Gesetzeslage zur Religionsfreiheit und deren faktische Anwendung
Laut Verfassung ist Andorra eine parlamentarische Demokratie und wird als Doppelherrschaft (Artikel 43 Absatz 2) von zwei Co-Fürsten regiert: zum einen vom französischen Staatspräsidenten und zum anderen vom Bischof des spanischen Bistums Urgell.
Die Verfassung des Fürstentums garantiert Religionsfreiheit und legt fest, dass „die Freiheit, seine Religion oder seinen Glauben zu leben, nur insofern begrenzt ist, wie dies gesetzlich vorgeschrieben und im Interesse der öffentlichen Sicherheit, öffentlichen Ordnung, Volksgesundheit, öffentlichen Moral oder zum Schutz von grundlegenden Rechten und Freiheiten erforderlich ist“ (Artikel 11 Absatz 2).
Laut Verfassung wird das besondere Verhältnis zwischen dem Staat Andorra und der Katholischen Kirche „im Sinne der Tradition Andorras“ gewürdigt und „die volle Rechtsfähigkeit der Organe der Römisch-katholischen Kirche anerkannt, deren Rechtsstatus sich aus ihren eigenen Bestimmungen ergibt“ (Artikel 11 Absatz 3). Die Beziehungen zum Heiligen Stuhl sind im Konkordat von 2008 geregelt.
Ferner sieht die Verfassung vor, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Sie untersagt „Diskriminierungen aufgrund der Geburt, der Ethnie, des Geschlechts, der Herkunft, der Religion, der Ansichten oder sonstiger persönlicher oder sozialer Umstände“ (Artikel 6 Absatz 1).
Im Februar 2019 verabschiedete der Generalrat von Andorra (das Parlament des Landes) ein Gleichbehandlungs- und Antidiskriminierungsgesetz, welches Diskriminierungen aufgrund der Geburt, der Nationalität oder Staatenlosigkeit, der Ethnie oder Herkunft, des biologischen oder sozialen Geschlechts, der Religion, der religiösen oder philosophischen Überzeugungen, der politischen oder gewerkschaftlichen Ansichten, der Sprache, des Alters, einer Behinderung, der sexuellen Orientierung oder Identität, des sexuellen Ausdrucks oder der sonstigen persönlichen oder sozialen Umstände untersagt (Artikel 4 Absatz 2). Zudem wurden durch dieses Gesetz das Office of the Ombudsman (Amt des Ombudsmannes [Artikel 28]) und das Equality Observatory (Beobachtungsstelle zur Gewährleistung der Gleichstellung [Artikel 29]) geschaffen. Es wurden darüber hinaus auch Strafen für den Fall von Verletzungen der neue geschaffenen Bestimmungen eingeführt (Artikel 40).
Auch wenn nur die Römisch-katholische Kirche als Religionsgemeinschaft in Andorra rechtlich anerkannt ist, können sich andere Glaubensgemeinschaften als kulturelle Organisationen laut Vereinsrecht registrieren lassen. Diese Registrierung ist erforderlich, um Andachtsorte zu errichten und staatliche Zuschüsse in Anspruch zu nehmen.
Aufgrund ihres Rechtsstatus genießt die Katholische Kirche Privilegien, die für andere Glaubensgemeinschaften nicht gelten. So werden zum Beispiel die Gehälter ausländischer katholischer Priester vom Staat finanziert, wenn sie in Andorras Pfarreien tätig sind. Dagegen erhalten ausländische Geistliche nichtkatholischer Glaubensgruppen keine Arbeitserlaubnis als Kirchenmitarbeiter, sondern haben in der Regel nur eine allgemeine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis mit einem anderen Einwanderungsstatus.
In Andorra gibt es keine Moscheen, doch verfügt die muslimische Religionsgemeinschaft über zwei Gebetsräume. Die jüdische Gemeinschaft hat eine kleine Synagoge und ein Gemeindezentrum.
In dem 2012 veröffentlichten Bericht der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI, ein Instrument des Europarates) wird Andorra empfohlen, jüdische und muslimische Friedhöfe einzurichten, Minderheitsreligionen einen Sonderstatus einzuräumen und den Bau einer Moschee zu bewilligen.
In den Folgeberichten der Jahre 2015 und 2016 wurden diese Empfehlungen nicht mehr von der ECRI aufgegriffen. Der Bericht von 2016 sieht dagegen vorläufige Empfehlungen für ein Gleichbehandlungs- und Anti-Diskriminierungsgesetz vor, das von der Regierung Andorras schließlich 2019 verabschiedet wurde.
Anfang April 2022 wurde eine Gesetzesänderung, die Schulangestellten und Schülern das sichtbare Tragen von „religiösen Symbolen und Zeichen“ in Schulen untersagt, einstimmig angenommen. Das entsprechende Gesetz enthielt ebenso eine Bestimmung, der zufolge Schüler die Möglichkeit haben, ein säkulares Fach anstelle des katholischen Religionsunterrichts zu wählen.
Vorfälle und aktuelle Entwicklungen
Im Berichtszeitraum wurden keine Verletzungen der Religionsfreiheit in Andorra gemeldet.
Obwohl jüdische und muslimische Gemeinschaften bestehende Friedhöfe nutzen können, gibt es dort keinen abgetrennten Bereich für sie. Deshalb lassen die meisten Gläubigen dieser Gemeinschaften ihre verstorbenen Angehörige außerhalb des Landes beerdigen.
Mitglieder der muslimischen Gemeinschaft haben sich darüber beschwert, dass religiöse Kopfbedeckungen für Fotos auf offiziellen Dokumenten abgenommen werden müssen.
Andorra beteiligt sich regelmäßig an der jährlichen „Umfrage zu Hasskriminalität“ der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Im Berichtszeitraum wurden keine religiös motivierten Hassdelikte von der Regierung oder von zivilgesellschaftlichen Organisationen gemeldet.
Im April 2022 hatte das Verbot von religiösen Symbolen in der Schule, das infolge der Änderung des Bildungsgesetzes besteht, direkte Auswirkungen auf eine 11-jährige Schülerin. Dem Mädchen wurde untersagt, einen Hidschab in der Schule zu tragen. Das Verfassungsgericht hatte im Vorfeld ein Verbot dieser Symbole an Schulen als verfassungswidrig erklärt. Ebenso ging das Verfassungsgericht davon aus, dass das Mädchen den Hidschab aus freien Stücken trug.
Perspektiven für die Religionsfreiheit
Die Religionsfreiheit ist in Andorra gewährleistet. Daran wird sich aller Voraussicht nach in Zukunft nichts ändern. Die Tatsache, dass 2019 das Gleichbehandlungs- und Anti-Diskriminierungsgesetz verabschiedet wurde, trägt wahrscheinlich zum weiteren Schutz der religiösen Minderheiten in Andorra bei; allerdings könnten sich daraus auch negative Folgen für religiöse Organisationen und Einzelpersonen ergeben, wenn diese mit ihren religiösen Ansichten gegen das Gesetz verstoßen.