Am 4. Juni hat die Bharatiya Janata Party oder Indische Volkspartei (BJP) zum dritten Mal die Parlamentswahlen gewonnen. Damit bleibt Narendra Damodardas Modi an der Spitze des Landes. Welche Folgen hat dieses Ergebnis für die christliche Gemeinschaft? Pater Pradeep, ein Jesuit aus dem Bundesstaat Jharkhand, teilt seine Meinung mit dem päpstlichen Hilfswerk Aid to the Church in Need (ACN).
Premierminister Modi hat gerade die Wahlen gewonnen. Wie hat die christliche Minderheit darauf reagiert?
Modi hat zwar gewonnen, aber er hat nicht so viele Stimmen erhalten wie erwartet. Für uns ist das ein starkes Zeichen für den Sieg des Volkes, weil es sich getraut hat, seinen Widerstand gegen die BJP zum Ausdruck zu bringen. Modi hat uns immer wieder gesagt, dass er unbesiegbar sei, und zum ersten Mal haben wir erkannt, dass er nicht so unbesiegbar ist. Am Ende hat er die Wahl gewonnen, aber nicht mit einem Erdrutschsieg. Und das trotz der Propaganda, die uns überall – im Fernsehen, in den sozialen Medien, in der Regierung usw. –dazu aufforderte, Modi zu wählen!
Welche Folgen haben diese Wahlen für die Minderheiten in Ihrem Bundesstaat?
Wir befürchten, dass die Partei, die in unserem Bundesstaat weniger Stimmen erhalten hat als vor fünf Jahren, Vergeltung üben und den Augenblick nutzen wird, um Minderheiten, seien es Muslime oder Christen, noch mehr zu schikanieren. Aber da die Partei schwächer geworden ist, muss sie auch Bündnisse eingehen und kann sich nicht gegen die Opposition durchsetzen, so dass sie Offenheit zeigen muss. Ich denke, wir sollten optimistisch sein.
Welcher Art von Diskriminierung sind die Christen ausgesetzt?
Es handelt sich um eine systematische, diskrete, aber starke und dauerhafte Unterdrückung. Zum Beispiel sind die administrativen Verfahren für die Einstellung von Lehrern für unsere Schulen ständig blockiert, es ist unmöglich, Ausweisdokumente zu erhalten, unsere Angelegenheiten werden ständig untersucht…. Ganz gleich, wie akribisch unsere Buchhaltung ist, sie werden immer einen Weg finden, uns zu überprüfen und uns etwas vorzuwerfen. Vor einem Monat erfuhren wir, dass wir als christliche NRO keine finanzielle Unterstützung aus dem Ausland mehr erhalten können. Warum? Weil sie wissen, dass wir, die Minderheiten, nicht für die BJP stimmen. Oder zum Beispiel ist es für einen ausländischen Priester oder auch nur einen Christen praktisch unmöglich geworden, ein Visum für Indien zu bekommen. Und wenn er es doch erhält, wird er permanent mit Verhören und Ähnlichem schikaniert.
Gelten in Ihrem Staat auch Anti-Konversionsgesetze?
Ja, die gibt es. Diese Gesetze wurden eingeführt, um Menschen vor Zwangsbekehrungen zu schützen, aber in Wirklichkeit dienen sie dazu, Missionare und Christen, die Stammesgruppen angehören, zu schikanieren. Diese Gesetze wurden 2017 in unserem Bundesstaat eingeführt und führen zu vielen Aktionen gegen Christen, die sehr weit gehen können. Der Tod von Pater Stan Swamy, einem wegen Terrorismus angeklagten und inhaftierten Jesuiten, der 2021 im Gefängnis starb, hat uns tief erschüttert
Es besteht ein Risiko in Bezug auf die Hilfe für ethnische Stammesgruppen und für die ärmeren Kasten. Die BJP hat versucht, die Namen von Christen aus diesen Gruppen aus den Listen der Hilfsempfänger zu streichen. Dies hätte verhindert, dass sie die von früheren Regierungen eingeführten Beihilfen erhalten. Bislang ist es ihr jedoch nicht gelungen, diese Maßnahme umzusetzen.
Wie sehen Sie die Zukunft der Christen in Indien in den kommenden Jahren?
Die Unterdrückung ist, wie ich schon sagte, konstant und systematisch, aber trotz allem bleibe ich hoffnungsvoll, wenn ich den Mut der Menschen sehe, gegen die BJP zu stimmen. Wir beten, dass trotz dieser neuen fünfjährigen Amtszeit, die uns erwartet, unsere Schwierigkeiten und die Schikanen, denen wir täglich ausgesetzt sind, abnehmen mögen.
Von Amélie Berthelin.