Gesetzeslage zur Religionsfreiheit und deren faktische Anwendung
Die Präambel der Verfassung der Republik Guatemala beginnt mit der Berufung auf den „Namen Gottes“. In Artikel 36 ist das Recht auf freie Religionsausübung verankert: „Ein jeder hat das Recht, seine Religion oder seinen Glauben auszuüben, im öffentlichen wie im privaten Raum, durch Lehre, Gottesverehrung und die Pflege von Riten, ohne andere Einschränkungen als die der Wahrung der öffentlichen Ordnung und des gebührenden Respekts vor der Würde der Obrigkeit und den Anhängern anderer Glaubensrichtungen.“
Mit Artikel 37 der Verfassung wird der Katholischen Kirche Rechtspersönlichkeit verliehen. Des Weiteren wird das Eigentum der Katholischen Kirche an Immobilien anerkannt, die sich „in ihrem friedlichen Besitz für ihre eigenen Zwecke befinden, sofern diese Immobilien bereits in der Vergangenheit Teil des Vermögens der Katholischen Kirche waren.”
Anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften wird „in Übereinstimmung mit den Regeln ihrer Institution“ ebenfalls Rechtspersönlichkeit zuerkannt; der Staat kann dies einzig „aus Gründen der öffentlichen Ordnung“ ablehnen. Außerdem legt Artikel 37 fest: „Immobilien, die von religiösen Institutionen für die Gottesverehrung, zu Bildungszwecken oder für soziale Einrichtungen genutzt werden, sind von Steuern, Gebühren und Abgaben befreit.“
Gemäß Artikel 186, 197 und 207 darf ein Geistlicher in Guatemala nicht das Amt eines Staatspräsidenten, Vizepräsidenten, Staatsministers, Richters oder Friedensrichters bekleiden.
Artikel 71 zufolge muss der Staat seinen Bürgern „ohne jegliche Diskriminierung“ Zugang zu Bildung gewähren.
In Artikel 73 heißt es: „Religionsunterricht ist in den offiziellen Bildungseinrichtungen ein Wahlfach und kann während der gewöhnlichen Unterrichtszeiten – ohne jegliche Diskriminierung – erteilt werden.“ Darüber hinaus steht der Staat in der Pflicht, „ohne jegliche Diskriminierung zum Erhalt des Religionsunterrichts beizutragen“.
Nach dem Zivilgesetzbuch sind Religionsgemeinschaften juristische Personen und dürfen Güter erwerben, besitzen und veräußern. Voraussetzung ist, dass diese Güter ausschließlich für religiöse Zwecke, Bildungszwecke oder das Sozialwesen bestimmt sind.
Gemäß dem Arbeitsgesetzbuch ist religiöse Diskriminierung in Einrichtungen verboten, die im Bereich Bildung, Kultur, Unterhaltung, Sozialwesen oder Handel tätig sind. Des Weiteren ist es Arbeitgebern untersagt, Einfluss auf die religiösen Überzeugungen ihrer Angestellten zu nehmen. Ferner können Gewerkschaften zur Auflösung gezwungen werden, wenn ein Gericht es als erwiesen ansieht, dass sie zwischen den Glaubensgemeinschaften Zwietracht säen.
Das Strafgesetzbuch stellt Handlungen unter Strafe, durch die religiöse Feierlichkeiten gestört oder religiöse Praktiken und Kultgegenstände beleidigt werden. Die Schändung von Gotteshäusern und Begräbnisstätten ist ebenfalls strafbar. Darüber hinaus wird Diebstahl besonders streng geahndet, wenn es sich um Gegenstände handelt, die z. B. im Gottesdienst genutzt werden oder anderweitig eine große religiöse Bedeutung haben.
Vorfälle und aktuelle Entwicklungen
Im Juni 2021 begann der Kongress der Republik Guatemala, sich mit einem Gesetzesentwurf zur Religions-, Glaubens-, Kultus- und Gewissensfreiheit zu befassen.
Im August 2021 äußerten Mitglieder der Katholischen Kirche ihre Besorgnis im Hinblick auf die sozialen und politischen Krisen im Land. Die Jesuiten prangerten das Desinteresse der Behörden an, etwas gegen Korruption und Straflosigkeit zu unternehmen. Die Nationale Konferenz der Ordensleute Guatemalas wies darauf hin, dass die Menschen sich Gerechtigkeit und Gleichheit wünschten, und erklärte sich mit ihren Bedürfnissen und Forderungen solidarisch.
Im September 2021 rief das Präsidialamt im Zuge der Covid-19-Pandemie den Notstand aus und wies die Religionsgemeinschaften an, alle Präsenzgottesdienste – einschließlich Trauerfeiern und Beerdigungen – auszusetzen. Als Reaktion auf diese Maßnahmen veröffentlichte die Katholische Bischofskonferenz Guatemalas ein Kommuniqué, in dem sie erklärte, dass „Gottesdienst und religiöse Aktivitäten einen wesentlichen Lebensinhalt darstellen“, und den Kongress aufforderte, die Regelungen zu ändern.
Am 16. Dezember 2021 kündigte Staatspräsident Alejandro Giammattei an, dass er Guatemala am 9. März 2022 zur „iberoamerikanischen Pro-Life-Metropole“ erklären würde. Guatemala sei „ein Land des Glaubens“, so der Präsident, und damit habe jede Regierungsinstitution „eine klare Orientierung und Ausrichtung im Hinblick auf die Achtung des Lebens von der Empfängnis an sowie des Schutzes der Familie als zentrale Achse der Gesellschaft“.
Im März 2022 gab das Verfassungsgericht einer Berufung der christlichen Kirche Casa de Dios statt. Die Gemeinschaft hatte einen Verstoß gegen das Prinzip eines ordentlichen Gerichtsverfahrens und gegen die Religionsfreiheit geltend gemacht, nachdem sie dazu aufgefordert worden war, ihre Konten offenzulegen.
Im April 2022 kündigte die Regierung die Einrichtung eines interreligiösen „Runden Tisches“ unter Beteiligung verschiedener Kirchen an. In diesem Rahmen sollte ein Beauftragter des Präsidenten benannt werden, der als Verbindungsperson zwischen der Regierung und den Religionsgemeinschaften fungiert.
Im Mai 2022 wurden 50 Maya-Priester staatlich akkreditiert. Damit wird sichergestellt, dass die traditionelle Maya-Spiritualität an Stätten, die als heilig gelten, weiter ausgeübt werden kann.
Im Juni 2022 hielt Guatemalas Präsident Giammattei auf dem Internationalen Gipfel für Religionsfreiheit in Washington (USA), eine Rede, in der er für das grundlegende Menschenrecht auf Religionsfreiheit einstand.
Im Berichtszeitraum wurden zwei Anschläge gemeldet, die einen Bezug zu evangelikalen Kirchen hatten: Nach Behördenangaben wurde im November 2021 ein Mann von Auftragsmördern erschossen, als er in einer Kirche der Vereinigten Pfingstgemeinde Zuflucht suchte. Im Mai 2022 wurden während eines Gottesdienstes in einer evangelikalen Kirche in der Avenida Bolívar zwei Menschen angeschossen und verletzt.
Perspektiven für die Religionsfreiheit
Zwar hat die Katholische Kirche Besorgnis über soziale und politische Krisen in Guatemala zum Ausdruck gebracht; doch hat die Regierung einige positive Schritte zur Unterstützung der Religionsgemeinschaften unternommen und die Ausübung der Maya-Spiritualität gefördert. Die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit stellt weiterhin eine Herausforderung dar, da die Gefahr besteht, dass kriminelle Gruppen aus benachbarten Ländern ihre Aktivitäten auf Guatemala ausweiten. Die Regierung hat allerdings Maßnahmen zum Schutz und zur Gewaltprävention ergriffen, die auch Gotteshäuser einschließen. Insgesamt sind die Perspektiven für die Religionsfreiheit daher weiterhin positiv.