Die Verfassung der Republik Indien sichert jedem Bürger Religionsfreiheit zu. Durch eine besondere Form der Trennung von Religion und Staat strebt das Land die Gleichbehandlung aller Glaubensrichtungen an. Dieses Bestreben rückte jedoch in den Hintergrund, als Premierminister Narendra Modi und seine Bharatiya Janata Party (BJP) 2014 an die Macht kamen.
Seit der Unabhängigkeitsbewegung und der Teilung im Jahr 1947, die zur Gründung der beiden unabhängigen Staaten Indien und Pakistan führte, waren Spannungen zwischen den Glaubensrichtungen immer ein großes Thema. Doch nach der Wahl Modis haben hinduistisch-nationalistische Organisationen wie die Rashtriya Swayamsevak Sangh – RSS (Nationale Freiwilligenorganisation), die unter dem Dachverband Sangh Parivar organisiert sind, dramatisch an politischem, gesellschaftlichem und kulturellem Einfluss gewonnen. Mitglieder diverser Sangh Parivar-Organisationen besetzen heute Führungspositionen in Regierung, Militär und Wissenschaft.
Gemäß Artikel 25 der Verfassung hat jeder Bürger gleichermaßen das Recht auf Gewissensfreiheit und das Recht, seinen Glauben frei zu bekennen, auszuüben und zu verkünden. Des Weiteren heißt es in Artikel 27, dass niemand zur Zahlung von Steuern gezwungen werden darf, die für die Förderung oder Finanzierung einer bestimmten Glaubensrichtung bestimmt sind. Laut Artikel 26 hat jede Glaubensrichtung das Recht, für religiöse und wohltätige Zwecke Einrichtungen zu gründen und zu betreiben und in Bezug auf den Glauben ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln. Darüber hinaus haben Minderheiten, darunter auch religiöse Minderheiten, gemäß Artikel 30 das Recht, eigene Bildungseinrichtungen zu gründen und zu betreiben.
Trotz der verfassungsgemäßen Trennung von Staat und Religion haben schon mehrere Regierungen auf Bundes- und Bundesstaatsebene Gesetze eingeführt, die die Religionsfreiheit von Einzelpersonen und Gruppen beschränken. Besonders in Bezug auf die Unterstützung religiöser Organisationen durch ausländische Geldgeber wurde die Handlungsfreiheit von Glaubensgemeinschaften in den letzten Jahren durch Politik und Verwaltung stark eingeschränkt. Diese Unterstützung wird durch den "Foreign Contributions Regulations Act – FCRA (Gesetz zur Regulierung ausländischer Zuwendungen) geregelt.
Seit 2014 frieren indische Behörden unter Berufung auf den FCRA von 2010 immer häufiger die Bankkonten unterschiedlicher Organisationen ein, um sie durch die Verknappung der Finanzmittel an der Durchführung ihrer Aktivitäten zu hindern. Viele Beobachter sind der Auffassung, dass die amtierende Regierung mit den Vorschriften des FCRA christliche humanitäre Organisationen, Entwicklungsorganisationen und andere mit religiösen Minderheiten verbundene Nichtregierungsorganisationen gezielt zum Aufgeben zwingen will. Nach indischem Strafrecht hat der Staat die Möglichkeit, NGOs mit religiösem Hintergrund strenger zu behandeln und zu benachteiligen.
Die indische Bundesregierung hat 2020 die Kontrolle von zivilgesellschaftlichen Gruppen unter Berufung auf das FCRA verschärft. So hat das Innenministerium vier protestantischen Organisationen und der katholischen Don Bosco Tribal Development Society die Genehmigungen für die Deviseneinfuhr entzogen. Die Don-Bosco-Organisation, die 1976 von den Salesianern gegründet wurde, setzt sich für die Entwicklung von Volksgruppen und ausgegrenzten Gemeinschaften im Bundesstaat Tamil Nadu ein. Ohne die Genehmigung für die Deviseneinfuhr darf sie keine Zuwendungen aus dem Ausland für ihre Arbeit entgegennehmen, auch nicht von den anerkannten Hilfswerken der Katholischen Kirche. Der Antrag auf Erteilung einer solchen Genehmigung kann abgelehnt werden, wenn der Antragsteller nach Ansicht des Ministeriums mit seiner Tätigkeit Spannungen oder Unfrieden in der Gesellschaft schürt. Seit 2017 hat die indische Regierung mehr als 6.600 Genehmigungen für die Diviseneinfuhr abgelehnt, darunter 900 Genehmigungen für religiöse Einrichtungen.
Weil im Hinduismus, Jainismus und Buddhismus die Kuh traditionell verehrt wird, werden der Verzehr von Rindfleisch und das Schlachten von Rindern von weiten Teilen der Gesellschaft abgelehnt. Der Schutz der Kuh ist seit Jahrhunderten ein grundlegender politischer Streitpunkt. Zurzeit gibt es in etwa zwei Dritteln der Bundesstaaten Gesetze, die das Schlachten von Rindern regulieren, einschränken oder verbieten. Der oberste Gerichtshof des Landes, der Supreme Court, hat die Verfassungsmäßigkeit dieser Gesetze bestätigt. Vor allem gesellschaftliche und politische Gruppierungen, die sich für die Verbreitung des Hinduismus stark machen, unterstützen das gesetzliche Verbot des Schlachtens von Rindern. Zu diesen Gruppen gehört neben anderen hinduistisch-nationalistischen Organisationen auch die regierende Bharatiya Janata Party (BJP).
Die BJP arbeitet zudem gezielt daran, die Möglichkeiten des Glaubenswechsels gesetzlich einzuschränken. So haben bereits mehrere Bundesstaaten sogenannte „Gesetze über die Religionsfreiheit“ verabschiedet, die nach Meinung der Kritiker den Gläubigen die Möglichkeit zum Glaubenswechsel nehmen. Nach offizieller Lesart sollen diese gesetzlichen Vorschriften die Gläubigen lediglich davor schützen, zur Annahme eines anderen Glaubens gezwungen oder arglistig verleitet zu werden.
Die gesetzlichen Regelungen in den einzelnen Bundesstaaten weichen nur minimal voneinander ab, weil die älteren Gesetze den nachfolgenden Staaten zumeist als Vorbild dienten. Als erster Bundesstaat hat 1967 Odisha das Gesetz über die Religionsfreiheit eingeführt. Es folgten Madhya Pradesh (1968), Arunachal Pradesh (1978, hier ist der Geltungsbereich noch nicht eindeutig festgelegt), Chhattisgarh (2000), Tamil Nadu (2002, zwei Jahre später außer Kraft gesetzt), Gujarat (2003), Rajasthan (2006, die Unterzeichnung durch den Gouverneur steht noch aus), Himachal Pradesh (2006, 2019 außer Kraft gesetzt, aber kurz darauf durch ein neues Gesetz ersetzt), Jharkhand (2017), und Uttarakhand (2018).
Im August 2019 wurde das Gesetz über die Religionsfreiheit im Bundesstaat Himachal Pradesh von der gesetzgebenden Versammlung einstimmig verabschiedet. Es sieht strenge Strafen von bis zu sieben Jahren Gefängnis für diejenigen vor, die Gläubigen einen anderen Glauben aufzwingen. Zuvor wurde ein solches Vergehen mit höchsten drei Jahren Gefängnis bestraft. Im Juni 2020 kündigte der Chief Minister (Regierungschef) des nordindischen Bundesstaates Haryana an, sein Staat werde ein Gesetz einführen, das Zwangsbekehrungen verhindern soll. Sollte es verabschiedet werden, wird Haryana der neunte indische Bundesstaat mit einem solchen Gesetz sein.
Welche Absicht hinter diesen Gesetzen steckt, wird dadurch deutlich, dass sie bisher niemals gegen Hindus angewandt wurden, selbst wenn Anhänger der Mehrheitsreligion Andersgläubigen explizit Geld geboten haben, um sie zur Hinwendung zum Hinduismus zu bewegen
Dass diese Gesetze religiöse Minderheiten benachteiligen, wurde 2015 deutlich, als der Supreme Court entschied, dass eine Person Anspruch auf bestimmte Vergünstigungen hat, die Christen normalerweise vorenthalten sind, sobald sie vom Christentum zum Hinduismus zurückwechselt. Die Vorfahren des Konvertiten müssen einer Scheduled Caste (gelisteten Kaste) angehört haben und die Glaubensgemeinschaft muss die Wiederaufnahme des Konvertiten zulassen.
Weil die Antikonvertierungsgesetze zumeist auf die Bestrebungen hinduistisch-nationalistischer Gruppierungen zurückgehen, die den Hinduismus in Indien durch konkurrierende Glaubensrichtungen bedroht sehen, treffen sie die religiösen Minderheiten in den jeweiligen Staaten unverhältnismäßig stark. Vor allem missionarisch tätige muslimische und christliche Gemeinschaften leiden unter den Vorschriften. Örtliche Behörden und Hindu-Organisationen machen sich die Verbote zunutze, um religiöse Minderheiten zu drangsalieren und einzuschüchtern.
Seit die hinduistisch-nationalistische BJP von Premierminister Narendra Modi bei der Parlamentswahl im April/Mai 2019 ihre Mehrheit weiter ausgebaut hat, geraten Muslime zunehmend unter Druck. Binnen fünf Monaten setzte die Bundesregierung zwei große Maßnahmen um, die die Rechte der muslimischen Minderheit einschränken. Im August entzog sie dem mehrheitlich von Muslimen bewohnten Bundesstaat Jammu und Kashmir seine Sonderstellung gemäß Artikel 370 der Verfassung, der ihm weitreichende Autonomie eingeräumt hatte. Im Zuge dessen wurden zahlreiche politische und zivilgesellschaftliche Verantwortliche ohne Angabe von Gründen und ohne Gerichtsbeschluss festgenommen. Im gesamten Gebiet wurden monatelang die Internetverbindungen blockiert. Des Weiteren verabschiedete das indische Parlament im Dezember den Citizenship Amendment Act – CAA (Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts), der Muslime aus bestimmten Nachbarländern ausdrücklich von der Möglichkeit ausschließt, wegen religiöser Verfolgung in Indien als Flüchtling anerkannt zu werden und die indische Staatsbürgerschaft zu beantragen.
Im indischen Strafgesetzbuch ist ein Blasphemieverbot vorgesehen. Gemäß Paragraf 295A ist es strafbar, die Religion oder die religiösen Überzeugungen von Bürgern jeglichen Standes zu verunglimpfen, wenn mit der Tat die religiösen Gefühle anderer „vorsätzlich und böswillig“ verletzt werden sollen. Diese Vorschrift wurde bereits gelegentlich gegen (indische und ausländische) Christen angewendet, die während ihrer Missionstätigkeit angeblich den Hinduismus kritisiert haben sollen.
Christen sehen sich in Indien weiterhin Gewalt und Hassverbrechen ausgesetzt. Allein im Jahr 2019 verzeichnete die Religious Liberty Commission (Kommission für Religionsfreiheit) im ganzen Land 366 Vorfälle, bei denen Christen angegriffen, eingeschüchtert oder schikaniert wurden.
Hinduistische Extremisten werden bei ihren Angriffen auf christliche Gebetsstätten häufig von den örtlichen Behörden unterstützt. Polizei und Justiz spielen die Angriffe entweder herunter oder schauen nicht so genau hin. Im ostindischen Bundesstaat Odisha, in dem 2008 eine große Hetzjagd auf Christen stattgefunden hatte, wurden am 21. Juli 2020 Christen in einem Dorf bedroht, weil sie mit ihren Gottesdiensten angeblich die öffentliche Ruhe gestört hätten. In einem anderen Dorf überfielen die Bewohner eine provisorische Gebetsstätte, in der sich 40 Gläubige zum Gottesdienst versammelt hatten, und steckten sie in Brand. Als die Gottesdienstbesucher das Gebäude verließen, wurden sie von dem wütenden Mob angegriffen. Obwohl die Tat schnell bei der Polizei angezeigt worden war, wurde bisher niemand zur Verantwortung gezogen. Der Richter am zuständigen Bezirksgericht ordnete daraufhin unter Anwendung von Paragraf 107 der Strafprozessordnung zur „Gewährleistung der öffentlichen Ruhe“ ein Verbot jeglicher kirchlicher Aktivitäten in dem Dorf an und wies darauf hin, dass es aufgrund des Vorfalls „riskant sei, weiterhin Gottesdienste zu feiern“.
Vor allem innerhalb einzelner Volksgruppen im ländlichen Indien nimmt der Anteil der Christen zu, so zum Beispiel im Distrikt Dang im Bundesstaat Gujarat. In Anbetracht des wachsenden Anteils der Christen innerhalb der dortigen Volksgruppen starteten hinduistische Extremisten dort gezielte Kampagnen, um konvertierte Christen für den Hinduismus zurückzugewinnen. Im Januar 2020 wurden so angeblich 144 Bewohner des Dorfes Bhogadiya „bekehrt“. Der Jesuitenpater Cedric Prakash aus Ahmedabad, der Hauptstadt des Bundesstaates, erklärte, hinduistische Extremisten würden lediglich das Gerücht verbreiten, dass mehrere hundert Christen zum Hinduismus zurückgekehrt seien. Für die Katholische Kirche sei er jedoch von der Unerschütterlichkeit des Glaubens der Menschen überzeugt.
Christliche Konvertiten, die sich weigern, zum Hinduismus zurückzukehren, sind oftmals von Folter und Tod bedroht. Im Dorf Gadada im Bundesstaat Chhattisgarh wurden Familien von den Behörden aufgefordert, ihren Glauben zu widerrufen. Andernfalls würden ihnen schwerwiegende Konsequenzen drohen. Die Konvertiten weigerten sich, Christus zu verleugnen, und wurden geschlagen. Nach den Übergriffen kamen radikale Hindus in das Dorf und führten mit zwei weiteren christlichen Familien eine „Rückbekehrungszeremonie“ durch. Auch in den Regionen Bastar und Kondagaon des Bundesstaates Chhattisgarh nehmen die Übergriffe auf Christen zu, weil Konvertiten sich weigern, den Anordnungen der Dorfvorsteher zu folgen und sich öffentlich von ihrem Glauben loszusagen.
In den letzten Jahren nahmen auch Angriffe auf Muslime und Christen in mehreren Bundesstaaten zu, bei denen die Angreifer vorgeben, die ihnen heilige Kuh beschützen zu wollen. Aus einem Bericht von Human Rights Watch geht hervor, dass im Zeitraum von März 2018 bis Dezember 2018 allein 44 Menschen aus diesem Grund getötet wurden.
Die Gewalt der Kuh-Schützer richtet sich größtenteils gegen Muslime und Dalits (Angehörige der untersten hinduistischen Kaste, die auch als „Unberührbare“ oder „Paria“ bezeichnet werden) sowie gegen indigene Volksgruppen christlichen Glaubens, die in ländlichen Gebieten von Landwirtschaft und Viehzucht leben.
Am 31. Juli 2020 wurde ein 25-jähriger Muslim von einem Mob von Kuh-Schützern angegriffen, als er einen Basar mit Büffelfleisch (nicht Rindfleisch) belieferte. Er erlitt einen Schädelbruch und Prellungen im Gesicht, während die Polizei dem Gewaltausbruch tatenlos zusah. Das Opfer erstattete Anzeige bei der Polizei, aber niemand wurde festgenommen.
Im ostindischen Bundesstaat Jharkhand überfielen 60 Hindu-Extremisten am 16. September 2020 indigene Christen im Dorf Bherikhudar. Die Christen wurden von den Angreifern beschuldigt, Rinder zu schlachten und am örtlichen Markt Rindfleisch zu verkaufen. Darüber hinaus wurden sie aufgefordert, mit dem Ausspruch „Jai Shri Ram“ den Gott Ram zu preisen. Als die Christen sich weigerten, wurden sie mit Schuhen beworfen und ihnen wurden die Haare geschoren, um sie dem Spott der Öffentlichkeit auszusetzen.
Hindu-Extremisten rufen bei Angriffen auf christliche Dorfbewohner häufig „Jai Shri Ram“, wenn sie diese des Schlachtens von Rindern bezichtigen. Der Ausspruch gilt eigentlich als traditioneller Gruß unter Hindus, wird aber zunehmend bei gewalttätigen Übergriffen gegen Christen und Muslime missbraucht. Im Juli 2019 kursierte ein Video in den sozialen Medien, das zeigte, wie ein Mob in Jharkhand den 24-jährigen Muslim Tabrez Ansari an einen Pfahl fesselte und verprügelte. Er wurde von den Tätern gezwungen, „Jai Shri Ram“ zu rufen. Vier Tage später starb der junge Mann im Polizeigewahrsam an seinen Verletzungen. Ein weiterer Muslim wurde im September 2020 von Hindu-Extremisten gezwungen, „Jai Shri Ram“ zu rufen, und dann getötet. Das Opfer, Aftab Alam, war ein muslimischer Taxifahrer. Während er um sein Leben fürchtete, wurde der Angriff über sein Mobiltelefon aufgezeichnet. Später fand man das Taxi mit dem Leichnam darin. Der Sohn wollte den Fall als Hassverbrechen anzeigen, aber die Polizei stufte ihn als einfachen Raub ein.
Im Dezember 2019 verabschiedeten die beiden Kammern des indischen Parlaments den umstrittenen Citizenship Amendment Act – CAA (Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts). Daraufhin kam es in Delhi, Uttar Pradesh, Madhya Pradesh, Maharashtra, Karnataka, Assam und an mehreren Universitäten zu Unruhen und Gewaltausbrüchen. Im Februar 2020 starben mindestens 27 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizeikräften im Nordosten von Delhi, mehr als 200 weitere wurden verletzt. Das Gesetz stieß unter indischen und ausländischen Wissenschaftlern und Aktivisten auf scharfe Kritik, weil es für illegale Einwanderer und Flüchtlinge aus den direkten Nachbarstaaten die Religionszugehörigkeit zu einer Bedingung für die Zuerkennung der Staatsbürgerschaft macht.
Außerdem war in Indien ein Anstieg der Übergriffe auf Priester und Geistliche zu verzeichnen. Im November 2018 wurde Fr. Vineet Pereira angegriffen, während er in Ghohana, einer Stadt im nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh, eine Andacht feierte. Einige Monate später, im Februar 2019, überfielen im Bundesstaat Tamil Nadu Hindu-Extremisten die Little Flower Catholic Higher Secondary School und wendeten Gewalt gegen die Franziskanerinnen vom Unbefleckten Herzen Mariens an, die die Schule betreiben. Zu einem weiteren Vorfall kam es am 8. Oktober 2020, als der 83-jährige Jesuitenpater Stan Swamy von Kräften der National Investigation Agency (Nationale Terrorbekämpfungseinheit) festgenommen wurde, weil er die Repressalien gegen Volksgruppen im Bundesstaat Jharkhand verurteilt hatte. Pater Swamy soll gegen die Vorschriften des Unlawful Activities Prevention Act (Gesetz zur Verhütung gesetzwidriger Aktivitäten) verstoßen haben und ist die älteste Person, der jemals in Indien terroristische Aktivitäten angelastet wurden. Die meisten Menschen, darunter führende Vertreter der Katholischen Kirche, beschreiben Pater Swamy als einen „zurückhaltenden, unauffälligen Aktivisten“, der sein Leben „der Erbauung indigener Volksgruppen“ gewidmet habe, seit er 1991 nach Jharkhand gekommen sei.
Der indische Staat stellt sich selbst als multireligiöse Demokratie mit einer reichen, von religiöser Vielfalt und Pluralismus geprägten Geschichte dar. Dabei steht er längst auf der Liste jener Länder, in denen die grundlegendsten Rechte im Zusammenhang mit der Religionsfreiheit verletzt werden. Es ist besorgniserregend, dass restriktive Maßnahmen gegen Christen und andere religiöse Minderheiten immer weiter zunehmen, dass religiös motivierte Gewalt, ungestrafte Verbrechen und Einschüchterungen um sich greifen und dass das Recht des einzelnen auf freie Glaubensausübung immer stärker eingeschränkt wird.
Im Jahr 2020 empfahl die United States Commission on International Religious Freedom – USCIRF (US-Kommission für internationale Religionsfreiheit) dem US-Außenministerium, Indien als Country of Particular Concern – CPC zu klassifizieren. Damit solle es in die Liste der Länder aufgenommen werden, die Anlass zu besonderer Besorgnis geben. Zuletzt war Indien 2004 in dieser Kategorie geführt worden. Darüber hinaus empfahl die USCIRF „gezielte Sanktionen gegen indische Behörden und Regierungsvertreter, die für schwerwiegende Verstöße gegen die Religionsfreiheit verantwortlich sind“.
Die Situation der Muslime in Indien hat sich durch die Covid-19-Pandemie nochmals verschärft. In einigen Fällen wurde Angehörigen religiöser Minderheiten, die an dem Virus erkrankt waren, die Behandlung in Krankenhäusern verweigert. Einige Behörden haben Muslime willkürlich unter Quarantäne gestellt. Generell sind die Aussichten für die Religionsfreiheit in Indien düster.