Der 4. August 2020 sollte der glücklichste Tag im Leben des jungen Libanesen Jad sein. Denn im Krankenhaus „Sankt Georg“ gebar seine Frau Christelle ihren ersten Sohn, Nabil.
Doch das Glück währte nur 15 Minuten. Dann, um 18:07 Uhr, explodierten 2750 Tonnen Ammoniumnitrat im Hangar 13 des nahegelegenen Hafens von Beirut. Mehr als 200 Menschen starben, über 6500 wurden verletzt. „Alles flog durch die Luft. Ich dachte, der Krieg bricht aus. Mein erster Gedanke galt meiner Frau und meinem Kind. Es war ein Wunder. Wenn ich die Wiege sehe, in der Nabil lag, kann ich Gott nur danken. Sie stand unter dem zersprungenen Fenster, voller Scherben, die sich wie kleine Lanzen in die Bettdecke gebohrt hatten. Aber Nabil war nichts passiert. Nichts“, sagt der 32-jährige Lehrer gegenüber dem internationalen Hilfswerk „Aid to the Church in Need“.
Jad nahm das unversehrte Kind in seine Arme – und staunte. So muss es gewesen sein, damals im Stall von Bethlehem, ungefähr 300 Kilometer südlich von Beirut, als Josef das neugeborene Kind betrachtete. Damals, vor gut zweitausend Jahren, schützte Gott ebenfalls das neugeborene Kind. Das orthodoxe Sankt-Georg-Krankenhaus aber, das älteste und eines der drei größten im ganzen Land, wurde völlig zerstört. Christelle musste mit Nabil in ein anderes, 80 Kilometer entferntes Krankenhaus, transportiert werden.
Es waren harte, herausfordernde Momente für den jungen Vater. Sie veränderten sein Leben. So wie damals für Josef, als er nach der Erscheinung des Engels im Traum noch in der Nacht das Kind und seine Mutter nahm und nach Ägypten zog (vgl. Mt 2,14).
„Die Explosion hat mein Leben verändert,“ erzählt Jad bei einem Treffen mit dem Hilfswerk in Beirut. Trotz aller Schwierigkeiten habe er gearbeitet und gekämpft, um dieses Land, „das ich liebe“, mit aufzubauen. „Aber“, fügt er mit Bestürzung hinzu, „um zu bleiben, brauchen wir Sicherheit und das Gefühl, dass sich jemand um uns Christen kümmert. Wir fühlen uns allein, verlassen, aufgegeben.“
Die Zerstörung ist kaum zu fassen. 300 000 Menschen waren unmittelbar davon betroffen; die meisten von ihnen sind Christen, denn die Explosion traf vor allem die christlichen Wohnviertel. Viele fragen sich, wie sie den Winter überleben sollen. Auch hier erinnert Beirut an Bethlehem, wo es bei der ersten Weihnacht keine Herberge für Gott gab. Die soziale, wirtschaftliche und politische Krise hat das Land ins Elend gestürzt. Inmitten all dieser Finsternis erinnert sich Jad jeden Tag an das Wunder der Geburt seines Erstgeborenen: „Immer wieder sage ich zu dem Kind: Du lebst, weil Christus dich gerettet hat. Deine Mutter und ich wurden verletzt, aber Du hast keinen Kratzer. Vergiss das nie! Jesus war bei Dir in diesem Moment. Hab‘ keine Angst, Er wird immer bei Dir sein.“
Dem Kind in Bethlehem brachten die Weisen aus dem Morgenland Gold, Weihrauch und Myrrhe. Was wünscht sich Jad für sein Kind? Der junge Vater antwortet ohne zu zögern: „Frieden, Sicherheit – und die Kraft, das Kreuz Christi zu tragen. Denn Christus nahe sein heißt, Sein Kreuz auf sich zu nehmen. Mein Sohn lebt das seit der 15. Minute seines Lebens, und wir Christen im Libanon kennen das nur zu gut. Wir haben Kriege und Verfolgungen überlebt. Wir leben, weil wir eine Mission zu erfüllen haben. Wir sollen Zeugnis geben für Christus. Das bringt das Kreuz mit sich.“