Artikel 498 und 499 des Strafgesetzbuches wegen Aktivitäten verurteilt worden, die sich gegen die Staatsicherheit richteten. Der Gerichtshof schrieb in seiner Entscheidung, dass „das bloße Predigen des Christentums und der ‚Einsatz für die evangelikale Zionistensekte‘, beides Begriffe, die sich scheinbar auf die Verbreitung des Christentums durch familiäre Zusammenkünfte [Hauskirchen] beziehen, keine Form der Versammlung und Komplizenschaft darstellt, die sich gegen die Sicherheit des Landes richtet, weder intern noch extern.“ Im Februar 2022 sprach ein Gericht in Teheran die christlichen Konvertiten frei. Der durch dieses Urteil aufkeimende Optimismus wurde jedoch schnell erstickt, nachdem zwei der Freigesprochenen erneut wegen Propaganda angeklagt wurden und ein weiterer erneut inhaftiert wurde – für Tatvorwürfe, von denen er zuvor bereits freigesprochen worden war.
Im Dezember 2021 wurden 13 landwirtschaftlich genutzte Grundstücke im Dorf Kata in der Provinz Kohgiluye und Boyer Ahmad enteignet. Diese Vorfälle stehen beispielhaft für eine zunehmende Anzahl an Enteignungen von Eigentum der Angehörigen der Bahai-Religion.
2022
Im Januar 2022 wurden die zwei christlichen Konvertiten Habib Heydari und Sasan Khosravi aus dem Gefängnis entlassen, nachdem sie ihre einjährigen Haftstrafen für die Zugehörigkeit zu einer Hauskirche verbüßt hatten.
Im Januar wurde der Student Kasra Shoai, ein Anhänger der Bahai-Religion, aufgrund seines Glaubens nicht für ein Studium an der Zahedan University of Applied Sciences zugelassen.
Im Januar veranstalteten staatlich finanzierte Organisationen ein Seminar für gegen die Bahai-Gemeinschaft gerichtete Propaganda.
Im Januar 2022 wurde Pfarrer Matthias (Abdulreza Ali) Hagnejad verhaftet, nachdem er erst zwei Wochen zuvor aus dem Gefängnis entlassen worden war. Zum Zeitpunkt seiner erneuten Festnahme lief eine Überprüfung seiner fünfjährigen Haftstrafe. Ende Dezember 2021 war er nach fast dreijähriger Inhaftierung wegen der „Gefährdung der Staatssicherheit“ und wegen des „Einsatzes für das zionistische Christentum“ aus der Haft entlassen worden. 2019 waren mit ihm acht weitere Mitglieder von Church of Iran verurteilt worden.
Im Januar wurden acht christliche Konvertiten von den Behörden vorgeladen und dazu gezwungen, an „Seminaren zur ideologischen Umerziehung“ teilzunehmen, um ihren Glauben zu ändern.
Im Februar 2022 wurde die Konvertitin Sakineh Behjati von der öffentlichen Behörde „Staatsanwaltschaft und Revolutionsgericht im 12. Distrikt von Teheran“ vorgeladen, um ihre zweijährige Haftstrafe anzutreten. Sie war wegen Propaganda gegen den Staat und wegen Handlungen gegen die nationale Sicherheit verurteilt worden.
Im Februar 2022 wurden die Anträge zweier christlicher Konvertiten auf ein Wiederaufnahmeverfahren in Teheran abgelehnt. Gegen beide waren Haftstrafen wegen der Ausübung ihres Glaubens verhängt worden. Hadi Rahimi und Sakineh Behjati wurden am 16. Februar vorgeladen, um ihre zwei- bzw. vierjährige Haft anzutreten. Kurz zuvor hatte die Abteilung 9 des Obersten Gerichtshofs ihre Revisionsanträge abgelehnt. Die beiden waren im August 2020 von der Abteilung 26 des Teheraner Revolutionsgerichts verurteilt worden, offiziell wegen „Mitgliedschaft in Gruppen, die die nationale Sicherheit zu untergraben versuchen“. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass die beiden zum Ziel der Strafverfolgung wurden, weil sie eine Hauskirche besuchten.
Im Februar 2022 wurde eine Gruppe christlicher Konvertiten aus Dezful gezwungen, „Umerziehungsstunden“ zu nehmen. Durch zehn verpflichtende Unterrichtseinheiten mit islamischen Geistlichen sollten sie wieder zum Islam bekehrt werden. Im November 2021 waren sie noch in allen Anklagepunkten freigesprochen worden.
Im März 2022 wurde der sunnitische Häftling Hamzeh Darvish wegen „beleidigenden Aussagen gegen den Obersten Führer des Iran“ und wegen „Propaganda gegen das System“ zu 25 Monaten Haft verurteilt. Dieses Urteil wurde der von Darvish im gleichen Jahr bereits angetretenen Haftstrafe von 15 Jahren hinzugefügt.
Im März wurden neun christliche Konvertiten von einem Berufungsgericht freigesprochen. Sie waren angeklagt worden wegen „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“ und wegen „des Einsatzes für das zionistische Christentum“. Die Richter verkündetem in ihrem Urteil, es gäbe „keine ausreichenden Beweise“ für gegen die staatliche Sicherheit gerichtete Handlungen seitens der Angeklagten. Des Weiteren argumentierten sie, dass es ein wichtiger Bestandteil der christlichen Lehre sei, sich „Behörden und Autoritäten gegenüber gehorsam und unterwürfig zu verhalten und diese zu unterstützen“.
Im April 2022 zerstörten Behörden unter Beteiligung von Mitgliedern der Revolutionsgarde eine sunnitische Moschee in Zahedan.
Im April wurde Pfarrer Yousef Nadarkhani, der vom Islam zum Christentum konvertiert war, temporär aus dem Evin-Gefängnis in Teheran entlassen. Dort verbüßte der Geistliche eine sechsjährige Haftstrafe.
Im April 2022 wurden Teile des Bahai-Friedhofs in Hamedan von Unbekannten zerstört. Die Bahai-Organisation Iran Press Watch schrieb dazu: „In den vergangenen Jahren sind auch andere Bahai-Friedhöfe in mehreren Städten, darunter Ghorveh, Sanandadsch, Kerman, Shiras und Urmia, zerstört worden.“
Im Mai 2022 verurteilte ein Teheraner Revolutionsgericht den iranisch-armenischen Christen Anooshavan Avedian zu zehn Jahren Haft und zehn Jahren „Entzug gesellschaftlicher Rechte“, weil er Christen bei sich zu Hause unterrichtet hatte. Drei Christen wurden zu Gefängnis- bzw. Exilstrafen verurteilt, nachdem man sie beschuldigt hatte, eine „Hauskirche“ gebildet zu haben. Die christlichen Konvertiten Abbas Soori, 45, und Maryam Mohammadi, 46, wurden ebenfalls mit zehn Jahren Entzug ihrer gesellschaftlichen Rechte und mit einer Geldstrafe belegt. Es wurde ihnen überdies verboten, aus dem Iran auszureisen.
Im Mai 2022 wurden sieben Christen zu Gefängnisstrafen verurteilt. Unter ihnen befand sich auch der iranisch-armenische Pfarrer Joseph Shahbazian, der wegen der Bedrohung der nationalen Sicherheit angeklagt worden war. Sechs weitere christliche Konvertiten wurden für ihre leitende Rolle oder ihre Mitgliedschaft in einer Hauskirche zu Haftstrafen von ein bis sechs Jahren verurteilt.
Im Juni verhängte das Revolutionsgericht von Shiraz Haftstrafen von insgesamt 85 Jahren gegen 26 Bahais wegen „Versammlungen und Komplizenschaft zur Störung der internen und externen nationalen Sicherheit“.
Im Juli 2022 wurden drei christliche Konvertiten, gegen die bereits Haftstrafen von fünf Jahren wegen „der Beteiligung an Propaganda und der Verbreitung abweichender und der Scharia entgegengesetzter Glaubensauffassungen“ verhängt worden waren, darüber informiert, dass sie erneut vor Gericht geladen werden – für eine zweite Verhandlung mit einer identisch lautenden Anklage. Ein Revisionsgericht hatte ihr Urteil im Juni bestätigt.
Im August 2022 berichtete die U.S. Commission on International Religious Freedom (USCIRF), dass die iranische Regierung mithilfe der Medien religiöse Propaganda verbreite und damit aktiv „herabwürdigende Meinungen“ gegen das Christentum und andere Glaubensrichtungen schüre. Der überparteiliche beratende Bundesausschuss der USA schrieb dazu, dass staatliche Propaganda gegen christliche Konvertiten im Iran oft als Anti-Zionismus getarnt und christliche Konvertiten regelmäßig als Mitglieder eines „zionistischen“ Netzwerks bezeichnet würden.
Im August 2022 zerstörten Mitarbeiter der Sicherheits- und Geheimdienste in der Provinz Mazandaran „mindestens acht Häuser von Bahai-Familien und enteigneten 20 Hektar ihres Landes. Diejenigen, die sich den Handlungen widersetzten, wurden verhaftet.“
In einer Stellungnahme von Experten für Sonderverfahren des UN-Menschenrechtsrats vom 22. August 2022 hieß es: „Wir sind äußerst besorgt über die steigende Anzahl an willkürlichen Verhaftungen und in manchen Fällen auch gewaltsamen Verschleppungen von Mitgliedern der Bahai, ebenso wie über die Zerstörung und Enteignung ihres Eigentums. Dies alles deutet auf eine Politik der systematischen Verfolgung hin.“ Die UN-Experten verwiesen darauf, dass „über 1000 Bahais nach ihren Festnahmen und Anhörungen Hafturteile erwarten“ und dass seit Juli 2022 „Mitarbeiter von Sicherheitsbehörden städteübergreifend Razzien in Häusern von über 35 Bahais durchgeführt und landesweit mehrere Personen festgenommen haben“. Laut dem UN-Bericht „geschahen diese Handlungen nicht unabhängig voneinander, sondern waren Bestandteil einer breitangelegten Vorgehensweise, die sich gegen jedwede abweichende Glaubens- oder religiöse Ausübung richtet, einschließlich christlicher Konvertiten, Gonabadi-Derwische und Atheisten“.
Am 16. September 2022 kam es zu landesweiten Protesten, nachdem die 22-jährige Mahsa Amini starb, während sie sich in Gewahrsam der Sittenpolizei befand. Die Sittenpolizei hatte Mahsa Amini verhaftet, weil sie sich vermeintlich nicht an die Hijab-Regeln gehalten hatte. Der zentrale Slogan der Proteste lautete „Frauen, Leben, Freiheit“ – sowohl eine Forderung nach Gleichberechtigung als auch ein Aufruf gegen religiösen Fundamentalismus. Es fanden auch Gegendemonstrationen statt, auf denen Teilnehmer Slogans wie „Wer gegen den Koran verstößt, muss hingerichtet werden“, riefen.
Zu Beginn waren es vor allem Frauen, die auf die Straße gingen, um gegen den Kopftuchzwang zu protestieren, oft durch das öffentliche Verbrennen von Kopftüchern. Im weiteren Verlauf schlossen sich auch viele Männer den Protesten an, wodurch sich der Fokus der Proteste verschob von einer Haltung gegen das verpflichtende Tragen des Hijab hin zu einer Bewegung gegen die Institutionen der Islamischen Republik.
Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts Ende 2022 haben Sicherheitskräfte infolge der Proteste „mindestens 448 Menschen getötet, einschließlich 60 Kindern und 29 Frauen, und bis zu 17.000 Menschen verhaftet“. Laut einem Bericht des Guardian scheint sich „ein Großteil der Todesfälle“ im Nordwesten zugetragen zu haben, wo die Behörden brutal gegen die neu aufflammende Gewalt einer seit Langem bestehenden kurdischen Separatistenbewegung vorgehen, sowie bei erneuten Feindseligkeiten in der Region Baluch im Südosten des Landes, wo sich bewaffnete Sunniten-Gruppierungen gegen die Diskriminierung durch den schiitisch geprägten Staat auflehnen.
Am 24. November 2022 beauftragte der UN-Menschenrechtsrat eine Untersuchungsmission, die Proteste zu untersuchen.
Am 2. Dezember 2022 setzten die USA den Iran auf die Liste der Länder, die hinsichtlich der Gesetzgebung zur Religionsfreiheitsgesetz als besonders besorgniserregend gelten.
Am 4. Dezember erklärte der iranische Generalstaatsanwalt, dass „die Arbeit der Sittenpolizei ‚eingestellt‘ worden sei, was darauf hindeutet, dass die seit Beginn der Proteste erkennbare Politik der Behörden, es hinzunehmen, wenn Frauen keinen Hijab tragen, zum Dauerzustand geworden ist“. Am 25. November wurde ein „von der Regierung zusammengestellter interner Bericht von einer Hacker-Gruppe, die sich selbst Black Reward nennt, öffentlich zugänglich gemacht“. In dem Bericht heißt es, dass „51 % der Iraner der Meinung sind, dass das Tragen des Hijab eine persönliche Entscheidung sein soll. Weiterhin gehen 56 % davon aus, dass sich die Proteste fortsetzen werden“.
Perspektiven für die Religionsfreiheit
Im Untersuchungszeitraum wurden religiöse Minderheiten wie Christen (insbesondere Konvertiten), Bahai, sunnitische Muslime und nicht-gläubige Menschen Opfer von Diskriminierung und Verfolgung. Dabei kam es zu Sachschäden, Verletzungen und sogar Todesfällen.
Die rechtliche Lage verschlechterte sich im Februar 2021, als Präsident Hassan Rohani Änderungsvorschläge für die Artikel 499 und 500 des Strafgesetzbuches unterzeichnete. Dies hatte zur Konsequenz, dass nun Haftstrafen gegen jeden verhängt werden können, der sich der „Beleidigung des Islam“ und „abweichender Aktivitäten“, die „dem heiligen Gesetz des Islam entgegenstehen oder in dieses eingreifen“, schuldig macht.
Einmal mehr steht der Iran an einem Scheideweg. Mehr als 40 Jahre nach der Revolution hat der Unmut der Bevölkerung über den Tod Mahsa Aminis zu einer landesweiten Protestbewegung geführt, welche die Abschaffung der Islamischen Republik fordern. Es bleibt abzuwarten, ob die Proteste, die den Iran gerade erfassen, zu Reformen oder zu noch mehr Unterdrückung führen werden. Dementsprechend sind die Aussichten für Religionsfreiheit negativ und die Situation wird sich wahrscheinlich sogar noch verschlechtern.