In Algerien leben mehrheitlich sunnitische Muslime. Die jüdische Gemeinschaft zählt weniger als 200 Gläubige. Darüber hinaus gibt es katholische und protestantische Gemeinden im Land. Nach amtlichen Angaben sind nahezu alle Christen im Land Ausländer. Viele von ihnen stammen aus den Ländern südlich der Sahara. Die Zahl der Muslime, die zum Christentum übergetreten sind, wird auf 50.000 bis 100.000 geschätzt. Vor allem in der Region Kabylei schlossen sich die meisten von ihnen evangelischen Gemeinschaften an.
Im November 2020 stimmten die Algerier in einem Referendum für eine neue Verfassung, wobei jedoch weniger als 25 Prozent der Wähler ihre Stimme abgaben. In der Präambel wird der Islam als ein grundlegender Bestandteil der Identität des Landes bezeichnet. Gemäß Artikel 2 ist der Islam Staatsreligion. Laut Artikel 10 ist es staatlichen Einrichtungen untersagt, entgegen der islamischen Moral zu handeln. In Artikel 91 ist festgelegt, dass nur Personen muslimischen Glaubens das Amt des Staatspräsidenten übernehmen können. Apostasie stellt nach algerischem Recht keine Straftat dar.
Religiösen Organisationen ist es erlaubt, humanitäre Arbeit zu leisten. Nichtmuslimen ist es aber untersagt, zu missionieren. Ein Verstoß gegen dieses Verbot kann mit einer Geldstrafe und einer Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren belegt werden. Gemäß der Verordnung Nr. 06-03 (Paragraf 11, Absatz 1) gilt dies für jede Person, die „einen Muslim anregt, nötigt oder dazu verführt, zu einer anderen Religion überzutreten, oder Lehr-, Bildungs-, Gesundheitseinrichtungen, soziale oder kulturelle Einrichtungen, Ausbildungsstätten […] oder jegliche finanzielle Mittel zu diesem Zweck nutzt“.
Die Verordnung untersagt nicht nur den Versuch, einen Muslim zu einem anderen Glauben zu bekehren, sondern auch schon den Versuch, seinen Glauben zu erschüttern, wobei der Übertritt selbst nicht strafbar ist. Gemäß Paragraf 11, Absatz 2 der Verordnung ist es verboten, Schriften, die der Bekehrung von Muslimen dienen, zu drucken, zu lagern oder in Umlauf zu bringen. Verstöße können mit einer Geldstrafe von bis zu einer Million Dinar und einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren belegt werden. Daher sind christliche Bücher und Schriften in Algerien selten zu finden. Christen können nur mit großer Vorsicht christliche Bücher oder Schriften mit sich führen.
Alle Glaubensgemeinschaften müssen sich beim Innenministerium registrieren lassen, bevor sie in Algerien tätig werden. Gläubige dürfen sich nur an staatlich genehmigten Orten versammeln. Nichtmuslime, die ein Gebäude für religiöse Zwecke nutzen wollen, müssen dafür eine besondere Erlaubnis beantragen. Doch der nationale Ausschuss, der mit der Zuweisung solcher Orte betraut ist, ist noch nie zusammengetreten und hat deshalb auch noch keine einzige Erlaubnis erteilt. Es gibt also keine Gebäude, die mit staatlicher Genehmigung für religiöse Zwecke genutzt werden. Die staatlichen Vorschriften für Kirchen sind äußerst restriktiv. Auf bürokratischem Wege werden Kirchen geschlossen und nichtsunnitische Muslime eingeschüchtert. Diese Maßnahmen werden aber nicht als Verfolgung betrachtet, sondern vielmehr als Konsequenz der Nichteinhaltung von Gesetzen.
Straftaten, die mit der Religion im Zusammenhang stehen, sind unter anderem in Paragraf 144, Absatz 2 des algerischen Strafgesetzbuchs geregelt. Demnach wird jeder, der den Propheten Mohammed beleidigt oder den Glauben oder die Propheten des Islam in Wort, Schrift oder Bild oder auf andere Weise verunglimpft, mit einer Gefängnisstrafe zwischen drei und fünf Jahren und/oder einer Geldstrafe zwischen 50.000 und 100.000 algerischen Dinar belegt.
Familienrechtliche Angelegenheiten werden nach islamischem Recht geregelt. Gemäß dem algerischen Familienrecht darf ein muslimischer Mann eine andersgläubige Frau heiraten, sofern sie einer monotheistischen Religion angehört. Eine muslimische Frau darf jedoch keinen andersgläubigen Mann heiraten, es sei denn, der Mann tritt zum Islam über (Paragraf 30). Die Kinder eines muslimischen Vaters gelten unabhängig vom Glauben der Mutter als Muslime.
Im Februar 2019 entstand aus Unzufriedenheit mit den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen die Protestbewegung Hirak. Unter dem Druck der Demonstranten trat Präsident Abdelaziz Bouteflika im April 2019 zurück. Mehrere Personen aus seinem Umfeld, unter anderen sein Bruder Saïd, wurden festgenommen. Im Dezember 2019 fand die Präsidentschaftswahl statt. Die Wahlbeteiligung lag jedoch nur bei 40 Prozent. Abdelmadjid Tebboune wurde zum Präsidenten gewählt. Einige Wochen später wurde eine neue Regierung gebildet, der jedoch zahlreiche Minister der „alten Garde“ angehören.
Berichten zufolge wurden seit November 2017 in Algerien mindestens 12 von 46 Kirchen der Église protestante d’Algérie – EPA (Protestantische Kirche Algeriens) auf behördliche Anordnung geschlossen.
Ein Mann, der zum Christentum übergetreten war, wurde vom Vorwurf der Missionierung freigesprochen. Im Februar 2019 wurde der Freispruch endgültig bestätigt. Im April 2019 wurden fünf Christen vom Vorwurf freigesprochen, sie hätten versucht, eine Muslimin zu bekehren. Die muslimische Ehefrau eines der Beschuldigten hatte erklärt, ihr Mann Ouali und seine vier Freunde hätten ein christliches Lied gesungen und beim Essen über Jesus gesprochen. In beiden Fällen waren die muslimischen Ehefrauen von Verwandten unter Druck gesetzt worden, ihre Ehemänner zu belasten und sie zu verlassen. Nach islamischem Recht und gemäß dem algerischen Familienrecht darf eine muslimische Frau nicht mit einem andersgläubigen Mann verheiratet sein.
Mitte Oktober 2019 ließen algerische Behörden protestantische Kirchen schließen, darunter auch die größte Kirche Algeriens in Tizi Ouzou. Einige Gotteshäuser wurden von der Polizei geräumt, bevor sie geschlossen wurden. Mindestens 17 Demonstranten wurden festgenommen, weil sie in den Sitzstreik getreten waren und die Wiedereröffnung der Kirchen gefordert hatten.
Einige Tage später schlossen sich einige Muslime den Protesten der Christen an. Darüber hinaus forderten Rechtsanwälte die Freilassung der Gefangenen, was dann am selben Tag auch geschah. Die betreffenden Kirchen wurden letztendlich wieder geöffnet.
Doch nicht nur Christen sind von Diskriminierung und Verfolgung betroffen. Die muslimische Gemeinschaft der Ibaditen war ebenfalls Ziel einer repressiven Kampagne.
Im November 2019 verabschiedete das Europäische Parlament eine Entschließung über die „Lage der Freiheiten in Algerien“, in der es fordert, dass den Verstößen gegen das Recht auf freie Religionsausübung von Christen, Ahmadi und anderen religiösen Minderheiten ein Ende gesetzt werden solle. In dem Dokument verwies das Europäische Parlament auf die Verordnung Nr. 06-03, die den Bürgern das Recht auf freie Religionsausübung zusichert. Zudem rief es die algerischen Behörden auf, die betroffenen Kirchengebäude wieder zu öffnen.
Ende 2019 waren am Obersten Gerichtshof Algeriens 286 Fälle gegen Anhänger der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinschaft anhängig. Sie werden im Wesentlichen beschuldigt, nicht registrierte religiöse Vereinigungen zu betreiben, unerlaubt Geldmittel zu beschaffen und nicht genehmigte Gebetsstätten zu betreiben. In einigen Fällen wurden Ausweisdokumente und Ausbildungsnachweise der Ahmadis beschlagnahmt.
Im März 2020 ergriffen die algerischen Behörden Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie. Von Mitte März bis Mitte August waren die Moscheen im Land geschlossen. Mittels einer Fatwa wurde es Covid-19-Patienten untersagt, in Moscheen zu beten. Das Ministerium für Religiöse Angelegenheiten und Religiöse Stiftungen erlaubte es den Moscheen aber, täglich eine halbe Stunde den Adhan (Gebetsruf) über Lautsprecher zu übertragen.
Vor Beginn des Ramadans empfahl der algerische Politiker Noureddine Boukrouh auf seiner Facebook-Seite, Muslime sollten wegen der Covid-19-Pandemie auf das Fasten verzichten. „Sie verzichten entweder auf das Fasten, weil ein ausgehungerter Körper anfälliger sein könnte, was zur Verbreitung des Coronavirus beitragen würde, oder sie entscheiden sich für das Fasten und riskieren eine weitere Verbreitung des Virus“, schrieb er. Im Ramadan wurden Versammlungen anlässlich des Opferfestes und des Fastenbrechens stark eingeschränkt.
Im Mai 2020 richteten Abgeordnete des Europäischen Parlaments eine schriftliche Anfrage mit dem Titel „Verstöße gegen die Religionsfreiheit in Algerien“ an die Europäische Kommission. Sie verlangten Auskunft darüber, ob diese Frage im Rahmen des europäisch-algerischen Dialogs thematisiert wird und ob in Algerien Änderungen der Verordnung Nr. 06-03 umgesetzt wurden.
Im Juli 2020 berichteten die Medien, dass algerische Nachrichtendienste und Sicherheitskräfte in der Provinz Tizi Ouzou Informationen über die Religionszugehörigkeit von Lehrern gesammelt haben. Manche betrachteten ein solches Vorgehen als eine Einschüchterungskampagne gegen christliche und atheistische Lehrer.
Verordnung Nr. 06-03 gibt weiterhin Anlass zur Sorge, weil sich durch die strenge Anwendung der Vorschriften der Druck auf religiöse Minderheiten erhöht und nicht angemeldeten Gebetsstätten die Schließung droht.
Im Jahr 2020 hat die United States Commission on International Religious Freedom – USCIRF (US-Kommission für internationale Religionsfreiheit) Algerien erstmals auf die Beobachtungsliste setzen lassen. Wie das Religious Freedom Institute betonte, weist der USCIRF-Bericht auf die „systematische Schließung protestantischer Kirchen im Land, die missbräuchliche Anwendung von Blasphemiegesetzen und Restriktionen gegen weitere Minderheiten wie die Ahmadi und schiitische Gemeinden“ hin.
Die Covid-19-Pandemie und die Maßnahmen zu ihrer Eindämmung könnten die wirtschaftlichen und sozialen Probleme Algeriens und den Konflikt zwischen der Hirak-Bewegung und der Regierung weiter verschärfen. Damit würde sich auch der Druck auf religiöse Minderheiten nochmals erhöhen.