Salman bin Abd al-Aziz Al Saud ist seit 2015 König von Saudi-Arabien und damit gleichzeitig Staatsoberhaupt und Regierungschef. Nach dem 1992 festgeschriebenen Grundgesetz muss der König, der absolute Herrscher, die Scharia (Islamisches Recht) befolgen. Die Verfassung des Königreichs „ist das Buch des Allmächtigen Gottes, der Heilige Koran und die Sunna (Traditionen) des Propheten (PBUH).“
Unter der Herrschaft des verstorbenen Königs Abdullah (2005-2015) hatte es vorsichtige Modernisierungsbestrebungen gegeben. Saudi-Arabien besitzt ca. 17 % der weltweit bekannten Erdölvorkommen, ist damit eines der wohlhabendsten Länder der Region und eine politische und religiöse Führungsmacht in der arabischen Welt.
Der Ruf nach politischen Reformen und gesellschaftlichem Wandel ist in den letzten Jahren lauter geworden. Die Forderungen betreffen beispielsweise die Erlaubnis für Frauen, Auto fahren zu dürfen und generell die Meinungsfreiheit. Im Jahr 2016 setzte die saudische Regierung weitreichende wirtschaftliche Reformen um. Ziel der beiden Maßnahmenpakete Vision 2030 und National Transformation Programme 2020 (Programm zur nationalen Transformation 2020) ist die Verringerung der Abhängigkeit des Landes vom Öl.
Laut einer inoffiziellen Erhebung schätzt das Apostolische Vikariat Nördliches Arabien die Zahl der in Saudi-Arabien lebenden Katholiken auf 1,5 Millionen. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Arbeiter aus Indien und den Philippinen. Verschiedenen Berichten zufolge steigt die Anzahl der Saudis, die sich als Atheisten oder Christen sehen. Da das Konvertieren vom Islam zu einer anderen Religion jedoch drastische soziale und rechtliche Konsequenzen zur Folge hat, sprechen sie nicht öffentlich über ihre Konvertierung. Saudi-Arabien unterhält keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zum Vatikan.
Saudi-Arabien ist die Geburtsstätte des Islam und Heimat der zwei wichtigsten heiligen Städte der Muslime: Mekka und Medina. Der saudische König trägt den offiziellen Titel „Hüter beider Heiligen Stätten“. Obwohl das Gesetz auf der islamischen Rechtsschule der Hanbaliten beruht, ist es stark durch die Lehren von Muhammad bin Abd al-Wahhab beeinflusst, die auch die Grundlage des Wahhabismus bilden. Das Land folgt einer strengen Auslegung des sunnitischen Islams, der neben starken Einschränkungen der Frauenrechte schwere Strafen für verschiedene Verbrechen vorsieht. Erlaubt ist auch die Todesstrafe durch Enthauptung für Minderjährige. Es war geplant, ein Königliches Dekret zu erlassen, das die Todesstrafe für minderjährige Straftäter verbietet; dieses ist jedoch bis November 2020 noch nicht offiziell verkündet worden. Saudische Bürger müssen vor dem Gesetz Muslime sein. Nicht-Muslime müssen zum Islam konvertieren, um die Staatsbürgerschaft erwerben zu können. Kinder muslimischer Väter werden automatisch als Muslime angesehen. Die Verbreitung anderer Lehren als der staatlich verordneten Auslegung des Islam ist in Saudi-Arabien verboten.
Religionsfreiheit ist in Saudi-Arabien weder rechtlich anerkannt noch geschützt. Die Konvertierung vom Islam zu einer anderen Religion wird als Apostasie betrachtet und, ebenso wie Blasphemie gegen den sunnitischen Islam, mit der Todesstrafe belegt. Neuerdings neigen saudische Gerichte dazu, Nachsicht walten zu lassen und verhängen bei Blasphemie lange Freiheitsstrafen und Peitschenschläge anstelle der Todesstrafe.
Für Staatsbürger und Ausländer gleichermaßen gesetzeswidrig ist das Importieren und Verbreiten nicht-islamischer religiöser Materialien sowie das Missionieren. Nicht-muslimische Gebetsstätten sowie das öffentliche Bekenntnis zu nicht-muslimischen Glaubensrichtungen sind untersagt. Entsprechende Verstöße können Diskriminierung, Belästigungen und Festnahmen nach sich ziehen; Nicht-Staatsbürgern droht die Ausweisung. Die Regierung hat wiederholt erklärt, dass Nicht-Muslime, die nicht zuvor vom Islam konvertiert sind, ihren Glauben privat ausüben können. Praktisch fehlt es jedoch an eindeutigen Regelungen, was dazu führt, dass Nicht-Muslime der Willkür lokaler Polizeikräfte ausgeliefert sind. Einige Gruppen christlicher Auswanderer schaffen es regelmäßig, unauffällig zu beten, ohne die staatliche Religionspolizei, die Commission for the Promotion of Virtue and Prevention of Vice (Kommission für die Förderung von Tugend und die Prävention von Laster, CPVPV), auch als mutawa bekannt, auf den Plan zu rufen.
Religionsunterricht muss der offiziellen Interpretation des Islam folgen und ist in öffentlichen Schulen verpflichtend. Abweichende Lehrpläne sind auch in Privatschulen untersagt. Saudische wie nicht-saudische muslimische Schüler müssen in Privatschulen das Pflichtfach „islamische Zivilisation“ belegen. Andere Religionen oder Zivilisationen können an internationalen Privatschulen unterrichtet werden.
Angeklagte müssen in Saudi-Arabien gleich und nach den Prinzipien der Scharia behandelt werden. Von den vier sunnitischen Rechtsschulen bildet die hanbalitische Schule in Saudi-Arabien die Grundlage für die Auslegung des islamischen Rechts. Da kein umfassendes, schriftlich niedergelegtes Strafgesetz existiert, fallen Gerichtsbeschlüsse und Urteile von Fall zu Fall äußerst unterschiedlich aus. In Zivilsachen können christliche und jüdische Männer lediglich 50% der Entschädigung bekommen, die ein muslimischer Mann erhalten würde; andere Nicht-Muslime können bis zu 16-mal weniger bekommen als das, was ein muslimischer Mann erhalten würde. In einigen Fällen haben die von einem Muslim erbrachten Beweise größeres Gewicht als die von einem Nicht-Muslim. Beweise, die von einer muslimischen Frau präsentiert werden, haben in bestimmten Fällen nur halb so viel Gewicht wie die von einem muslimischen Mann.
Das Gesetz zur Terrorismusbekämpfung aus dem Jahr 2017 kriminalisiert „jeden, der die Religion oder Entscheidungen des Königs oder Kronprinzen, entweder direkt oder indirekt, infrage stellt“. Ferner werden folgende Handlungen unter Strafe gestellt: „Die Förderung atheistischer Ideologien jeglicher Art“; „jeglicher Versuch, Zweifel an den Grundlagen des Islam zu schüren“; Publikationen, die „den Vorschriften des Islamischen Rechts widersprechen“; nicht-islamische öffentliche Religionsausübung; das öffentliche Zurschaustellen nicht-islamischer religiöser Symbole; das Konvertieren eines Muslims zu einer anderen Religion sowie das Missionieren durch einen Nicht-Muslim.
Trotz der staatlichen Politik gegen nicht-muslimische Bestattungen im Königreich gibt es mindestens einen öffentlichen, nicht-islamischen Friedhof im Land. Im November 2020 wurde dieser während einer Bestattungszeremonie, an der zahlreiche Diplomaten teilnahmen, Ziel eines Anschlags, zu dem sich der Islamische Staat bekannte. Nicht-muslimische Geistliche sind im Land nicht erlaubt.
Menschenrechtsstandards werden “im Sinne der Vorschriften der Scharia“ befolgt. Saudi-Arabien ist kein Vertragsstaat des Internationalen Pakts über Bürgerliche und Politische Rechte. Das bedeutet, dass Menschenrechte nicht wirklich geschützt werden. Im Berichtszeitraum wurde häufig über Einschränkungen der Meinungsfreiheit berichtet. Es gibt weder Gesetze noch Vorschriften, die Diskriminierung am Arbeitsplatz aus Gründen der Religion oder aus anderen Gründen (Ethnie, Geschlecht, Geschlechteridentität) verbieten.
Die halbautonome mutawa (Religionspolizei) überwacht das öffentliche Verhalten und erstattet der regulären Polizei Bericht darüber, damit diese die strenge Durchsetzung der wahhabitischen Auslegung islamischer Normen umsetzt. Seit 2016 müssen die Mitglieder der Religionspolizei offizielle Ausweise bei sich tragen, und ihre Kompetenzen wurden durch einen Königlichen Erlass drastisch eingeschränkt. Sowohl Muslime als auch Nicht-Muslime berichten seitdem über einen Rückgang von Drangsalierungen und Razzien.
Als Maßnahme gegen islamistische Hetze hat das Ministerium für Islamische Angelegenheiten seine Überwachungsmaßnahmen in Moscheen und auf Facebook bzw. Twitter verstärkt.
Seit 2004 wird Saudi-Arabien von der United States Commission on International Religious Freedom (USCIRF) als “Country of Particular Concern (Besonders Besorgniserregendes Land, CPC)“ eingestuft.
Zuhair Hussein Bu Saleh wurde im Juli 2018 für zwei Monate inhaftiert und zu 60 Peitschenhieben verurteilt, weil er aufgrund fehlender schiitischer Moscheen in der Östlichen Provinz des Landes Gemeinschaftsgebete in seinem Haus praktiziert hatte.
Im September 2018 erklärte der Staatsanwalt, dass Online-Satire, die „die öffentliche Ordnung störe“, mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werde.
Im November 2018 besuchte eine Delegation amerikanischer evangelikaler Christen Saudi-Arabien und traf sich mit dem saudischen Kronprinz Mohammed bin Salman.
Obwohl die Regierung bereits zahlreiche jüdische und christliche Oberhäupter empfangen hat, bleibt es den meisten nicht-muslimischen Geistlichen verwehrt, regelmäßig nach Saudi-Arabien einzureisen, um Gottesdienste abzuhalten. Im Dezember 2019 stattete der koptisch-orthodoxe Metropolit Anba Markos Riad dem Land auf Einladung von Kronprinz Mohammed Bin Salman einen dreiwöchigen Pastoralbesuch ab. Während dieses Besuchs wurde am 1. Dezember 2018 die erste offizielle koptische Messe in Riad gefeiert.
Nach Angaben des 2019 Report on International Religious Freedom (Bericht über internationale Religionsfreiheit von 2019) des US-Außenministeriums wurden im Januar 2019 Rechtsverordnungen erlassen, die „den Aufruf zu atheistischen Gedanken in jeglicher Form oder das Infragestellen der Grundlagen der islamischen Religion“ unter Strafe stellen.
Im Januar 2019 stürmten Sicherheitskräfte das Dorf Umm al-Hamam, das in dem vorwiegend von Schiiten bewohnten Gouvernement von Qatif im östlichen Saudi-Arabien liegt. Als Folge von Zusammenstößen, Mörserangriffen und Schießereien gab es fünf Tote und eine große Zahl von Verletzten.
Der Islamgelehrte und ehemalige Dekan der Islamischen Universität Medina, Scheich Ahmed al-Amari, verstarb am 20. Januar 2019 nach einer Gehirnblutung im Gefängnis. Die in London ansässige Menschenrechtsorganisation ALQST erklärte, dass er gefoltert worden war und ihm anschließend eine giftige Substanz injiziert wurde, die erst zur Gehirnblutung und dann zum Tod führte.
Amari, der nach Angaben von Aktivisten in Isolationshaft gehalten wurde, sagte man Kontakte zum einflussreichen Religionsgelehrten Safar Al-Hawali nach. Dieser war im Juli 2018 verhaftet worden, nachdem er ein Buch veröffentlicht hatte, in dem er die saudische Königsfamilie kritisierte und zu Gewalt aufrief. In diesem 3.000 Seiten langen Buch mit dem Titel Muslims and Western Civilization (Muslime und westliche Zivilisation) schürt Al-Hawali – der 1994 schon einmal verhaftet worden war – Hass gegen andere Religionen und ruft dazu auf, den Dschihad zum Schwerpunkt der täglichen Bildung zu machen. Er geißelte die saudische Regierung dafür, dass sie Geld in den Unterhaltungssektor investierte und gleichzeitig die Vorbereitungen auf den Dschihad vernachlässigte. Außerdem rief er zu „Märtyrereinsätzen“ (Selbstmordanschlägen) auf, um den „Feind einzuschüchtern“ und „den Mut der Muslime zu demonstrieren“. Er schrieb: „Dschihadisten sollten geehrt und nicht inhaftiert werden, und wenn sie einen Fehler machen, sollte man sie berichtigen.”
Obwohl die Rolle und der Handlungsspielraum der Religionspolizei drastisch reduziert wurden, wurde der Komiker Yaser Bakr im Februar 2019 für kurze Zeit inhaftiert, weil er in einer Stand-Up-Comedy-Show einen Witz über die Religionspolizei gemacht hatte. Später musste er sich auf Twitter dafür entschuldigen.
Laut dem 2019 Report on International Religious Freedom (Bericht über internationale Religionsfreiheit von 2019) des US-Außenministeriums waren antisemitische Schriften wie The Protocols of the Elders of Zion und Mein Kampf auf der jährlichen Internationalen Buchmesse in Jeddah zu finden. Ähnliche Materialien wurden auf der Internationalen Buchmesse in Riad im März 2019 angeboten.
Im April 2019 gab das Innenministerium (MdI) die Hinrichtung von 37 Personen aufgrund „terroristischer Verbrechen“ bekannt; mindestens 33 von ihnen gehörten der schiitischen Gemeinschaft an. Das Urteil wurde ohne vorherige Ankündigung vollstreckt. Nach Angaben verschiedener Menschenrechtsorganisationen verstießen diese Gerichtsverfahren gegen die internationalen Normen für ein faires Verfahren. Außerdem wurden Geständnisse unter Folter abgelegt. Auf der Grundlage einer Stellungnahme des MdI spezifizierte die Saudi Press Agency (Saudische Presseagentur, SPA), dass einer der Verurteilten gekreuzigt worden war. In Saudi-Arabien bedeutet dies, dass der Körper des Hingerichteten aufgehängt und zur Schau gestellt wird, um andere abzuschrecken. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte sowie andere Menschenrechtsorganisationen verurteilten die Hinrichtungen, insbesondere da einige der Hingerichteten zum Zeitpunkt ihrer Verurteilung noch minderjährig waren.
Im Mai 2019 unterzeichnete der Generalsekretär der Muslim World League (MWL), Mohammed Al-Issa, ein Memorandum mit dem Vorsitzenden des American Jewish Committee, David Harris. Darin verpflichteten sich beide Institutionen zu besserer muslimisch-jüdischer Verständigung. Al-Issa bekundete bei dieser Gelegenheit auch sein Beileid für den Terroranschlag auf eine Synagoge in Kalifornien im April 2019. Während seines Besuchs in den Vereinigten Staaten besuchte er verschiedene Religionszentren.
Im Mai 2019 organisierte die MWL eine viertägige internationale Konferenz mit dem Titel „Werte der Mäßigung in den Koran- und Sunnatexten“. 1.200 hochrangige muslimische Oberhäupter aus 139 Ländern, die 27 islamische Sekten und Gemeinschaften vertraten, verabschiedeten die „Charta von Mekka“. König Salman sprach sich für die Stärkung von „Konzepten der Toleranz und Mäßigung bei gleichzeitiger Stärkung der Konsens- und Versöhnungskultur“ aus.
Zahlreiche bekannte Persönlichkeiten, die Konzerte und Unterhaltungsaktivitäten kritisiert hatten, die von der staatlichen General Entertainment Authority (Allgemeine Unterhaltungsbehörde, GEA) finanziell unterstützt werden, wurden aufgrund der Einmischung in innere Angelegenheiten des Königreichs verhaftet. Einer von ihnen, der Gelehrte Scheich Sheikh Omar al-Muqbil, wurde im September 2019 festgenommen. Grund dafür war seine Aussage, dass die von der GEA gesponsorten Musikkonzerte eine Gefahr für die Kultur des Königreichs darstellten und „die ursprüngliche Identität der Gesellschaft ausradieren“ würden.
Im September 2019 wurde von offizieller Stelle erklärt, dass Verstöße gegen die „guten Sitten“, darunter das Tragen aufdringlicher Kleidung und der Austausch von Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit, bestraft werden.
Auf dem Twitter-Account des Präsidenten der Staatssicherheit wurde im November 2019 ein Video veröffentlicht, das Feminismus, Homosexualität und Atheismus als extremistische Konzepte beschreibt. In dem Video wird gesagt, dass „sämtliche Formen von Extremismus und Perversion inakzeptabel sind“. Takfir – die Praxis, diejenigen zu Ungläubigen zu erklären, die anderen Rechtsschulen des Islam folgen oder auch Muslime, die anders denken – wurde in dem Video ebenfalls als inakzeptables Verhalten beschrieben. Der Post wurde später gelöscht, und die Staatssicherheitsbehörde ließ in einer von der offiziellen Presseagentur geposteten Stellungnahme erklären, dass das Video „viele Fehler“ enthalten hätte.
Im Dezember 2019 wurden mehr als 200 Personen verhaftet, weil sie gegen „die guten Sitten“ verstoßen hatten, beispielsweise durch das Tragen von aufdringlicher Kleidung und „Schikanierung“.
Raif Badawi, ein saudischer Blogger und Gründer des Free Saudi Liberals Forum, sitzt seit 2012 im Gefängnis. Ihm werden die Missachtung islamischer Werte, der Verstoß gegen die Scharia, Blasphemie und die Verhöhnung religiöser Symbole im Internet vorgeworfen. Für diese Vergehen wurde er zunächst zu sieben Jahren Haft verurteilt. Im Berufungsverfahren wurde die Gefängnisstrafe dann auf zehn Jahre Haft und um 1.000 Peitschenhiebe erweitert. 2015 erhielt er 50 Peitschenhiebe. Die restlichen 950 blieben ihm erspart, da die Auspeitschung abgeschafft wurde.
Im September 2019 gab die United States Commission on International Religious Freedom (US-Kommission für Internationale Religionsfreiheit, USCIRF) eine Erklärung ab, in der saudische Behörden dafür kritisiert wurden, dass sie Raif Badawi dringend benötigte Medikamente vorenthalten hätten. Schlussendlich entschied sich Badawi, aus Protest in den Hungerstreik zu treten.
Um gegen Badawis Isolationshaft zu protestieren, traten Badawi und sein Anwalt Waleed Abu al-Khair im Dezember beide in den Hungerstreik. Waleed Abu al-Khair, Gründer des Monitor of Human Rights in Saudi Arabia (Menschenrechtsmonitor Saudi-Arabien) war 2014 verhaftet und zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Er wurde der folgenden Anklagepunkte für schuldig befunden: „Mitwirkung am sowie Aufruf und Ansporn zum Treuebruch mit dem Herrscher“ und „ungerechtfertigte Beschreibung des saudischen Regimes als Polizeistaat.“
Im April, August, Oktober und Dezember 2019 betete Scheich Saleh bin Humaid, Berater des Königshofs und Mitglied im Council of Senior Scholars (Ältestenrat der Gelehrten), in der Großen Moschee in Mekka zu Gott, um die „usurpierenden, einnehmenden zionistischen Juden zu zerstören.“
Im Januar 2020 besuchten MWL-Generalsekretär Mohammed al-Issa und eine Delegation muslimischer Oberhäupter das Konzentrationslager Auschwitz. Am Vorabend des 75. Jahrestags der Befreiung des Lagers erklärte al-Issa, dass der Besuch „sowohl eine heilige Pflicht als auch eine große Ehre“ war.
Einem Bericht von Ali Al-Ahmed, Gründer und Direktor des Institute for Gulf Affairs (Institut für Golfangelegenheiten), der im September 2020 veröffentlicht wurde, ist zu entnehmen, dass saudische Schulbücher nach wie vor abschätzige und gewaltsame Textstellen gegen Juden, Christen und nicht-wahhabitische Muslime enthalten – und das trotz verschiedener Aussagen von saudischen Beamten, dass die Schulbücher redaktionell überarbeitet und von derartigen Inhalten gereinigt worden wären.
Al-Ahmed merkte an, dass obwohl die Bezeichnungen „Christen und Juden“ an einer Stelle im Schulbuch durch den Begriff „die Feinde des Islam“ ersetzt worden waren, an anderen Stellen Christen und Juden ganz explizit in das Lager der Feinde gestellt wurden.
Das Institute for Monitoring Peace and Cultural Tolerance in School Education (Institut für die Überwachung von Frieden und Kultureller Toleranz in der Schulbildung, IMPACT-se) stellte ferner fest, dass obwohl es einige Änderungen in den Lehrplänen gegeben hatte, saudische Schüler vom Kindergarten bis zur Oberschule nach wie vor wie 2019 unterrichtet werden. Ziel sei es, die Abendländer auf Distanz zu halten, Juden als „Affen“ und „Mörder“ darzustellen, die es darauf abgesehen haben, die heiligen Stätten der Muslime zu zerstören. Zudem wird es zum Ziel erklärt, Homosexuelle mit dem Tod zu bestrafen. Während Frauen als unternehmerisch dargestellt und entsprechend motiviert werden, sagt Marcus Sheff, der Vorsitzende von IMPACT-se, dass man ihnen rät, sich nicht „mit den Abendländern anzufreunden, mit denen sie Geschäfte machen.”
Im September 2020 hielt Abdulrahman al-Sudais, Imam an der Großen Moschee in Mekka, eine Predigt, in der er zum Dialog und zur Güte gegenüber Nicht-Muslimen aufrief, wobei er sich dabei insbesondere auf Juden bezog. Einige interpretierten seine Worte als Zeichen der Normalisierung der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Israel, was zu einem Aufschrei in den sozialen Medien führte.
Am 21. Oktober 2020 hob die UN-Menschenrechtskommission hervor, dass der Königliche Erlass vom April 2020 jugendliche Straftäter von der Todesstrafe in Saudi-Arabien ausnehmen würde. Die Tatsache, dass dieser Erlass bisher noch nicht veröffentlicht wurde, hinterlässt jedoch eine gewisse Unsicherheit bezüglich seines Inhalts und seiner Anwendung. Diese Entscheidung, falls umgesetzt, könnte unter anderem Auswirkungen auf das Schicksal von drei schiitischen Häftlingen haben: Ali al-Nimr, der Neffe von Nimr al-Nimr, einem schiitischen Geistlichen, der 2016 von der Regierung hingerichtet wurde, Dawoud al-Marhoon und Abdullah Zaher. Al-Nimr und al-Marhoon waren zum Zeitpunkt der vermeintlichen Straftaten 17 Jahre alt gewesen, Zaher 15 Jahre. Die Regierung bestreitet das Alter mit der Begründung, dass die Gerichte den islamischen Kalender nutzen würden. Dessen Mondjahre seien kürzer als Sonnenjahre, daher unterscheide sich die Berechnung des Alters.
Am 11. November 2020 wurde während einer Gedenkveranstaltung für den Ersten Weltkrieg ein Sprengstoffanschlag auf den einzigen nicht-muslimischen Friedhof in Saudi-Arabien verübt. Wenige Tage später bekannte sich der Islamische Staat zu dem Terroranschlag gegen verschiedene anwesende „Konsuln der Kreuzzugländer“. Hauptziel sei der französische Generalkonsul wegen der Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen in Frankreich gewesen.
Rechtmäßig im Land lebende Ausländer müssen eine Aufenthaltserlaubnis (iqama) bei sich tragen, in der die Religion angegeben wird. Obwohl dort üblicherweise entweder „muslimisch“ oder „nicht-muslimisch“ steht, enthielten einige jüngst ausgestellte Aufenthaltskarten die Bezeichnung „christlich”.
Auch Saudi-Arabien hat strikte Maßnahmen ergriffen, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Anfang März 2020 wurden die islamische Pilgerfahrt (Umra) nach Mekka sowie im weiteren Verlauf des Monats Gebete in Moscheen vorläufig ausgesetzt. Einige Tage vor Beginn des Ramadans wurden in Städten ohne 24-Stunden Ausgangssperre die Ausgehverbotsregeln geändert. Obwohl einige Gebete in den beiden Heiligen Moscheen in Mekka und Medina erlaubt blieben, durften nur Bedienstete hinein.
Im Juni 2020 durften die Moscheen erneut öffnen, Unterricht und Seminare in Moscheen wurden nach den Gebeten wiederaufgenommen, allerdings unter bestimmten Auflagen.
Am 1. November 2020 durften gut 10.000 ausländische Pilger nach einer Unterbrechung von sieben Monaten die Umrah nach Mekka antreten.
Nur eine einzige staatlich autorisierte Form des Islam ist in Saudi-Arabien erlaubt. Abgesehen von einigen wichtigen historischen Treffen mit Oberhäuptern anderer Glaubensrichtungen und der Unterzeichnung gemeinsamer Erklärungen und internationaler Chartas zur Förderung von Frieden und Toleranz, zeigen die oben skizzierten Zwischenfälle, dass es das Land bislang nicht geschafft hat, bedeutsame Veränderungen auf dem Gebiet der Religionsfreiheit im täglichen Leben herbeizuführen.
Trotz einiger ermutigender Zeichen der Öffnung ist Saudi-Arabien immer noch verantwortlich für „systematische, anhaltende und ungeheuerliche Verstöße gegen die Religionsfreiheit“ und bleibt ein Land von großer Besorgnis hinsichtlich der Religionsfreiheit und Menschenrechte. Zahlreiche Menschenrechtsaktivisten und Reform-Befürworter sind verhaftet, eingesperrt und in einigen Fällen gefoltert worden.
Obwohl es bestimmte Anzeichen für eine Modernisierung im Land gibt, wird aus den widersprüchlichen Aussagen des starken Mannes im Land, Kronprinz Mohammed bin Salman, deutlich, dass Reformen nur auf Initiative der Regierung zustande kommen. Aktivistinnen, die sich für Frauenrechte einsetzen, wurden verhaftet und gefoltert. Und dies sogar, nachdem ihnen die von ihnen geforderten Rechte eingeräumt worden waren.
Jede Form der Opposition – ob konservativ oder liberal – wird zum Schweigen gebracht. Die Regierung greift weiterhin hart gegen Regimekritiker durch und sperrt Personen weiterhin ins Gefängnis, die der Apostasie und Blasphemie, der Verletzung islamischer Werte und Moral, der Beleidigung des Islam und der schwarzen Magie und Hexerei bezichtigt werden.
Auf internationaler Ebene verfolgt Saudi-Arabien einen realpolitischen Ansatz. Beispielsweise hat es sich trotz seiner führenden Rolle in der sunnitisch-muslimischen Welt dazu entschlossen, den in China verfolgten muslimischen Uiguren keine Unterstützung anzubieten, da es die Beziehung zu China höher bewertet als die Rechte der muslimischen Glaubensbrüder.
Insgesamt werden die fundamentalen Menschenrechte und die Gewissens-, Glaubens- und Religionsfreiheit in Saudi-Arabien nicht geschützt.